Kollegialität und Solidarität bei Opel in Bochum. Erinnerungen von Bochumer Opelanern mit transnationalem Hintergrund
Opel Bochum: „Arbeiten bis zur Rente“
Alle Befragten haben in der Rückschau überwiegend positive Erinnerungen an ihre Zeit im Bochumer Automobilwerk. Positiv werden insbesondere immer wieder zwei Aspekte erinnert. Zuallererst werden die guten und sicheren Beschäftigungsbedingungen bei Opel in Bochum genannt, d. h. die überdurchschnittlich gute Bezahlung, die den Opelaner*innen und ihren Familien ein auskömmliches und vergleichsweise sorgenfreies Leben ermöglichte. Als weiterer wesentlicher Aspekt wird vom Zusammenhalt unter den Opel-Kolleg*innen im Betrieb unabhängig von der nationalen Herkunft berichtet. Es wurde betont, dass „die Bochumer Opelaner“ auch und gerade in den kritischen Zeiten nach den ersten Schließungsandrohungen im Jahr 2004 in den letzten 10 Jahren überwiegend zusammengehalten haben. Die Solidarität und die Widerstandskraft der Opelaner*innen im Betrieb waren unabhängig von der nationalen Herkunft.
Negative Erinnerungen an die Zeit bei Opel beziehen sich auf die typischen Arbeitsbedingungen in der Massenproduktion am Fließband, „die Arbeit nach der Stoppuhr“. Die „Arbeit an der Kette“ wurde als sehr monoton und wenig erfüllend empfunden, da die Beschäftigten am Fließband eine Tätigkeit innerhalb einer immer knapper gefassten Zeitspanne immer wieder gleich zu erledigen hatten. Um für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen einzutreten haben sich einige der Befragten im Betrieb auch politisch engagiert und waren entweder gewerkschaftlicher Vertrauensmann oder im Betriebsrat, um die Interessen der Opelaner*innen gegenüber dem Management zu vertreten.
Ob im Betriebsratsgremium oder im Betrieb, von der besonderen Kollegialität unter den Bochumer Opelaner*innen ist unabhängig von ihrer nationalen Herkunft berichtet worden. Zwar hatten Kolleg*innen, die die gleiche nationale Herkunft aus Oberschlesien und polnisch als Muttersprache hatten, einen direkten Anknüpfungspunkt. Die gemeinsame Herkunft aus Oberschlesien förderte allenfalls den Austausch über das Alltagsleben untereinander. Doch Unterschiede zwischen Kolleg*innen im Betrieb auf Grund verschiedener nationaler Herkunft sind nicht gemacht worden, wie es auch aus der Arbeit der Kumpel im Bergbau bekannt war:
„Man wurde in die Abteilung integriert. Egal ob Spanier, Italiener, Türke, oder egal welche Nation – wir waren dann alle Kollegen. Das war auch ein bisschen so die Zechenmentalität. Man war aufeinander angewiesen, damit das einigermaßen funktioniert.“ (Johannes Nowak)
Johannes Nowak berichtet außerdem, dass auch bei der Betriebsratswahl der nationale Hintergrund der Kandidat*innen keine Rolle gespielt habe:
„Ein deutscher Kollege hat auch einen türkischen gewählt, weil man sich bei ihm vielleicht besser aufgehoben gefühlt hat.“
Eduard Popanda wirft dabei einen differenzierten Blick auf die zwei verschiedenen Opelwerke I, die Massenproduktionsstätten in Laer und Werk III, das Ersatzteillager in Langendreer, in denen er tätig war und heute noch ist:
„Die Solidarität in Werk I war erheblich höher, egal ob du Pole, Deutscher, oder Italiener, Türke warst. Ja, du hast da auch Kollegen gehabt, die weitergearbeitet haben, obwohl Warnstreik war, aber sehr wenige. Wenn man in Werk III eine Aktion startet, ist es schon extrem schwierig die Kollegen zum Mitmachen zu bewegen.“
Auf Grund der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in der Gruppe am Fließband oder vereinzelt im Lager erlebte Eduard Popanda in Werk I und Werk III deutliche Unterschiede in der Kollegialität:
„In Werk I ist es kaum bis gar nicht zu Konflikten gekommen. In Werk III sind mehr Konflikte zu beobachten, als in Werk I.“
Jedoch an Konflikte unter den Opelaner*innen aufgrund unterschiedlicher nationaler Herkünfte wurde nicht erinnert. Es sei gelegentlich wegen kultureller Unterschiede zu kleineren Meinungsverschiedenheiten gekommen, doch generell wurde auch hier nicht nach Nationalität differenziert. Man habe sowohl sympathische Kolleg*innen deutscher, polnischer und auch anderer Nationalität gehabt, als auch weniger sympathische:
„Entweder man hat sich verstanden oder man hat sich nicht verstanden. Das hatte aber nichts damit zu tun, woher man kam.“ (Andreas Gilner)
Andreas Gilner vergleicht das Leben im Betrieb mit dem Leben in einer Familie:
„Wenn man viele Jahre zusammenhockt und es viele Leute sind, dann kommt es ab und zu mal zu Konflikten. Das ist wie in einer Familie. Aber es ist nie ausgeartet. Man hat sich beruhigt, die Hand gegeben und es wieder vergessen.“
Gemeinsame Freizeitgestaltungen der befragten ehemaligen Opelaner mit anderen Opel-Mitarbeiter*innen mit polnisch-deutschen Hintergrund über die Arbeit im Betrieb hinaus, blieben nur bei wenigen in Erinnerung:
„Man kam ja aus den umliegenden Ortschaften, da begegnete man sich in den jeweiligen Stadtteilen. Man spielte zusammen Fußball im Verein, man sah sich in der Kirche, man sah sich auch so bei Ausflügen, egal welcher Herkunft.“ (Johannes Nowak)
Auch im Betrieb wurden Fußballmannschaften gegründet und kleine Meisterschaften zwischen den verschiedenen Abteilungen ausgetragen. Jede und jeder, egal welcher nationaler Herkunft, durfte daran teilnehmen:
„Egal ob man gut oder schlecht war – es ging um den Spaß. Kollegial war das Ganze. Viele konnten gar kein Fußball spielen, aber man hat sich trotzdem getroffen und miteinander gespielt.“