Wanda Landowska
Es sollte allerdings noch zwei weitere Konzerte dauern, bis Landowska ihren „ehrgeizigen, ausufernden und beständigen Traum“, den Klang der alten, nur noch in Museen bewahrten Instrumente der Barockzeit auf einem neu geschaffenen Cembalo wieder hörbar zu machen, verwirklicht und ihre jahrelange „Kampagne … den Bau eines Instruments zu erreichen, das dem von Bach so ähnlich wie möglich war“[2] von Erfolg gekrönt sehen konnte. Auf dem von der Neuen Bachgesellschaft ausgerichteten sogenannten Kleinen Bachfest im September 1911 in Eisenach wurden unter anderem dieselben Werke zum Vergleich nacheinander auf dem modernen Flügel und auf dem Cembalo gespielt. Die Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft schrieb: „Um aber das tatsächliche Resultat dieses Wettkampfes festzuhalten: das Cembalo trug … einen großen Sieg davon … Man hätte allerdings der glänzenden Vertreterin des Cembalos, Frau Wanda Landowska, im Interesse des modernen Klaviers etwas rassigere Vertreter dieses Instruments entgegentreten sehen mögen.“
Erst auf dem VI. Deutschen Bachfest der Neuen Bachgesellschaft vom 15. bis 17. Juni 1912 in Breslau konnte Landowska das von ihr selbst konzipierte und von der Firma Pleyel gebaute Cembalo „Grand Modèle de Concert“ öffentlich vorstellen und spielen. Das Instrument war zur Erhöhung der Dynamik und Klanggestaltung mit sieben Pedalen, einem 16-, zwei 8-, einem 4-Fuß-Register und einem Lautenzug ausgestattet und verfügte über einen Eisenrahmen, der es für Konzertreisen befähigte. Landowska propagierte es künftig weltweit. Die Zeitschrift der Internationalen Musikgesellschaft schrieb: „Die Künstlerin setzte den gesamten Apparat ihres Instruments mit der ihr innewohnenden Intelligenz in Bewegung und vermittelte selbst Fachgenossen eine ganze Reihe neuer Eindrücke, unter denen die an das b moll-Präludium mit Fuge sich knüpfenden alle anderen überragten. Eine Klarheit und Durchsichtigkeit des Fugengewebes, wie sie sich da durch planvolle Anwendung des 16- und 4-Fußtones ergab, ist auf dem modernen Klavier zu erreichen unmöglich, abgesehen von anderen feinen dem Cembalo eigentümlichen Detailwirkungen.“ 1913 wurde Landowska die Leitung einer eigens für sie eingerichteten Cembalo-Klasse an der Königlichen Akademischen Hochschule für Musik in Charlottenburg übertragen, an die sie ebenfalls das neue Pleyel-Cembalo vermittelte. (Abb.)
Von ihren Warschauer Lehrern, den Chopin-Spezialisten Jan Kleczyński (1837-1895) und Aleksander Michałowski (1851-1938), in der romantischen Klaviermusik ausgebildet, galt ihre eigentliche Liebe von Beginn an der Musik von Johann Sebastian Bach. Auch während ihrer Studienzeit in Berlin, die sie bei Heinrich Urban (Komposition) und Moritz Moszkowski (Klavierspiel) absolvierte, stand Bachs Wohltemperiertes Klavier für sie im Vordergrund. Sie komponierte Lieder, Werke für Streichorchester und Klavierstücke, die auch im Druck erschienen und die ihre Mutter von Warschau aus bei dem norwegischen Komponisten Edvard Grieg zur Begutachtung einreichte.[3] Als Konzertpianistin trat sie mit eigenen Kompositionen, Werken von Bach und spätromantischen Klavierstücken auf. In Berlin kam sie in der Königlichen Sammlung alter Musikinstrumente erstmals mit dem damals noch spielbaren „Clavicymbel von Bach“,[4] also dem Bach-Cembalo, in Berührung.
[2] Wanda Landowska: Autobiographische Anmerkungen, Text aus einem Schallplatten-Beiheft, 1958, übersetzt aus dem Französischen, in: Martin Elste (Hrsg.) 2010, S. 19.
[3] Werkverzeichnis der Kompositionen von Wanda Landowska bei Ingeborg Harer 2013.
[4] Tagebucheintrag von Wanda Landowska vom 9.5.1896, in: Martin Elste (Hrsg.) 2010, S. 30.