Bronisław Huberman. Vom Wunderkind zum Kämpfer gegen den Nationalsozialismus

Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC
Bronisław Huberman, um 1928. Unbekannter Fotograf, Library of Congress, George Grantham Bain Collection, Washington, DC

Anschließend wählte Huberman auf Konzertreisen in Europa die ersten Musiker für das Orchester aus, indem er in verschiedenen Städten wie Warschau, Wien und Basel Probespiele, also das Vorspielen einzelner Musiker, veranstaltete. Dabei war für Huberman die herausragende Qualität der Instrumentalisten das wichtigste Kriterium, zumal die Messlatte für das künftige Orchester durch das angekündigte Dirigat von Toscanini nicht hoch genug angesetzt werden konnte. Bei der Auswahl und dem Organisieren der Vorspiele wurde er von befreundeten Kollegen und Dirigenten unterstützt, unter anderem von dem österreichisch-ungarischen Dirigenten Georg Szell (1897-1970), zu dieser Zeit Leiter des Scottish National Orchestra. In Berlin hielt der Dirigent Hans-Wilhelm (William) Steinberg (1899-1978), bis 1933 Generalmusikdirektor und anschließend Orchesterdirigent des Kulturbundes deutscher Juden in Frankfurt am Main, die Vorspiele im Berliner Hotel Fürstenhof, einem traditionsreichen Luxushotel am Potsdamer Platz, ab. Steinberg emigrierte noch im selben Jahr nach Palästina und wurde erster Chefdirigent des Palestine Orchestra.

Nicht immer ließen sich die Gehaltswünsche und Zukunftsvorstellungen der in Deutschland lebenden Musiker mit den Möglichkeiten in Palästina und den dortigen Lebensbedingungen vereinbaren, sodass viele von Hubermans Wunschkandidaten absagten.[44] Die meisten der aus Deutschland ausreisenden Tonkünstler kamen von den Orchestern des Jüdischen Kulturbunds in Frankfurt und Berlin. Zu ihnen gehörte beispielsweise der in Berlin-Kreuzberg als Sohn polnischer Eltern geborene Posaunist Heinrich Schiefer (1906-2006), der in Berlin als Jazzmusiker und mit verschiedenen Engagements in den Niederlanden und der Schweiz gearbeitet hatte und 1935 in Deutschland für staatenlos erklärt worden war. Aus Berlin stammte auch der Hornist Horst Salomon (*1913), leidenschaftlicher Amateurringer und Mitglied des zionistischen Sportvereins Bar Kochba, dessen musikalische Fähigkeiten bei verschiedenen Berliner Orchestern und Theatern so bekannt waren, dass Steinberg und Huberman auf das Vorspielen verzichteten. Schiefer und Salomon, gute Bekannte, wanderten gemeinsam nach Palästina aus.[45]

[44] Ebenda, Seite 79-85

[45] Ebenda, Seite 87-89

Mediathek
  • Abb. 1: Das Wunderkind, 1889

    Bronisław Huberman als Siebenjähriger, 1889
  • Abb. 2: Als Jugendlicher, um 1895

    Bronisław Huberman in jungen Jahren, um 1895. Unbekannter Fotograf, Albuminabzug, 14,7 x 10,1 cm, Nationalmuseum Warschau/Muzeum Narodowe w Warszawie, Inv. Nr. DI 103634 MNW
  • Abb. 3: Als Vierzehnjähriger, 1896

    Bronisław Huberman als Vierzehnjähriger, 1896. Fotografie von R. Wilhelm, New York, Philip Hale Photograph Collection, Boston Public Library
  • Abb. 4: Bronislaw Huberman, 1900

    Bronisław Huberman als Achtzehnjähriger, 1900
  • Zdj. nr 5: Emil Orlik, Huberman, ok. 1915 r.

    Emil Orlik, Portret Bronisława Hubermana ze skrzypcami, ok. 1915 r., akwaforta, 24,5 x 29,3 cm.
  • Abb. 6: Lesser Ury: Huberman, um 1916

    Lesser Ury: Porträt Bronisław Huberman, um 1916. Pastell auf Karton, 97,2 x 70,7 cm, Jüdisches Museum Berlin, Inv. Nr. GHZ 78/1/0
  • Abb. 7: „Vaterland Europa“, 1932

    Bronislaw Huberman: Vaterland Europa, Berlin 1932
  • Abb. 8: Offener Brief an Furtwängler, 1933

    Offener Brief von Bronisław Huberman an Wilhelm Furtwängler, Prager Tagblatt vom 13.9.1933, Österreichische Nationalbibliothek
  • Abb. 9: Einstein trifft Huberman, 1936

    Der Physiker Albert Einstein trifft Bronisław Huberman 1936 in seinem Haus in Princeton, New Jersey
  • Abb. 10: Toscanini probt mit dem Palestine Orchestra, 1936

    Das Palestine Orchestra während einer Probe unter der Leitung von Arturo Toscanini, vermutlich im Dezember 1936