Kollegialität und Solidarität bei Opel in Bochum. Erinnerungen von Bochumer Opelanern mit transnationalem Hintergrund
Ehemalige Opelaner mit deutsch-polnischen Hintergrund erinnern sich
Lothar Degner kam 1965 im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie aus Oberschlesien nach Bochum. Geboren wurde er in Bytom, in der Nähe von Gliwice. Zwei Brüder seines Vaters wohnten zu diesem Zeitpunkt bereits in Bochum und seine Eltern hatten schon lange den Wunsch nach Deutschland zurückzukehren. Als Oberschlesier mit deutscher Abstammung haben sie sich in Polen nicht vollständig integriert gefühlt. Zudem führten die in Deutschland als besser erwarteten wirtschaftlichen Bedingungen zu der Entscheidung nach Bochum zu ziehen. Lothar Degners Onkel arbeitete bei Opel, erzählte seinem Neffen oft von der finanziell lukrativen Arbeit im Automobilwerk und unterstrich dies, indem er ihm seine Lohnabrechnungen zeigte. Doch wollte Lothar Degner zunächst, trotz deutlichen finanziellen Vorteilen zu seiner damaligen Anstellung, nicht bei Opel in Bochum arbeiten. Er konnte sich nicht vorstellen jemals „so eine stupide Arbeit wie Bandarbeit machen“ zu können. Nach einiger Zeit ließ er sich schließlich doch von seiner Familie überzeugen und begann als Montagearbeiter am Fließband bei Opel in Bochum zu arbeiten. Später wechselte er in eine andere Abteilung und wurde auch Betriebsrat.
Andreas Gilner und auch Eduard Popanda zogen mit ihren Familien im Jahr 1971 nach Bochum. Andreas Gilner war zu diesem Zeitpunkt 11 Jahre alt. Geboren wurde er in Gliwice. Der Grund für den Umzug nach Bochum war die Familienzusammenführung, da bereits die Großmutter im Ruhrgebiert wohnte. Sein Vater war seit 1971 bei Opel beschäftigt und brachte auch Andreas Gilner zu Opel in Bochum. Dort arbeitete er von 1984 bis zur Werksschließung im Jahr 2014 als Produktionsfacharbeiter.
Eduard Popanda wurde in Oppeln geboren und kam im Alter von fünf Jahren nach Deutschland. Auch er hatte Verwandte, die bereits in Bochum wohnten. Für seine Familie war ein zusätzlicher Grund für die Migration die Zusage für seinen Vater bei Opel. So führte auch Eduard Popanda der transnationale familiäre Hintergrund zu Opel Bochum. Nicht nur sein Vater, sondern auch sein Onkel und sein Cousin waren bei Opel beschäftigt. Vor seiner Anstellung bei Opel arbeitete er als Montagearbeiter und hat dort mehr verdient als später bei Opel. Auch Eduard Popanda konnte sich zunächst nicht vorstellen bei Opel am Band zu arbeiten. Doch familiäre Umstände, so unter anderem die Geburt seines Kindes, führten dazu, dass er sich schließlich doch für eine Anstellung bei Opel in Bochum entschied. 1988 begann er in Werk I als Fertigungsfacharbeiter im Presswerk zu arbeiten. Nach der Schließung von Werk I wechselte er ins ehemalige Werk III und arbeitet dort aktuell im Jahr 2021 als Kommissionierer. Dies sei eine große Umstellung für ihn gewesen, da sich sein Tätigkeitsbereich stark verändert habe:
„Das, was ich früher produziert habe, verpacke ich jetzt.“
Johannes Nowak zog mit seiner Familie 1978 nach Bochum und war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Geboren wurde er in der Nähe von Gliwice. Die meisten seiner näheren Verwandten wohnten bereits in Bochum und Umgebung, sodass auch hier die Familienzusammenführung als Grund für den Umzug nach Bochum angesehen werden kann. Ein Jahr später begann er als Maschinenführer bei Opel in Bochum zu arbeiten und blieb dort bis zur Schließung im Werk II im Jahr 2013 angestellt. Auch aus seiner Familie arbeiteten bereits der Vater und der Onkel bei Opel. Opel als Arbeitgeber war für Johannes Nowak auch eine Frage der sozialen Sicherheit. Seine Erwartung war damals noch:
„Bei Opel zu arbeiten war ein Job bis zur Rente. Das war viel Wert, bei einem großen Konzern zu arbeiten. Und keiner hat damit gerechnet, dass Opel irgendwann in Bochum zumacht.“