Sammler, Physiker, Unternehmer: Tomasz Niewodniczański
Im Garten seines Bitburger Hauses ließ Tomasz Niewodniczański Räumlichkeiten einen unterirdischen Bunker zur Unterbringung seiner Exponate errichten, womit er ideale Bedingungen zur Bewahrung seiner Sammlung schuf. Neben diesem Archiv richtete er ein Atelier zur Restaurierung alter Papiere ein und beschäftigte einen Kustos: zunächst Dr. Peter H. Meurer, dann Dr. Kazimierz Kozica, der ihn in den letzten zehn Jahren seines Lebens begleitet hat. Die Arbeit der beiden Kustoden trug dazu bei, die Sammlung in der wissenschaftlichen Welt zu etablieren. Niewodniczański publizierte Kataloge und Quelleneditionen. Seiner kartographischen Sammlung wurden 1992 und 1995 zwei Bände der Reihe „Cartographica Rarrissiia“ (Alphen aan den Rijn) gewidmet. Er besuchte Ausstellungen und Kongresse, förderte die wissenschaftliche Forschung auch finanzielle in Verbindung mit Objekten seiner Sammlung und trat selbst als Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte der Kartographie in Erscheinung.
Die Vollendung des prominentesten Buchprojekts über seine Sammlung blieb Niewodniczański jedoch versagt. Das Projekt bestand in umfangreichen Recherchen, die er über 20 Jahre gemeinsam mit renommierten Wissenschaftlern in rund 300 Bibliotheken und Sammlungen weltweit betrieben hat, um einen vollständigen Katalog kartographischer Darstellungen von Polen herauszubringen, der außer den Faksimiles und den Beschreibungen der Karten ihre historische, geografische und bibliophile Einordnung enthalten sollte. Zudem wollten die Macher des Katalogs Hinweise auf mutmaßlich nicht überlieferte Kartenwerke geben.
In dem Niewodniczański auch Manuskripte polnischer Literatur für seine Sammlung erwarb, holte er sie in den kulturellen Kreislauf zurück. Die „Mickiewiczana“ wurden unter wissenschaftlicher Mitwirkung von Janusz Odrowąż-Pieniążek und Maria Danilewicz-Zielińska in einer zweibändigen Ausgabe publiziert: „Mickiewicziana w zbiorach w Bitburgu“, (Bd. I, Warszawa 1989, Bd. II, Warszawa 1993). Ende 1999 gab er den Anstoß zur Veröffentlichung des Buches „Julian Tuwim – Utwory nieznane“ (Julian Tuwim. Unbekannte Werke), das auf Grundlage der von ihm erworbenen Handschriften entstand.
Tomasz Niewodniczański ließ seine Sammlung gerne sehen und hat sie bei insgesamt 27 Anlässen in Holland, Spanien, Deutschland, Polen und in Litauen gezeigt. Die größte Ausstellung mit 2.272 Exponaten hieß „Imago Poloniae“ und fand erstmals von 2002 bis 2003 in Berlin sowie anschließend in Warszawa, Kraków und Wrocław statt. Bei alledem zeigte sich Niewodniczański als großzügiger Mäzen, in dem er den Organisatoren der Ausstellungen Objekte seiner Sammlung übereignet hat. 1998 schenkte er der Uniwersytet Szczeciński(Universität Stettin) 100 historische Karten von Pommern aus dem 16. bis zum 19. Jahrhundert sowie rund 200 Ansichten von Stettin und Städten der Region. 2002 übergab er dem Ossolineumin Wrocław (Ossolinski-Nationalbibliotek Breslau) 200 alte Karten und Ansichten von Schlesien.
In seinen letzten Lebensjahre kündigte Dr. Niewodniczański im Rahmen von Überlegungen über die Zukunft seiner Schätze an, die Polonica-Sammlung als Donation an Museen in Polen zu geben, allerdings unter der Auflage, dass die Republik Polen die sogenannte „Berlinka“-Sammlung an die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz restituiert, die unter anderem Handschriften Goethes und Mozarts enthält, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs nach Polen gelangten.[10] Diesen Vorschlag ergänzte er um die Aufforderung an die deutsche Seite, eine Stiftung mit einem Kapital von 300 bis 400 Millionen Euro zu errichten, um für polnische Museen global auf Auktionen angebotene Polonica zu erwerben. Diese Idee wurde zwar von polnischen und deutschen Medien erörtert, aber nicht in die Tat umgesetzt.
Daraufhin änderte Tomasz Niewodniczański seine Verfügung vor seinem Tod noch einmal ab. Er verwirklichte seinen Traum und übergab den Löwenanteil seiner Polonica als ständige Leihgabe dem Königsschloss in Warschau. Dabei handelt es sich um rund 2.500 Landkarten, 40 polnische Atlanten, rund 150 Stadtansichten, königliche Faksimiles, 900 alte Drucke, rund 4.700 historische und literarische Autographen sowie um signierte Bücher namhafter Schriftsteller. Die restliche Sammlung verblieb in der Familie Niewodniczański.
[10] Die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz ist die Nachfolgerinstitution der Preußischen Staatsbibliothek.