Aureli Topolnicki. Dokumente aus dem DP-Lager Wildflecken (Durzyn) 1945–1951
Aufgrund seines Umfangs und seiner Vielschichtigkeit kann der dokumentarische Nachlass von Aureli Topolnicki aus dessen Zeit als Displaced Person im DP-Lager Wildflecken in der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland für die historische Forschung gar nicht hoch genug bewertet werden, insbesondere im Hinblick auf seine alltags- und kulturgeschichtliche Bedeutung. Anhand des Materials lassen sich die Jahre zwischen der Einrichtung eines der größten polnischen DP-Lager in Deutschland nach Kriegsende und dessen Auflösung zu Beginn der 1950er Jahre exemplarisch am Beispiel der Person Aureli Topolnickis und darüber hinaus rekonstruieren. So leistet der Nachlass einen Beitrag zum Verständnis der allgemeinen Lebensbedingungen in einem großen DP-Lager und deren Wandel in diesen Jahren sowie zum Nachvollzug des Aufbaus der administrativen und kulturellen Einrichtungen der Lagerselbstverwaltung. Vor allem aber ermöglicht der Inhalt des Nachlasses die Rekonstruktion der Gründung und Weiterentwicklung von Schulen und Bildungseinrichtungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene am konkreten Beispiel des DP-Lagers Wildflecken. Anhand der Dokumente wird zudem deutlich, welchen Einfluss die erhoffte Emigration für den Alltag der Menschen im Lager hatte und welch hohe Hürden sie zu überwinden hatten, um emigrieren und damit sich und ihren Familien eine neue Lebensperspektive eröffnen zu können.
Dass es sich bei der Problematik der Displaced Persons (DPs) nicht um eine Randerscheinung der europäischen Nachkriegsgeschichte handelte, zeigt schon die Zahl der betroffenen Menschen: Unmittelbar nach Kriegsende befanden sich auf dem ehemaligen deutschen Reichsgebiet ca. 11 Millionen Displaced Persons aus 20 Staaten, davon 6,5 Millionen allein in den westlichen Besatzungszonen. Wenngleich die meisten noch 1945 in ihre Ursprungsländer – teils freiwillig, teils unter Zwang – repatriiert worden waren, befanden sich zu Beginn des Jahres 1946 noch ca. 1,7 Millionen DPs auf dem besetzten deutschen Territorium.[3] Mit dem einsetzenden Kalten Krieg unterließen die westlichen Alliierten schließlich die Zwangsrückführungen in östlicher Richtung, gegen die sich viele Menschen vehement wehrten, sodass 1947 noch über 700.000 DPs verschiedener Nationalität in den westlichen Besatzungszonen verharrten, die nunmehr als nicht repatriierbar galten.[4]
Unmittelbar nach Kriegsende befanden sich unter den oben erwähnten ca. 11 Millionen DPs etwa 1,7 Millionen Polen auf deutschem Territorium, davon allein 0,7 Millionen in der sowjetischen Besatzungszone, aus der sie relativ zügig nach Polen repatriiert wurden.[5] Ein Großteil der polnischen DPs wurde in den darauf folgenden zwei Jahren ebenfalls nach Polen repatriiert, dennoch betrug die Zahl der polnischen DPs in den westlichen Besatzungszonen im Juni 1947 noch etwa 190.000 (ca. 103.000 in der US-Zone, 76.000 in der britischen Zone und 10.000 in der französischen Zone).[6] Dabei handelte es sich vornehmlich um Menschen, die eine Rückkehr nach Polen aus politischen oder ideologischen Gründen kategorisch ablehnten oder deren polnische Heimatgebiete von der Sowjetunion bzw. der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik annektiert worden waren, und die es noch nicht geschafft hatten, zu emigrieren und in anderen westeuropäischen Staaten oder in Übersee eine neue Heimat zu finden.
[3] Brandes, Detlev/Wiesemann, Falk: Displaced Persons, in: Brandes, Detlev/ Sundhaussen, Holm/Troebst, Stefan (Hg.): Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts, Wien 2010, S. 212.
[4] Ebenda, S. 213.
[5] Loew, Peter Oliver: Wir Unsichtbaren. Geschichte der Polen in Deutschland, München 2014, S. 192.
[6] Brzoza, Czesław: Między repatriacją a emigracją. Polacy w Niemczech Zachodnich w latach 1945-1951 [Zwischen Repatriierung und Emigration. Polen in Westdeutschland zwischen 1945-1951], in: Paczyńska, Irena (Hg.): Śląsk. Polska. Emigracja. Studia dedykowane Profesorowi Andrzejowi Pilchowi [Schlesien. Polen. Emigration. Professor Andrzej Pilch gewidmete Studien], Kraków 2002, S. 296.