Ikonen, Paletten, Marsmelonen & Planeten: Das künstlerische Wunderland von Alicja Kwade
Quantenbanane & Radiopulver in Vitrine
In Berlin, wo Alicja Kwade immerhin seit über 20 Jahren lebt und arbeitet, wurde sie mit Ausstellungen nicht gerade verwöhnt. Abgesehen von der erwähnten Soloschau „Von Explosionen zu Ikonen“ 2008 sowie den regelmäßigen Präsentationen ihrer Kunst in der sie vertretenden König Galerie, richtete ihr das Haus am Waldsee in Berlin-Zehlendorf 2015 eine Retrospektive unter dem Titel „Monolog aus dem 11ten Stock“ aus. Das liegt schon einige Jahre zurück, ist aber unabhängig vom Zeitpunkt und Ort bezeichnend für die Konsequenz, mit der die Künstlerin ihre Konzepte umsetzt, ihr Bildvokabular erweitert und weiterentwickelt, ohne ihre Sujets grundlegend zu verändern. Sie verwandelte die gutbürgerliche Villa in ein mehrteiliges Kuriositätenkabinett, in eine Wunderkammer mit Uhren, die sich zwar hin und her bewegten, doch immer zweieinhalb Minuten vor elf zeigten, oder andere, die, mit verspiegeltem Glas überzogen, unter ihren glatten Oberflächen leise vor sich hin tickten. Zu den Objekten, die ihrer ursprünglichen Verwendung trotzen, gehörte auch eine gerollte Tür. Ihr Titel „Eadem Mutata Resurgo“ bezieht sich auf die Logarithmische Spirale, mit der sich der Schweizer Mathematiker und Physiker Jakob I. Bernoulli (1654–1705) beschäftigte, der einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie geleistet hat. Der lateinische Spruch bedeutet auf Deutsch: „Verwandelt kehr' ich als dieselbe wieder“. Alicja Kwade geht den irdischen und kosmischen Problemen auf den Grund, indem sie ihre Bestimmung und Ausschließlichkeit in Frage stellt. Sie zeigt, dass ein Ding nicht nur eckig oder rund, sondern sowohl so als auch anders sein kann. Spiegel beschlagen von selbst oder werden zu Staub, Äste sind mal echt, mal täuschend echt, Trichter aus Kupfer bilden kommunizierende Gefäße, unter denen Häufchen aus zermahlenen Steinen liegen. Die auf Hochglanz polierten Oberflächen von Alicja Kwades „Hypothetischem Gebilde“ verzerren die sich darin Spiegelnden und scheinen sie aufzusaugen, während die Menschen am Rande des malerischen Abgrunds stehen. Die Künstlerin gestaltet auch bronzene „Marsmelonen“ und „Quantenbananen“, lässt Radios und Fahrräder pulverisieren und stellt ihre chemische Zusammensetzung in Konservengläsern mit weißen Deckeln in Museumsvitrinen aus. Auf solche Gedanken zu kommen und sie zu visualisieren: Das alleine ist schon eine besondere Kunst.