Auf den Spuren der Kunst nach dem Schrecken von Auschwitz. Nachbericht einer Studienfahrt.
Station 3: Kraków oder: Epilog
Nach vielseitigen, lehrreichen, aber auch anstrengenden Tagen endet die Fahrt für die Teilnehmenden im nur eine Stunde entfernt liegenden Kraków, der ehemaligen Königsstadt. Die Altstadt mit ihren Touristen scheint hunderte Lichtjahre entfernt von dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau zu sein. Doch auch in der Stadt mit der glanzvollen Vergangenheit finden sich an vielen Orten Spuren der Verfolgung von Jüdinnen und Juden, vom Schrecken der Shoah und von künstlerischem Umgang damit. Einen letzten Höhepunkt bildet schließlich das Treffen mit der Auschwitz-Überlebenden Lidia Maksymowicz, die eines der Kinder gewesen ist, die Josef Mengele unter dem Vorwand der Medizin misshandelt hat. Lidia Maksymowicz sieht sanft lächelnd der gespannten – und ehrfürchtigen – Gruppe entgegen, die sich im Żydowskie Muzeum Galicja (Jüdischen Museum Galizien) getroffen hat. Im Laufe ihrer Erzählung merkt man, dass sie geübt darin ist, ihre Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines Mädchens, das, soweit die Geschichtswissenschaft es weiß, Auschwitz am längsten überlebt hat. Ein Mädchen, das nach der Befreiung des Lagers am 27. Januar 1945 bei einer Familie im Ort aufwächst und erst Jahre später ihre, mittlerweile in der damaligen Sowjetunion lebende, leibliche Mutter wiedertrifft. Doch es sind wider Erwarten nicht die Stellen emotional berührend, in denen Lidia Maksymowicz von Mengele oder Schreckensfiguren wie Amon Göth[12] erzählt, sondern vielmehr ganz alltägliche und für uns selbstverständliche Augenblicke wie z. B. die Tatsache, wie es war, das erste Mal seit Jahren alleine in einem warmen Bett aufzuwachen. Und es sind solche Aussagen, die die Tränen in die Augen der Menschen im Raum treiben.
Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sind lebende Beweise vergangener Ereignisse. Doch auch sie verschwinden allmählich. Was bleibt?
Die eigentliche Frage ist aber: Wie können wir gegen das Vergessen vorgehen? Die Bildungsfahrt von IBB und Porta Polonica hat zumindest das gezeigt: Die Diskussion und Betrachtung von Kunst ist vielleicht ein guter Start, um diese drängende Frage zu beantworten.
Andrea Lorenz, Januar 2020
[12] Amon Leopold Göth (1908-1946) war SS-Kommandant des Zwangsarbeiterlager Krakau-Plaszow. Vgl. zu Göth und dem Zwangsarbeiterlager Wolfgang Curilla: Der Judenmord in Polen und die deutsche Ordnungspolizei 1939-1945, Paderborn 2011, S. 379f.