Ernst Willimowski
Mit seiner Fußballerbiographie hätte er heute all die Kloses und Podolskis in den Schatten gestellt. Mit seiner Spielweise wäre er heute ein Superstar wie Messi, Ronaldo und Lewandowski. Denn er war Torschützenkönig in Polen und in Deutschland. Mehr noch! Er schaffte, was vor ihm und nach ihm niemandem mehr gelang, er spielte erfolgreich für die polnische und die deutsche Nationalmannschaft - Ernst Willimowski.
1916 wird Ernst Prandella (später Willimowski) im oberschlesischen Kattowitz zu einer Zeit geboren, als Oberschlesien beides war: deutsch und polnisch. Im selben Jahr stirbt sein Vater an der Front. Seine Mutter Pauline Prandella, die sich zur deutschen Kultur bekennt, schickt ihn auf eine deutsche Volksschule, sein Stiefvater Willimowski, der sich selbst als polnischen Patrioten sieht, schickt ihn später auf ein polnisches Gymnasium. Ernst Willimowski selbst entscheidet sich mit neun Jahren für den Fußballverein der deutschen Minderheit, den 1. FC Kattowitz. Als erfolgreicher Fußballer wechselt er zu dem benachbarten Verein und polnischen Meister, Ruch Wielkie Hajduki (früher Bismarckhütter BC und heute Ruch Chorzow).
Mit Ruch wurde er polnischer Meister (1934, 1935, 1936 und 1938). In seinen 88 Spielen für den oberschlesischen Verein schoss er 112 Tore, eine bis dahin nicht erreichte Quote. Ebenso traumhaft und bis heute nicht erreicht seine Trefferquote in der polnischen Nationalmannschaft: 22 Tore in 21 Einsätzen. Sein wohl bestes Spiel für Polen war die Achtelfinalpartie der Fußball-Weltmeisterschaft 1938 in Frankreich, als er bei der 5:6-Niederlage nach Verlängerung gegen Brasilien vier Tore erzielte. Das letzte Spiel für die polnische Nationalmannschaft machte er am 27. August 1939 in Warschau - Polen gegen den Vizeweltmeister Ungarn. 25 000 Zuschauer sahen zu, als Willimowski allein drei Tore zum Sieg seiner Mannschaft und dem Endstand 4:2 beisteuerte.
Kurz danach begann der II. Weltkrieg mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen. Ernst Willimowski war gerade 25, wollte leben und spielen. Aus persönlichen Gründen entschloss er sich für den Polizeisportverein Chemnitz zu spielen. Auch hier war er erfolgreich und spielte fortan für viele deutsche Vereine. Sein Debüt in der deutschen Nationalelf, eben nicht mit dem weißen, sondern mit dem schwarzen Adler und einem Hakenkreuz auf dem Trikot, absolvierte Ernst Willimowski im Juni 1941 in Bukarest. In dem Spiel gegen Rumänien traf er zwei Mal und avancierte zum Stammspieler der deutschen Auswahl unter Josef “Sepp” Herberger.
Der begnadete Stürmer spielte insgesamt 8 und traf 13 Mal für die deutsche Mannschaft. Das letzte Spiel war 1942. Nach dem Krieg 1945 wollte und konnte Willimowski nicht zurück nach Oberschlesien. Ihm drohten Strafen der kommunistischen Regierung, als Kollaborateur für die Deutschen tätig gewesen zu sein. Er blieb in Deutschland und spielte noch bis 1959 für verschiedene Vereine. Der verdiente Ruhm ist ihm aber bis heute ferngeblieben. Zu Lebzeiten erhielt er die Verdienstmedaille des polnischen Fußballverbandes PZPN. Erst nach seinem Tod 1997 erschien in der polnischen liberalen Zeitung “Gazeta Wyborcza” eine sechsteilige Artikelserie über ihn. In dem umfangreichen Jubiläumsband des Deutschen Fußballbundes “100 Jahre DFB” von 1999 wird Ernst Willimowski nicht einmal namentlich erwähnt.
Biographische Zusatzinformationen und Ergänzungen
In der Biographie Willimowskis fehlen die letzten zwei Jahre des Krieges. Er selbst hat sich öffentlich nie dazu geäußert. Klar ist jedoch, dass er 1942 zum Spiel gegen Rumänien in der Uniform eines Panzerjägers nach Beuthen anreiste. Bis heute ist Ernst Willimowski der einzige Spieler, der als Torschütze sowohl gegen Deutschland (am 9. September 1934 beim 2:5 in Warschau) als auch für Deutschland erfolgreich war (13 Treffer in 8 Spielen). 1974 bekam Ernst Willimoski vom DFB eine Ehrenkarte für das Spiel Deutschland gegen Polen bei der WM in Deutschland. Es war die berühmte „Wasserschlacht von Frankfurt”. Bei der Begegnung durfte Willimoski die Spieler treffen und übersetzte zwischen DFB-Offiziellen und den Polen. Fritz Walter, Kapitän der deutschen Mannschaft und Weltmeister von 1954, schrieb über Ernst Willimowski: “Er erzielte mehr Tore, als er Chancen hatte.” (Fritz Walter: 11 rote Jäger. Nationalspieler im Krieg. München 1959, S. 18)
Adam Gusowski, Februar 2014