Aus dem „Pütt“ in die Profiliga: Polen und Masuren im Ruhrgebietsfußball
Fußballerinnen mit masurischer bzw. polnischer Migrationsbiografie
Auch im Ruhrgebiet entwickelte sich schon in den fünfziger Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg – trotz des Verbotes durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) – Frauenfußballmannschaften, die die Spielerinnenbasis für eine inoffizielle Nationalmannschaft bildeten. Zwei wichtige Persönlichkeiten unter diesen frühen Pionierinnen des Zugangs für Frauen zum Fußballsport und im Kampf gegen die Diskriminierung durch den DFB, die bis 1970 andauerte, waren Brunhilde Zawatzky von Fortuna Dortmund und Lore Karlowski von Kickers Essen. Beide Frauen stammten aus Familien mit einer Zuwandererbiografie. Der Vater von Lore Karlowski hatte eine masurische Familienbiografie und arbeitete als Bergmann auf der Zeche Nordstern. Als Sechzehnjährige schrieb sie Fußballgeschichte, als sie beim ersten Länder-Spiel einer inoffiziellen deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen am 23. September 1956 im Essener Mathias Stinnes Stadion vor 18.000 Zuschauern beim 2:1 gegen Holland auflief.
Zeit der Profis: Aussiedler und „Legionäre“
Nach der Einführung der Bundesliga und des Professionalismus im deutschen Fußball seit der Saison 1963/64 wurde der deutsche Markt auch für polnische Spieler attraktiv. Der erste Pole, der bei einem deutschen Klub im Revier spielte, war Waldemar Piotr Słomiany, der zwischen 1967-1970 für Schalke spielte und aus dem oberschlesischen Bergbaugebiet von Górnik Zabrze in den „Pott“ wechselte. Von einem Klub, der seine bergmännische Herkunft stolz im Namen trägt.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989/90 ist die Nähe zwischen dem deutschen und dem polnischen Fußball noch größer geworden, spätestens mit der Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine rückte diese enge Verknüpfung in das Bewusstsein in die breite Öffentlichkeit: Beim deutschen Meister der Jahre 2011 und 2012, Borussia Dortmund, spielte das polnische Trio Łukasz Piszczek, Jakub Błaszczykowski und Robert Lewandowski eine überragende Rolle. Die wohlwollende Bezeichnung „Polonia Dortmund“ in Polen für den Klub schließt dabei an die beschriebenen großen Zeiten des Ruhrgebietsklubs Schalke 04 mit seinen vielen Spielern aus dem Bergarbeitermilieu mit polnischen und masurischen Namen an. Im Frühjahr 2014 waren 23 polnische Spieler in den drei Profiligen des deutschen Fußballs unter Vertrag. Spieler aus dem Milieu der Aussiedler aus Polen, wie Miroslav Klose und Lukas Podolski, beide noch in Polen geboren, waren im Übrigen unter den Leistungsträgern der deutschen Nationalmannschaft während der erfolgreichen Weltmeisterschaft in Brasilien 2014.
Und das Spiel geht weiter. Nicht nur angesichts von aktuell zwei Millionen Deutschen mit polnischen Familiengeschichten bleibt die Hoffnung, dass der Fußball eine weitere Brücke zwischen den Nachbarn Deutschland und Polen schlagen wird.
Diethelm Blecking, August 2019
Literatur:
Blecking, Diethelm, Von Willimowski zu Lewandowski: Die Rolle polnischer Spieler im deutschen Elitefußball, in: Dossier, Bundesliga Spielfeld der Gesellschaft, Bundesanstalt für politische Bildung 2014 (http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/bundesliga/192009/polnische-spieler-im-deutschen-elitefussball).
Blecking, Diethelm, Die Nummer 10 mit Migrationshintergrund, Fußball und Zuwanderung im Ruhrgebiet, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1-3/2019, S. 24-29 (http://www.bpb.de/apuz/283266/fussball-und-zuwanderung-im-ruhrgebiet).
Huhn, Daniel/ Metzger, Stefan, Eingewandert, ausgewandert und weitergespielt, in: Dietmar Osses (Hg.), Von Kuzorra bis Özil. Die Geschichte von Fussball und Migration im Ruhrgebiet, Essen 2015, S. 49-57.
Lenz, Britta, Vereint im Verein? Städtische Freizeitkultur und die Integration von polnischen und masurischen Zuwanderern im Ruhrgebiet zwischen 1900 und 1939, in: Archiv für Sozialgeschichte 2006, S. 183-203.
Lenz, Britta, „Gebürtige Polen“ und „deutsche Jungen“, Polnischsprachige Zuwanderer im Ruhrgebietsfußball im Spiegel von deutscher und polnischer Presse der Zwischenkriegszeit, in: Diethelm Blecking et al. (Hg.), Vom Konflikt zur Konkurrenz: Deutsch-polnisch-ukrainische Fußballgeschichte, Göttingen 2014, S. 100-113.
Mandic, Vanja, Lore Barnhusen, geborene Karlowski, Nationalspielerin trotz Verbots, in: Dietmar Osses (Hg.), Von Kuzorra bis Özil. Die Geschichte von Fußball und Migration im Ruhrgebiet, Essen 2015, S. 154-155.