Sammler, Physiker, Unternehmer: Tomasz Niewodniczański
Tomasz Niewodniczański kam am 25.09.1933 als ältestes von drei Kindern der Eheleute Niewodniczański in Wilna (heute: Vilnius) zur Welt. Sein Vater, Henryk Niewodniczański (1900–1968), lehrte zu dieser Zeit als Professor der Physik an der Stefan-Batory-Universität in Wilna. Seine Mutter Irena, geb. Prawocheńska, war eine Tochter von Roman Prawocheński (1877–1965), eines Professors für Biologie an der Krakauer Jagiellonen-Universität. Aufgrund der wissenschaftlichen Tätigkeit seines Vaters verbrachte Tomasz in den Jahren 1937 und 1938 einen Teil seiner Kindheit in Cambridge in Großbritannien und in Poznań (Posen). Sein Großvater, der Ingenieur Wiktor Niewodniczański (1872–1929), war Direktor des ersten Elektrizitätswerkes in Wilna. Die Einschulung von Tomasz Niewodniczański in Wilna fiel auf den Tag, an dem der Zweite Weltkrieg begann. Nach der Schließung der Schule erhielt er Privatunterricht. Die Familie verließ Wilna im März 1945 und kam schließlich nach einer siebenwöchigen Fahrt in einem überfüllten Güterwagon in Łódź an. Der Vater wurde noch im selben Jahr als Professor nach Wrocław (Breslau) berufen. 1946 siedelte die Familie nach Krakau um, wo Henryk Niewodniczański an der Jagiellonen-Universität das Instytut Fizyki Jądrowej (Institut für Kernphysik) begründete. Die Familie wohnte daraufhin in den ersten fünf Jahren in Gästezimmern des Instituts. Tomasz besuchte das Liceum Nowodworskie in Krakau und entdeckte in dieser Zeit seine Leidenschaft für das Bergsteigen und den Skisport, später auch für das Theater. Nach dem Abitur nahm er 1950 sein Studium der Physik an der Jagiellonen-Universität auf, das er 1955 mit einer Magisterarbeit in Experimentalphysik beendete. Sein jüngerer Bruder, Jerzy Niewodniczański (geb. 1936), entschied sich für dieselbe Fachrichtung und wurde später ein anerkannter Professor für Kernphysik an der Jagiellonen-Universität. Von 1955 bis 1957 arbeitete Tomasz Niewodniczański am Instytut Badań Jądrowych PAN (Institut für Kernforschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften) in Świerk bei Warszawa (Warschau). Anschließend forschte er als Stipendiat am Institut für Physik der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Hier schrieb er an seiner Dissertation in Kernphysik über die Neutronenstreuung und blieb bis 1963 wissenschaftlicher Assistent. In Zürich traf er auch auf seine künftige Frau, die deutsche Architektur-Studentin und spätere Professorin Marie-Luise Simon. Die Trauung der beiden Eheleute fand in Trier statt. Danach zog das junge Paar nach Polen. 1965 übernahm Tomasz Niewodniczański die Leitung des Samodzielne Laboratorium Budowy Akceleratora Liniowego (Unabhängiges Laboratorium für den Bau eines Linearbeschleunigers) am Institut für Kernforschung in Świerk, während seine Frau Marie-Luise Kinder bekam sowie als Lektorin und Übersetzerin aus dem Deutschen ins Polnische arbeitete. In den sechziger Jahren kamen die drei Söhne zur Welt: Matthäus (geb. 1963), Jan (geb. 1965) und Roman (geb. 1968).
1970 ging in der Schweiz der erste Teilchenbeschleuniger der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Betrieb. Die deutsch-polnische Familie Niewodniczański kehrte in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Tomasz Niewodniczański war daraufhin von 1970 bis 1973 an den Schwer-Ionen Instituten in Heidelberg und in Darmstadt tätig. 1973, nach 18 Jahren akademischer Arbeit und der Publikation zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge, folgte Niewodniczański dem Angebot seines Schwiegervaters und wechselte in das Familienunternehmen Bitburger Brauerei Th. Simon, deren Anfänge in das Jahr 1817 zurückreichen. Tomasz Niewodniczański begann als Personaldirektor mit der Zuständigkeit für rund 2.000 Mitarbeiter. Er wurde in dieser Funktion allseits geschätzt und gemocht, so dass er im persönlichen Umgang bald nur noch „Doktor Niwo“ hieß. Kurz darauf übernahm er den Finanzressort der Brauerei und wurde ihr Miteigentümer. Als Tomasz Niewodniczański Ende 1998 in den Ruhestand ging, verzeichnete er mit Stolz einen jährlichen Bierausstoß, der in seiner Ägide um das Siebzehnfache gestiegen war, sowie einen Marktanteil der Brauerei von 8 % in Deutschland.