Zofia Odrobna (1917–1960): Mutter der „verlorenen“ Kinder
In Libur wurde ihr eine Arbeit auf einem kleinen Bauernhof zugewiesen, wobei sie bei „ihren“ Besitzern mit der Haltung des Viehs sowie mit dem Anbau und der Ernte landwirtschaftlicher Erzeugnissen beschäftigt war. In einem der vielen Briefe, die sie ihren Eltern zukommen lassen konnte, schrieb sie:
„(…) Letztens habe ich mit Anna Disteln im Getreide geschnitten und Unkraut im Garten gejätet, heute wiederum Kartoffeln gepflanzt. Letzte Woche haben wir mit Anna und Bernard drei Tage im Rhabarber gearbeitet und ihn anschließend auf Waggons an der Bahnstation geladen. Die Rhabarberstangen werden von Blättern befreit und mit einer Schnur zu Bündeln von 10 kg gebunden. In zwei Wochen werden wir wieder schneiden, auf einem anderen Feld. Heute ist Donnerstag, ein Feiertag, wir arbeiteten aber den ganzen Tag, es ist Krieg. Bei den Anderen wurde bis Mittag gearbeitet oder gar nicht. (…). Am Sonntag bin ich mit dem Kühe-Melken dran und werde den ganzen Tag zu Hause bleiben, die Mutter des Chefs versprach mir Kuchen – [unleserliches Wort, Anm. d. Autors ŁW], den sie mir zum Namenstag nicht geben konnte. Meine Alte versprach, für den Sonntag eine Biskuittorte zu backen, für mich und für Bernard, da sein Namenstag auf den 22. Mai fällt. Davon soll ich Wanda zwei Stücke geben, daran erinnert mich die Alte schon. Wanda lebt gut zusammen mit ihrer Schwester Gerta in der Bierstube. Gerta schenkte mir zum Namenstag einen Likör, den wir mit Wanda, ihrem Ehemann und ihren beiden Brüdern getrunken haben (…). Von der Alten habe ich ein neues Baumwollkleid bekommen, in der Farbe von Walderdbeeren, sogar der Chef sagte mir, dass ich nett darin aussähe. Ihre Schwester gab mir ein grünes, aus Seide, zwar gebraucht, aber für einen sommerlichen Sonntag wird es goldrichtig sein. Außerdem bekam ich vom Amt fünf Bezugscheine, die ich schon eingelöst habe; 1. ein Rock, 2. eine Bluse, 3. Strümpfe, 4. ein warmes Hemd und dazu eine Hose, die ich noch nicht gekauft habe, da es im Laden keine gab. Die Strümpfe und das Hemd habe ich Anna gegeben, sie gibt sie mir wieder zurück, wenn die Scheine auf ihren Namen kommen. Ich habe ihr die Sachen gegeben, damit sie nicht eifersüchtig ist. Beide haben wir je ein Paar Holzschuhe und je eine Schürze bekommen. Gesundheitlich geht es mir viel besser als im Frühjahr, und auch wenn ich oft krank werden und ins Krankenhaus möchte, so fehlt mir leider rein nichts (…)“.
Während der strapaziösen Arbeit in der Landwirtschaft blieben gesundheitliche Probleme jedoch nicht aus. Die dort erlittenen Infektionen, die entweder gar nicht oder falsch behandelt wurden, verschlechterten ihren Gesundheitszustand und riefen schwere Komplikationen hervor.