Tadeusz Nowakowski
Die Zeit bis zum Ende des Krieges verbrachte der Verurteilte in Gefängnissen und in KZ: in Włocławek, Inowrocław, Bautzen, Zwickau, Dresden, Elsnig-Vogelgesang und schließlich in Salzwedel, wo er die Befreiung durch die amerikanische Armee erlebte. Anschließend kam er in das Displaced-Persons-Lager in Haren (Ems) im Emsland, in eine Stadt, die damals nach General Stanisław Maczek, dem Kommandeur der 1. Polnischen Panzerdivision, die die Stadt befreite, sie besetzte und ihre Verwaltung übernahm, in „Maczków” umbenannt wurde. Nowakowski arbeitete ebendort als Lehrer eines polnischen Gymnasiums. Hier entwickelte er auch seine literarischen Interessen weiter und schrieb die ersten Fragmente seines wichtigsten Romans sowie Gedichte und Erzählungen, die er dann an die Anfang 1946 in London reaktivierte polnische Zeitschrift für Literatur „Wiadomości” (Die Nachrichten) gab. Da das Leben als DP nicht eben leicht war und da sich – was noch viel gewichtiger war – keine aussichtsreichen Zukunftsperspektiven zeigten, reiste er im Herbst 1946, nachdem seine Bemühungen, Deutschland zu verlassen, von Erfolg gekrönt waren, nach Italien, um sich dem 2. Polnischen Korps anzuschließen, dessen Kampfweg hier geendet hatte und das seiner Verlegung nach Großbritannien entgegensah, wo es demobilisiert werden sollte. 1947 wurde dieses Korps von General Anders, das seinerzeit als Polski Korpus Przysposobienia i Rozmieszczenia (Polnisches Ausbildungs- und Verteilungskorps) bezeichnet wurde, nach Großbritannien verlegt.
Die Quarantäne, die für die Soldaten in den Ausbildungslagern eingerichtet worden war, blieb dem Zivilisten Nowakowski erspart. Er fand Unterkunft im polnischen „Haus der Schriftsteller” in der Finchley Road, das aus Mitteln der Exilregierung unterhalten wurde und begann seine Laufbahn als Journalist und Literat. Er leitete die Zeitschrift „Polacy na Świecie” (Polen in der Welt), arbeitete mit der polnischen Abteilung der BBC zusammen und schrieb für die Verlage des „Światpol” (Światowy Związek Polaków z Zagranicy [Weltverband der Polen im Ausland]) sowie des Kongresses der Polen in Amerika. 1948 erschien im Londoner „Światpol”-Verlag sein erstes größeres Werk, der Novellenzyklus Szopa za jaśminami, der in den folgenden Jahren ins Holländische, Deutsche (Die Hütte unter dem Jasmin) und Italienische übersetzt wurde. 1950 erhielt der Autor für diese Publikation den Preis des Londoner Katholischen Verlagszentrums „Veritas”, wobei das Werk in Schriftstellerlexika und Bibliographien unzutreffend als „Erinnerungen aus den deutschen Lagern” aufgeführt wird.
Die Hütte unter dem Jasmin ist gewiss kein Erinnerungsband, sondern ein meisterhaft komponiertes literarisches Werk, das dem KZ-Thema gewidmet ist, ein Novellenzyklus mit autobiographischem Hintergrund, dessen Ich-Erzähler den Namen des Autors trägt und wie Nowakowski diverse Gefängnisse und Lager durchlebt, während er Erinnerungssequenzen und die Vergangenheitsform meidet. Die Unglücksgenossen des Erzählers sind immer dieselben Mithäftlinge. Sie treten in mehreren Novellen des Zyklus auf, in manchen als Hauptfiguren, in anderen als Randfiguren und in noch anderen als schon tote, im Bewusstsein des Protagonisten jedoch allgegenwärtige Opfer des Lagerterrors. Als der Protagonist vom Ende des Kriegs erfährt, begibt er sich auf eine zwar imaginäre, aber mit realistischen Akzenten versetzte Reise über Holland und Belgien nach Paris, Rom und London, wo er seine 1939 begonnene Wanderschaft als Augenzeuge der Siegesparade beendet. Im Anblick der freudetrunkenen Massen wird ihm bewusst, dass sowohl in ihm als auch in seinen Mithäftlingen, denen er auf dem Leidensweg durch die Lagern begegnete, die Realität der damaligen „anderen Welt” immer wach bleiben und dass die traumatische Erfahrung sie alle von den Menschen, die nicht in der Hölle eines KZs gewesen sind, unterscheiden wird. Nowakowski führt den Einfluss der Vernichtungsmaschinerie auf die Psyche der Häftlinge (aber auch der Henker) vor, indem er die Lagerwirklichkeit aus der Sicht eines dem rücksichtlosen Druck unterworfenen Menschen darstellt, der sie nur erträgt, indem er sich der Ironie und der Selbstironie, einer Melange aus Tragik und Komik sowie aus erhabenem Ernst und primitiver Vulgarität bedient.