Im Dienste Polens: Jacek Kowalski (1950–2019)
Abenteuer mit der Volksrepublik Polen
Jacek Kowalski wird am 5. Mai 1950 in Ostrów Wielkopolski in eine Familie geboren, deren Traditionen von Patriotismus geprägt sind. Sein Großvater, Aleksander Dubiski (1886–1939), ist polnischer Armeeoffizier, Arzt und genießt hohes Ansehen in Ostrów Wielkopolski. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, wird Aleksander als Leutnant in die preußische Armee eingezogen und einem Lazarett in Ostrów Wielkopolski zugewiesen. Bei Ausbruch des Großpolnischen Aufstandes dient er als Lazarettkommandant. Er gehört zu den Gründer:innen der Republik Ostrów (Republika Ostrowska, 10.–26.11.1918). Später nimmt er am Polnisch-Bolschewistischen Krieg an der litauisch-weißrussischen Front teil. Während dieses Krieges wird er zum Hauptmann befördert. Nach dem Ende des Krieges kehrt er nach Ostrów Wielkopolski zurück, wo er die Leitung des Kreiskrankenhauses übernimmt. Im November 1939, nach dem deutschen Überfall auf Polen, wird er zusammen mit 27 anderen Angehörigen der lokalen Elite verhaftet. Seine Familie wird in ein Lager deportiert. Am 14. Dezember 1939 wird er im Winiarski-Wald bei Kalisz hingerichtet. Aleksander Dubiski findet seine letzte Ruhestätte mit anderen Teilnehmer:innen am Großpolnischen Aufstand auf dem Friedhof in Ostrów Wielkopolski.
Die Mutter von Jacek Kowalski, Maria Dubiska-Kowalska (1924–1998), setzt den Unabhängigkeitsgedanken während des Zweiten Weltkriegs fort. Sie wohnt damals in Warschau, wo sie ein Gymnasium besucht. Die Belagerung der Stadt überlebt sie. Im Oktober 1939 kehrt sie mit ihrer Familie in ihre Heimatstadt Ostrów zurück. Nach der Verhaftung ihres Vaters Aleksander werden sie und andere Familienmitglieder in das Lager Neu Skalden (Nowe Skalmierzyce) deportiert. Im Januar 1940 beschließen die deutschen Behörden die Auflösung des Lagers und die Deportation der Häftlinge nach Kielce in das Generalgouvernement. Aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen sind sie und ihre Familie gezwungen, häufig den Wohnort zu wechseln. Zunächst zieht sie zu ihrer Familie, dann nach Starachowice, wo sie längere Zeit lebt. Um der Zwangsarbeit zu entgehen, arbeitet sie zunächst in einem örtlichen Sägewerk und wechselt dann zu den Reichswerken „Hermann Göring“, wo sie in der Hartmetallabteilung beschäftigt wird. Bald stellt sich heraus, dass auf dem Gelände eine Gruppe des Verbands für den bewaffneten Kampf der Heimatarmee (Związek Walki Zbrojnej / Armia Krajowa) tätig ist. Seit 1942 ist Maria unter dem Decknamen „Maryla“ als Verbindungsoffizierin des Kommandanten einer Partisaneneinheit, Lt./Mjr. Jan Piwnik (1912–1944), Deckname „Ponury“, konspirativ tätig. Ihre Aufgabe ist es, Berichte in den „Wald“ zu bringen. In dieser Zeit kann sie trotz vieler Gefahren zahlreiche Dokumente schmuggeln, darunter das gesamte Archiv des Kommandanten „Ponury“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verheimlicht sie lange ihre Tätigkeit im Untergrund. Ihre Geschichte und ihr Engagement werden in den 1960er Jahren von Cezary Chlebowski in der Publikation „Pozdrówcie Góry Świętokrzyskie“ („Grüßt das Heiligkreuzgebirge“) beschrieben. Nach der Geburt ihrer Kinder legt sie großen Wert auf eine patriotische Erziehung im Geiste der Unabhängigkeit.
In seiner Heimatstadt absolviert Jacek Kowalski die Grundschule Nr. 4 und das III. Allgemeinbildende Lyzeum. Im Jahr 1968 legt er das Abitur ab. Er interessiert sich für den Seehandel. Deshalb zieht er nach Sopot (Zoppot), wo er die Aufnahmeprüfung für die Höhere Handelsschule (Wyższa Szkoła Ekonomiczna) (früher: Höhere Schule für Seehandel/Wyższa Szkoła Handlu Morskiego) besteht, aber zunächst nicht aufgenommen wird. „Ich habe die Aufnahmeprüfung bestanden, aber mir fehlten Punkte, da ich keine Punkte für meine Abstammung bekommen habe, und ich wurde nicht angenommen“, berichtet er. Er entscheidet sich daher eine Prüfung an der Universität in Toruń (Thorn) abzulegen. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass er doch zum Studium an der Fakultät für Außenhandel der Höheren Handelsschule in Sopot zugelassen wird, wo er schließlich von 1968 bis 1971 studiert. Zu diesem Zeitpunkt ist nicht absehbar, dass sich die Ereignisse überschlagen und entscheidenden Einfluss auf sein Leben nehmen werden. Im Dezember 1970 hält er sich er bei Bekannten in Kołobrzeg (Kolberg) auf. Am 13. Dezember kehren sie nach Sopot zurück. „Von Preiserhöhung wusste ich nichts. In Sopot erfuhren wir, dass die Arbeiter auf die Straße gegangen waren und streiken“, sagt er im Gespräch.
Aus reiner Neugier fährt er mit einem Freund nach Danzig (Gdańsk). Dort wird er Zeuge der Evakuierung des Woiwodschaftskomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczna Partia Robotnicza) und des Vorgehens der Armee und der Bürgermiliz. Seine Eindrücke nimmt er mit nach Sopot zurück. Tags darauf, am 15. Dezember, fährt er mit Bogdan Gronowicz nach Gdynia. In der Nähe von Gdynia-Wzgórze Nowotki treffen sie auf eine Patrouille der Bürgermiliz. Nachdem ihre Personalien festgestellt wurden, werden sie festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Nach zwei Tagen Einzelhaft erfahren sie, dass sie sich im Lager Wejherowo befinden, in dem streikende Arbeiter:innen inhaftiert sind. Am 9. Januar 1971 werden beide aus dem Lager entlassen, woraufhin Jacek Kowalski nach Ostrów zurückkehrt. Zwischenzeitlich wird seine Familie von der Bürgermiliz darüber in Kenntnis gesetzt, dass er sich an den Unruhen an der Küste beteiligt hat. Zufällig verhaftet und inhaftiert, erlebt er die ersten Repressionen seitens der Kommunisten. Nach der Rückkehr an die Universität stellt sich heraus, dass er keine seiner Prüfungen im Wintersemester bestanden hat. In seinen Memoiren schreibt er: „Ich habe im Wintersemester keine einzige Prüfung bestanden. Ich hatte sogar eine Ahnung, warum das so war. Meine Vermutung bestätigte sich während der Deutschprüfung bei Professorin Rita Ras, die mir erklärte, dass sie mich durchfallen lassen müsse, obwohl ich der Beste des Jahrgangs war“.[1]
[1] J. Kowalski: Na straży tradycji, in: Wygnańcze szlaki. Relacje uchodźców i emigrantów z Polski do Niemiec, Bearb. A. Dyrko, Warszawa 2007, S. 87.