Der Tod eines polnischen Wehrmachtssoldaten in Russland: Bernhard Switon (1923-1942)

Der Fall von Bernhard Switon in den Erinnerungskulturen an den Zweiten Weltkrieg
Da Bernhard Switon am 16.06.1942, also mitten im Krieg zur Wehrmacht berufen wurde und nur wenige Monate später verstarb, muss er schon nach einer kurzen Einführung direkt an die Front gekommen sein. Bis dahin lebte er bei seiner Mutter. Vermerke über seinen Beschäftigungsstatus waren nicht zu finden, vermutlich besuchte er die Schule. Es ist ebenfalls nicht bekannt, unter welchen Bedingungen er zur Wehrmacht kam und wie er in den Wehrmachtreihen behandelt wurde.
Bei gefallenen deutschen Soldaten sind in der Regel die Kriegsgräber dokumentiert und über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge recherchierbar. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge arbeitet seit dem Ende des Ersten Weltkrieges auf Basis von Spenden der Angehörigen und staatlicher Unterstützung an der Pflege der Grabstätten deutscher Soldaten aus den vergangenen Kriegen. Die Organisation veranstaltet unter dem Leitgedanken „Verständigung-Versöhnung-Frieden“[15] internationale Jugend-Workcamps und Exhumierungs-Aktionen im Austausch mit Partnerorganisationen anderer Länder. Auch hilft die Organisation den Angehörigen bei der Suche nach den Grabstätten ihrer gefallenen Verwandten und organisiert Reisen an die jeweiligen Orte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 wurde zwischen Deutschland und Russland ein Kriegsgräberabkommen unterzeichnet, welches dem Volksbund erlaubte, die Gräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu erfassen und zu pflegen. Die deutschen Soldatenfriedhöfe in Russland, wie auch sowjetische Friedhöfe und Kriegsdenkmäler in Deutschland werden von deutscher Seite finanziert. Für den damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin war dies wohl ein Grund mehr, dem bilateralen Regierungsabkommen über Kriegsgräberfürsorge zuzustimmen, da Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht die Finanzmittel für den Erhalt der Gräber und Gedenkstätten in Deutschland hatte.[16] Seitdem wurden mehrere deutsche Soldatenfriedhöfe in Russland eröffnet und weitere Kooperation beschlossen.
Bei der Kontaktaufnahme mit dem Volksbund wurde die Annahme über den Tod von Bernhard Switon an der Ostfront bestätigt. Den Archivbeständen[17] nach ist er als Soldat des 49. Jägerregiments in die Russische Sowjetrepublik gekommen, wo er am 29.11.1942 gefallen ist und im Wald, drei Kilometer südostwärts von Moloje Optschiwalowo (eine heute nicht mehr existierende Siedlung, ca. 80 km von Nowgorod Welikij entfernt) bestattet wurde. Allerdings konnte kein aktueller Ort der Grabstätte genannt werden, da kein Erkennungsmerkmal zu Bernhard Switon während der Exhumationsarbeiten in der Gegend vorgefunden wurde, was die einzige Methode der Erkennung von Überresten der verstorbenen Soldaten darstellt.
In der Gegend um Nowgorod konnten zum Zeitpunkt des letzten Informationsaustauschs mit dem Volksbund (November 2020) nur 62 von 869 namentlich gemeldeten Gefallenen geborgen und identifiziert werden. Die Erkennung der verstorbenen Soldaten erfolgte anhand der Erkennungsmarken, welche jeder deutsche Soldat bei sich trug. Bei gefallenen Soldaten wurde diese in zwei Teile gebrochen, wovon ein Teil bei dem Verstorbenen verblieb und ein Teil zur Dokumentation an die Dienststelle in Berlin gesendet wurde, mit dem Verweis, wo der Soldat bestattet wurde. Wenn die Verstorbenen mit den entsprechenden Marken nicht gefunden werden, liegt es häufig daran, dass die Bestattungsorte nicht mehr eindeutig zu verorten sind, nicht zugänglich sind oder die Erkennungsmerkmale nicht mehr vorliegen, da sie von Grabräubern, die mit Wehrmacht-Militaria auf dem Schwarzmarkt handeln, gefunden und entwendet wurden.
Die Verstorbenen, die im Umkreis von Nowgord Welikij geborgen waren, wurden anschließend auf dem deutschen Soldatenfriedhof (Pankowka) Nowgorod, der 1996 auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs der 1. Luftwaffen-Feld-Division Nowgorod-Süd eröffnet wurde, bestattet. Da Switons Erkennungsmarke bis jetzt nicht vorgefunden wurde, ist es nicht klar, ob er noch nicht exhumiert wurde oder bei den Umbettungen zu dem Friedhof Nowgorod namenlos geblieben ist. Andererseits wurde Switon jedoch, wie auch hunderte andere namentlich gemeldete Gefallene in das Gedenknamenbuch des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. für die Kriegsgräberstätte Nowgorod aufgenommen.
[15] Siegl, Elfie: Versöhnung über Gräbern: Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Russland, in: Zeitschrift Osteuropa, Vol. 58, Nr. 6, Geschichtspolitik und Gegenerinnerung: Krieg, Gewalt und Trauma im Osten Europas, Juni 2008, S. 309.
[16] Vgl.: ebd., S. 309 f.
[17] Angaben über gefallene Soldaten aus dem Bundesarchiv, Abteilung PA in Berlin, die dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zur Verfügung gestellt wurden.