Andrzej Vincenz
Er wurde Redakteur der Radiosendung „Język francuski dla Polski“ (Eine französische Stimme für Polen), die beim Radio France International ausgestrahlt wurde. Er betrachtete diese Tätigkeit als Ehrenamt, allerdings klagte ein Kollege nach einigen Jahren erfolgreich auf Vergütung der Tätigkeit. Die ausstehenden Honorarzahlungen stellten für Andrzej Vincenz ein Startkapital dar, das ihm den Erwerb eines Sommerhauses in dem Alpendorf La Combe des Lancey in der Nähe von Grenoble ermöglichte. Der Kauf erfolgte mit dem Gedanken an seine Eltern. An diesem Ort sollten sie künftig von Czesław Milosz, Józef Czapski und Jeanne Hersch besucht werden.
In seiner Magisterarbeit behandelte Andrzej Vincenz den altprovenzalischen Dialekt. Das Material dafür stammte aus Sprachuntersuchungen, die er in La Combe de Lancey und Umgebung durchführte. In seiner Habilitationsschrift hat er sich später mit huzulischen Vornamen auseinander gesetzen (Traite d'anthroponymie houtzoule. Forum Slavicum 18, München 1970). Ende der 1950er Jahre nahm Andrzej Vincenz Kontakt zu Prof. Dmitrij Tschižewskij(1894–1977) auf, dem Begründer der Slawistik in Nachkriegsdeutschland, der an der Universität in Heidelberg lehrte. Im Jahr 1960 wechselte Andrzej als Lektor für die polnische Sprache von Paris nach Heidelberg.
Kurz darauf folgte ihm seine zweite Ehefrau, die Schweizerin Sylvia Solari (1938–1994). Andrzej Vincenz wurde Vater. Das Paar bekam Tochter Anna (geb. 1961) und Sohn Stanisław (geb. 1963). In den 1960er Jahren nahm das Interesse an polnischer Literatur und Kultur in Deutschland merklich zu. In Heidelberg wirkte der Dichter und Übersetzer des „Pan Tadeusz“, Hermann Buddensieg (1893–1976), der dreimal im Jahr das umfangreiche Periodikum „Mickiewicz-Blätter“ herausgab. Andrzej Vincenz vermittelte den Kontakt zwischen Buddensieg und Stanisław Vincenz. Überdies hielt er intensiven Kontakt zu dem in Frankfurt lebenden Übersetzer polnischer Literatur, Karl Dedecius (1921–2016). Er unterstützte zudem die Kontaktaufnahme mit dem Kreis um die Pariser „Kultura“. Andrzej Vincenz fungierte als Bindeglied zwischen diesem Teil Deutschlands und dem Milieu polnischer Intellektueller in Paris. Er pendelte häufig zwischen Heidelberg und Paris, die Sommermonate wiederum verbrachte er in der Gegend um Grenoble.
Nach seiner Habilitation an der Sorbonne 1966 wurde er 1967 Professor an der Universität Heidelberg. Im Jahr 1973 wechselte er als Sprachwissenschaftler und Professor für Slawistik an die Universität Göttingen. Seit 1967 war er Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft im Exil.