Auf den Spuren der Kunst nach dem Schrecken von Auschwitz. Nachbericht einer Studienfahrt.

Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.

Insgesamt drei Tage verbringen die Teilnehmenden in Oświęcim und in Auschwitz-Birkenau. Die vielen Eindrücke entladen sich in den allabendlichen Gesprächen, die sich natürlich um Kunst drehen, aber auch um Gedenkstätten wie die Gedenkstätte KZ Auschwitz-Birkenau. Doch allgemein geht es – ähnlich wie in Berlin schon – darum, wie wir mit den Erinnerungen an die Shoah umgehen. Schlagworte wie „Histotainment“[11] fallen: Die Gedenkstätte in Auschwitz ist sehr gut besucht. In Anbetracht der Menge an Interessierten stellt sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Frage, aus welchen Gründen die Menschen das Museum besuchen. Spielt historisches Bewusstsein eine Rolle oder ist das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau nur ein weiteres „Must-See“ auf der Liste der Touristen-Aktivitäten für Südpolen? Wer hat überhaupt Zugang zu historischem Wissen und authentischen Orten? Sind Menschen, die mit ihrer Familie samt (Klein)Kindern kommen und die die Tragweite des Ortes noch nicht erfassen können, zu verurteilen? Weitere Gespräche drehen sich um die Art der Ausstellung, den Aufbau und die Trägerschaft der Gedenkstätte und darum, wie die Geschichte am authentischen Ort, welcher Sinnbild und Symbol für die Schrecken der Nationalsozialisten ist, transportiert wird. Entgegen der Vermutung vieler Teilnehmerinnen und Teilnehmer hat für viele die Kunstausstellung in Harmęże den Schrecken in Auschwitz plastisch näherbringen können als die Authentizität des Ortes. Es sei natürlich keine Entweder-Oder-Frage zwischen authentischem Ort und der Kunstausstellung, sondern zeige eher die Möglichkeit der Kunst, emotional zu berühren.

Noch größer als die Frage, welche Rolle der authentische Ort Auschwitz spielt, ist die Ausgangsfrage, die bereits in Berlin gestellt wurde: Darf Kunst das? Was unterscheidet die Werke von Kołodziej und Richter? Während der eine selbst Auschwitz erleben musste, schaut der andere aus einer retrospektiven Betroffenheit auf die Shoah. Der eine möchte Identität wiedergeben und Zeugnis ablegen, der andere Trost spenden. Während die Bilder von Kołodziej plastisch erfahrbar sind, ist für den Bilderzyklus von Richter der Kontext entscheidend. Erst mit den Fotografien von 1944 könne die immanente Botschaft verstanden werden, so der Konsens der Teilnehmenden. Erneut stellt sich also die Frage, wie im öffentlichen Raum an die Shoah erinnert wird und welche Rolle der Ort dafür hat. Könnten die Bilder von Kołodziej auch außerhalb des Zentrums funktionieren? Zum Beispiel im Bundestag, anstelle des Birkenau-Zyklus? Es entbrennt eine hitzige Diskussion über die Qualität von künstlerischen Arbeiten, von der Angemessenheit von Kunstwerken zum Thema der Shoah und wer überhaupt entscheidet, was qualitative Kunst ist. Schlussendlich einigen sich die Gemüter auf Folgendes: Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob Kunst Auschwitz thematisieren kann.

 

[11] Damit ist die zunehmende Eventisierung von Medien historischem Inhalts gemeint. 

Mediathek
  • Das Reichstagsgebäude

    Das Reichstagsgebäude in Berlin war die erste Station der gemeinsamen Studienfahrt von IBB und Porta Polonica, 2019.
  • Fotografische Vorlagen zu Gerhard Richters monumentalem Bilderzyklus "Birkenau"

    Die vier fotografischen Vorlagen zu Gerhard Richters monumentalem Bilderzyklus "Birkenau" werden ebenfalls im Besucherfoyer des Bundestages präsentiert, 2019.
  • H.D. Buchlohs Buch “Gerhard Richters Birkenau-Gemälde”

    Parallel zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung des Bilderzyklus publizierte der Kunsthistoriker Benjamin H.D. Buchloh sein Buch “Gerhard Richters Birkenau-Gemälde”, 2019.
  • Seminarauftakt mit Dr. Jacek Barski

    Dr. Jacek Barski, Leiter von Porta Polonica, gibt eine Einführung zum Künstler Gerhard Richter und dessen Werk „Birkenau“, Berlin 2019.
  • Im Gespräch mit den Teilnehmenden

    Bartholomäus Fujak, pädagogischer Mitarbeiter des IBB, im Gespräch mit den Teilnehmenden der Studienfahrt, Berlin 2019.
  • Aus dem Zyklus "Birkenau"

