Polnische Briefe aus Vorkriegs, Kriegs- und Nachkriegszeit am Beispiel von Rheinland-Pfalz

Geschwister Ruth Becker, geb. Boos (1928) und Otto Boos (1926) am 16. Juni 2021 in Mauchenheim
Geschwister Ruth Becker, geb. Boos (1928) und Otto Boos (1926) am 16. Juni 2021 in Mauchenheim

Sprendlingen
 

In Sprendlingen schließlich bewahrt Eleonore Renner, die sich aus ihrer Kindheit noch an die polnischen Zwangsarbeiter in Sprendlingen (Rheinhessen) und bei sich zu Hause erinnert, einen Brief von Kazimierz Wojciechowski auf, der als Zwangsarbeiter während des Krieges auf Eleonore Renners elterlichem Hof arbeitete. Der auf den 29. Dezember 1947 datierte Brief macht deutlich, welch herzliches Verhältnis sich über die Zeit des Krieges zwischen den Familienangehörigen und Kazimierz Wojciechowski entwickelt hatte:

„Fulda aus der Bleidorn Kaserne Block E Pokoj 40

An:

Französische Zone

Philipp Schnell

Sprendlingen, Kr. Bingen/Rhein

Schäfergasse 5

Fulda. den. 29.12.47

Liebe Familie Schnell!

Ich bedancke mich sehr über Ihren lieben Brief und über die beilage des Scheines, ich habe sehr gefreut und aus dem Brief ersehn das es euch noch sehr gut geht. Der Josef der ist schon lange Daheim, nur ich bin noch in Fulda, und wie lange das weiß ich noch nicht wir können jeden weg kommen zurück zur Kompagnie. Und jetzt noch eine frage wie geht Ihrer Tochter und Hanna u Frau Renne[r] Frau Lina. Sind sie noch alle gesund was ich von mir noch sagen kann. Ist Philipp schon daheim oder noch nicht. Wie habt Ihr das Weihnachtsfest erlebt. Von mir kann ich nur sagen das ich es ganz gut verlebt habe. Da bekam ich Eure lieben zeilen, aber leider kann ich es nicht lesen ich habe es mir übersetzen lassen, im Nächsten Brief Bitte ich ob es nicht in Lateinisch [statt Sütterlin] geschrieben werden kann. Es ist doch besser wenn mann seinem Brief alein list. Wenn ich nächsten Jahr Urlaub bekomme so komme ich mal zu Euch ob die Weinberge noch alle in Ordnung sind.

Damit will schließen um Bald Antwort zu bekommen denn wir sind nicht mehr lange hier

seid herzlich gegrüßt

von Euren Kazimierz

noch wünsche ich Euch allen ein frohes und gesundes Neues Jahr.“

 

Der Brief ist damit auch ein Beispiel, wie es dem NS-Regime mit seinen verbrecherischen Erlassen, die polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter diskriminierten und darauf abzielten, ihre Arbeitskraft bestmöglich auszubeuten und dabei die Kontakte zwischen Deutschen und Polinnen und Polen zu minimieren, nicht gelang, dass sich Sympathien zwischen Deutschen und Polinnen und Polen herausbildeten, die auch in der neuen Wirklichkeit nach deutschen Kapitulation Bestand hatten.

Bei den genannten Gruppen von Briefen und Postkarten handelt es sich um eine wichtige Quelle polnischer Spuren in Deutschland und für die Untersuchung deutsch-polnischer Beziehungen. Sie ausfindig zu machen und im Rahmen umfangreicher Recherche auszuwerten, stellt eine lohnende Herausforderung dar.

 

Christof Schimsheimer, November 2021

 

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  • Brief von Władysław Kuźniak an Herrn Boos vom 3.01.1939

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  • Brief von Władysław Kuźniak und Cecylia Kuźniak an Herrn Boos vom 6.03.1939

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  • Brief von Władysław Kuźniak und Cecylia Kuźniak an Herrn Boos vom 6.03.1939

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  • Brief von Eleonora Górska an ihren Sohn Juliusz vom 6.07.1941

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  • Brief von Eleonora Górska an ihren Sohn Juliusz vom 6.07.1941

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  • Postkarte von Eleonora Górska an ihren Sohn Juliusz vom 15.09.1943

  • Brief von Eleonora Górska an ihren Sohn Juliusz vom 15.09.1943

  • Brief von Kazimierz Wojciechowski an Familie Schnell vom 29. 12.1947

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  • Brief von Kazimierz Wojciechowski an Familie Schnell vom 29.12.47

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