Marek Żebrowski: Mein deutsches Abenteuer
Ungefähr zu dieser Zeit fing ich an, Kontakte zur Filmszene zu knüpfen. Durch einen guten Freund, den polnischen Kultregisseur Jerzy Skolimowski, lernte ich Marek Żydowicz kennen, den Direktor des polnischen Filmfestivals CAMERIMAGE. Zum ersten Mal fand CAMERIMAGE Anfang der 1990er Jahre in Toruń statt, im Jahre 2000 zog es um nach Łódź. In langen, nächtlichen Gesprächen in Los Angeles überzeugte Marek mich davon, dass ich ihn – und somit auch das Festival – als Bindeglied zur Hollywood-Filmwelt unterstützen könnte. Er lud mich zur ersten Ausgabe des CAMERIMAGE in Łódź ein und der Rest, wie es so schön heißt, ist Geschichte… Bald darauf war ich festes Mitglied im Organisationsteam des Festivals. Ich beaufsichtigte die Festivaljury und erstellte eine Reihe von Erinnerungsalben zu Ehren der für ihr Lebenswerk ausgezeichneten Preisträger:innen. Diese beiden Aufgaben – die Aufsicht über die Jury und das Verfassen eines neuen Buches für jede Ausgabe des Festivals – beschreiben meine Pflichten und mein Engagement bei diesem Projekt in den letzten 25 Jahren ganz gut.
So lernte ich auch kurz nacheinander zwei ausgezeichnete deutsche Kameramänner, Karl Prümm und Wolfgang Treu kennen, die über viele Jahre hinweg Mitglieder in diversen Jurys beim CAMERIMAGE waren und mit der Zeit zu engen, geschätzten Freunden wurden. Auch der deutsche Kultregisseur Volker Schlöndorff, der zu den ersten Förder:innen des Festivals gehörte, wurde mir ein lieber Freund. Ich hatte sogar die Ehre, 2009 ein Buch über ihn zu verfassen, als er beim CAMERIMAGE eine Auszeichnung erhielt. Im Jahr darauf freundete ich mich mit einem weiteren legendären deutschen Kameramann, Michael Ballhaus, an. Auch über ihn durfte ich ein Buch schreiben, als er 2010 den Preis für sein Lebenswerk erhielt. Das Buch des Jahres 2021 war wiederum dem Kameramann Jost Vacano gewidmet, einem weiteren deutschen Freund, den ich seit über 20 Jahren kannte. Auch er wurde beim CAMERIMAGE für sein Lebenswerk (u. a. die Aufnahmen zu Wolfgang Petersens Kultfilm „Das Boot“) geehrt.
Außer den großen Stars des zeitgenössischen deutschen Films hatte ich das Vergnügen, führende Persönlichkeiten der Filmindustrie kennenzulernen, Vertreter:innen von Unternehmen wie ARRI, Zeiss und Hawk. Sie zeigten sich allesamt begeistert davon, dass wir uns auf Deutsch unterhalten konnten (das Vermächtnis der Gouvernante, die ich als Kind hatte) und dass ich nur nebenbei mit dem Filmgeschäft zu tun hatte, da meine berufliche Laufbahn weiterhin vorrangig der Musik zugewandt war.
Dieser musikalische Hintergrund faszinierte Prof. Dr. Karl Prümm und veranlasste ihn, mich zum Marburger Kamerapreis-Festival einzuladen. 2007 nahm ich als Ehrengast daran teil und gab ein Solokonzert, das u. a. einige der bekanntesten Melodien aus Hollywood-Filmen beinhaltete. Der Auftritt fand in der geschichtsträchtigen Aula der Universität Marburg statt – dem Ort, an dem die wohl bekannteste Debatte zwischen Martin Luther und Ulrich Zwingli stattgefunden hatte. Zum Konzert kamen nicht nur begeisterte Kinogänger:innen, sondern auch fast alle meine Freund:innen aus der Umgebung, darunter Joachim Kramer, Wolfgang Jungraithmayr samt Familie, Bernd Mlodoch, Frau von Geyr mit Bekannten und Verwandten und viele mehr. Niemals werde ich die verblüfften Gesichter der Mitarbeiter:innen der Marburger Stadtverwaltung und meiner filmschaffenden Bekannten vergessen, als ich sie dem doch sehr eklektischen Kreis meiner künstlerischen, musikalischen und adeligen Freund:innen aus Marburg vorstellte. Genau in diesem Moment schloss sich der Kreis meiner Verbindungen zu Deutschland: Die beiden Welten, die der Musik und die des Films, fanden in meiner Person einen gemeinsamen Nenner. Dr. Prümm war von dem Ergebnis ebenso begeistert wie ich. Meine Freund:innen hingegen zeigten sich genauso erstaunt wie die anderen Anwesenden auch, die in mir immer nur entweder einen Musiker oder ein Mitglied des Hollywood-Establishments sahen.
Und obwohl meine Besuche in Deutschland in den letzten Jahren seltener geworden sind, bleibe ich immer noch in Kontakt mit meinen Bekannten, die dort bis heute leben. Ich kann es auf jeden Fall kaum erwarten, wieder hinzufahren, den Kontakt zu meinen deutschen Freund:innen aufzunehmen, Zeit mit ihnen zu verbringen und wieder mal in Erinnerungen an die gemeinsamen Abenteuer und Entdeckungen der letzten 40 Jahre zu schwelgen.
Marek Żebrowski, Oktober 2024