    Eines der vier großformatigen Bilder des Zyklus "Birkenau", Berlin 2019.
  • Bilderzyklus "Birkenau" im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes

    Der Bilderzyklus vertikal ausgerichtet im Besucherfoyer des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
  • Teilnehmende der Studienfahrt 

    Teilnehmende der Studienfahrt vor den historischen Fotografien, die Gerhard Richter als Vorlage für seinen "Birkenau"-Zyklus dienten, Berlin 2019.
  • Die Reichstagskuppel

    Besucherinnen und Besucher in der Kuppel des Reichstagsgebäudes, Berlin 2019.
  • Im Jüdischen Zentrum in Oświęcim

    Das Centrum Żydowskie (Jüdisches Zentrum) in Oświęcim mit der Chewra Lomdei Misznajot Synagoge erzählt von der jüdischen Besiedlung seit dem 16. Jahrhundert und dem Verhältnis der jüdischen Bevölkerun...
  • Im Jüdischen Zentrum in Oświęcim

    Die Teilnehmenden der Studienfahrt im Centrum Żydowskie (Jüdisches Zentrum) in Oświęcim, 2019.
  • Im Museum des Jüdischen Zentrums in Oświęcim

    Teilnehmende der Studienreise im Museum des Jüdischen Zentrums in Oświęcim, 2019.
  • In der Ausstellung des ehemaligen KZ-Häftlings Marian Kołodziej

    In der Ausstellung des ehemaligen KZ-Häftlings Marian Kołodziej im Kellergewölbe der Franziskanerkirche in Oświęcim, 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej

    Einblicke in die Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • Teilnehmende der Studienreise in der Ausstellung von Marian Kołodziej

    Teilnehmende der Studienreise rezipieren die gezeichneten Porträts mit den verzerrten, hageren Gesichtszüge der KZ-Insassen in der Ausstellung von Marian Kołodziej, Oświęcim 2019.
  • "Antisemitismus ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit"

    Graffiti mit Papst Johannes Paul II in Oświęcim: "Antisemitismus ist ein Verbrechen gegen Gott und die Menschlichkeit", Oświęcim 2019.
  • Stadtansicht Oświęcim

    Stadtansicht Oświęcim, 2019.
  • Das Tor des Stammlagers Auschwitz mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei"

    Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau/Państwowe Muzeum Auschwitz-Birkenau (PMO). Besuchergruppen gehen auf das Gelände durch das Tor des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau

    Blick auf des Gelände des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau

    Backsteinbauten der Baracken des Stammlagers Auschwitz, Oświęcim 2019.
  • Eine der historischen Vorlagen für Richters "Birkenau"

    Eine der historischen Fotografien, die Gerhard Richter als Vorlage für seinen Bilderzyklus diente. Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die historischen Vorlagen für Richters "Birkenau"

    Die historischen Vorlagen für Richters "Birkenau" finden sich in der Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die Kunstsammlung der Gedenkstätte

    Die Kunstsammlung der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau: In der Ausstellung finden sich verschiedene Kunstwerke, Oświęcim 2019.
  • Die Kunstsammlung der Gedenkstätte

    Die Kunstsammlung der Gedenkstätte Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau: In der Ausstellung finden sich finden sich verschiedene Kunstwerke, Oświęcim 2019.
  • Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau)

    Das Gelände des Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau), Oświęcim 2019.
  • Wohnbaracken in Auschwitz II

    Wohnbaracken mit dreistöckigen Bettgestellen in Auschwitz II (Vernichtungslager Birkenau), Oświęcim 2019.
  • Schnitzerei der inhaftierten Menschen

    Schnitzereien oder Malereien der inhaftierten Menschen finden sich auch in den Holzwänden und Bettgestellen der Wohnbaracken in Auschwitz II, Oświęcim 2019.
  • Das Einfahrtsgebäude des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

    Blick auf das Einfahrtsgebäude des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • In der Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

    Blick in die Ausstellung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 2019.
  • Die fotografische Vorlage für Richters Bilderzyklus am authentischen Ort

    Die fotografische Vorlage für Richters Bilderzyklus wird in Auschwitz-Birkenau am authentischen Ort mit entsprechenden Besucherinformationen ausgestellt, Oświęcim 2019.
  • Kraków

    In der Altstadt von Kraków, 2019.
  • Kraków

    Die Teilnehmenden der Studienreise in der Altstadt von Kraków, 2019.
  • Graffiti mit hebräischer Schrift

    Graffiti mit hebräischer Schrift in Kraków, 2019
  • Kraków

    Die Teilnehmenden der Studienreise in Kraków, 2019.
  • Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studienreise "‚Birkenau‘ von Gerhard Richter – Ein Ortstermin“, 2019.