Waplitzer Patrioten. Stanisław Sierakowski und seine Frau, Helena.
Sierakowski genoss großes Vertrauen der polnischen Gemeinschaft, so dass ihm weitere Funktionen übertragen wurden. 1923 wurde er als Abgeordneter in den Preußischen Landtag gewählt, dem er bis Dezember 1924 angehörte, wobei er mehrfach das Wort ergriff. Im Februar 1923 reichte er zusammen mit dem polnischen Abgeordneten Jan Baczewski eine förmliche Anfrage zum polnischen Schulwesen in Deutschland ein. Ab 1923 gehörte er dem Präsidium des Związek Polskich Organizacji i Towarzystw Szkolnych (Verband der polnischen Organisationen und Schulvereine) an.
Die Gründung der zentralen Organisation der Polen in Deutschland war ein bedeutsamer Akt, der die in ganz Deutschland ansässigen polnischen Organisationen miteinander verband und gemeinsame politische Willensbekundungen gegenüber dem deutschen Staat erlaubte. Da die Verantwortlichen des BdPiD von Anfang an Verbündete unter den Vertretern anderer Minderheiten suchten, kam es auf Initiative von Stanisław Sierakowski und Jan Baczewski im Sommer 1923 in Groß Waplitz zu einem Treffen mit Vertreten dänischer und sorbischer Organisationen. In Folge dieser Gespräche fand am 26. Januar 1924 in Berlin eine Tagung statt, bei der eine neue Institution ins Leben gerufen wurde. Dabei handelte es sich um den Verband der nationalen Minderheiten in Deutschland, dem deutsche Staatsbürger polnischer, dänischer, sorbischer, friesischer und tschechischer Herkunft angehörten. Die ebenfalls zu dieser Tagung eingeladenen Litauer erschienen nicht, sondern traten dem Verband erst 1927 bei. Stanisław Sierakowski wurde der erste Vorsitzende dieses Verbands. Nach seinem Verzicht auf dieses Amt in späteren Jahren wurde der Däne Ernst Christiansen 1934 zu seinem Nachfolger gewählt. Presseorgan des Verbands war die Monatszeitschrift „Kulturwille“ (Zeitschrift für Minderheitenkultur und -politik), die 1925 in „Kulturwehr“ umbenannt wurde. Chefredakteur dieser Verbandszeitschrift wurde der aus der Oberlausitz stammende Journalist, Schriftsteller und Politiker Jan Skala. Eigentümer und Herausgeber war der Verbandsvorsitzende Stanisław Sierakowski. Die Zeitschrift wurde rasch zu einem wichtigen Forum für Mitteilungen und für den Erfahrungsaustausch der nationalen Minderheiten in Deutschland.
Sierakowski versuchte auch, die Position der Polen in Deutschland auf der internationalen Bühne zu stärken. So vertrat er die polnische Minderheit ab 1924 im Völkerbund. Ein Jahr später wurde er aufgrund seiner Funktionen zur Teilnahme an den Vorbereitungen eines Kongresses der nationalen Minderheiten in Europa eingeladen. Bei dieser Gelegenheit protestierte er unter anderem gegen Forderungen, die Bestimmungen des Versailler Vertrages zu revidieren, und bemühte sich darum, die Vertreter anderer in Deutschland lebender Minderheiten bzw. nationaler Gruppierungen, etwa die Sorben, Friesen und Litauer, ebenfalls zu dieser Konferenz zu bitten.
Stanisław Sierakowski hat seine gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten aus privaten Mitteln finanziert. Dabei wurden er und seine Frau Helena wegen ihres Engagements für die Polen in Deutschland sehr aufmerksam von den deutschen Behörden verfolgt. Diesbezüglich erschien in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre eine deutsch-polnische Publikation mit einer umfassenden Auswahl deutscher Dokumente, die den Status und die Arbeit der Minderheiten in den Jahren von 1920 bis 1939 belegen. Das Wirken der Eheleute Sierakowski nimmt dort gebührenden Raum ein, zumal es nicht nur auf den Argwohn der deutschen Behörden, sondern auch der Presse stieß.