Tadeusz Nowakowski
Seit 1952 war Nowakowski Mitarbeiter der polnischen Abteilung des Senders Radio Freies Europa (RFE), die am 3. Mai dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen hatte und ursprünglich den Namen „Głos Wolnej Polski” (Stimme des freien Polens) trug. Wegen dieser Tätigkeit zog er nach München. Für den RFE schrieb er Drehbücher für Hörspiele, leitete Sendungen, interviewte Schriftsteller (unter anderem Witold Gombrowicz), und er kommentierte politische und kulturelle Ereignisse. In dieser Zeit setzte er nach Möglichkeit sein literarisches Schaffen fort, indem er weitere Romane veröffentlichte und zahlreiche Erzählungen in Exilzeitschriften und Anthologien publizierte. Sein Mikroroman Syn zadżumionych (Der Sohn der Pestgeplagten), der 1959 in Paris erschien, stieß vor allem bei deutschen Lesern auf Interesse. Es handelte sich um das erste polnische Werk, in dem der Prozess der moralischen Wiedergeburt Deutschlands und der authentische Wille der damaligen westdeutschen Jugend zur Abrechnung mit ihren Vätern und ihrer Schuld aufgenommen und beschrieben wurden. Der Roman wurde unter dem Titel Der Sohn ins Deutsche übersetzt, fürs Radio bearbeitet und 1963 in Hamburg ausgestrahlt. Für den RFE berichtete Nowakowski von den Kriegsverbrecherprozessen, unter anderem von dem berühmten, zwanzig Monate dauernden Frankfurter Prozess gegen das Personal des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in den Jahren 1963 bis 1965.
Tadeusz Nowakowski erhielt für sein literarische Tätigkeit zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Literaturpreis der Künstlergilde Esslingen (1959), den „Literary Atlantic Award” der Princeton University (1963), den Tukan-Preis (1966) sowie den Karl-Wolfskehl-Preis für Exilliteratur der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1992).
Als Reporter in Diensten des RFE begleitete er Papst Johannes Paul II. auf 30 Pilgerreisen, von denen er auch für die deutsche Presse („FAZ”) berichtete.
Nach dem Zerfall des Kommunismus entschied er sich 1990, seine Heimat erstmals wieder zu besuchen. 1995 siedelte er in seine Heimatstadt Bydgoszcz über, wo er am 11. März 1996 verstarb. 1994 verlieh ihm die Stadt Bydgoszcz die Ehrenbürgerwürde, nachdem er bereits 1991 Ehrenbürger von Olsztyn geworden war. Tadeusz Nowakowski wurde im Grab seiner Mutter auf dem Bromberger Friedhof an der Zaświat-Straße beigesetzt.
Wacław Lewandowski, Juli 2016
Literatur:
J. Czachowska, A. Szałagan (Hrsg.): Współcześni pisarze polscy i badacze literatury. Słownik bibliograficzny (Polnische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler der Gegenwart. Bibliographisches Lexikon), Bd. VI, Warszawa 1999; Bd. X (Ergänzungen), Warszawa 2007.
T. Nowakowski: Obóz Wszystkich Świętych. Vorwort von W. Lewandowski, Warszawa 2003, S. 5-15.
W. Lewandowski: Tadeusz Nowakowski. Portret literacki w 10. rocznicę śmierci (Tadeusz Nowakowski. Ein literarisches Porträt zum 10. Todestag), „Kwartalnik Artystyczny” 2006, Nr. 1 (49).
Wacław Lewandowski (geb. 1962) – Literaturhistoriker, Herausgeber, Extraordinarius an der Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń.
Quelle für alle Fotos (außer Porta Polonica): http://www.wolnaeuropa.pl/index.php?id=201&id2=141. Mit freundlicher Genehmigung der Stowarzyszenie Pracowników, Współpracowników i Przyjaciół Rozgłośni Polskiej Rdia Wola Europa imienia Jana Nowaka-Jeziorańskiego.