Tadeusz Nowakowski
Die Hütte unter dem Jasmin ist das erste polnische literarische Werk der Nachkriegszeit über die Konzentrationslager, in dem die Henker und die Funktionäre des nationalsozialistischen Vernichtungsapparats differenziert dargestellt werden. Trotz seiner Abscheu und seiner Wut auf die Henker, ist der Ich-Erzähler des Zyklus in der Lage, das seelische Leid mancher Deutschen, die von dem System gezwungen wurden, etwas Ungewolltes zu tun, wahrzunehmen. Einige von ihnen lassen gegenüber den Häftlingen sogar menschliche Regungen zu, während andere in der Ausübung ihrer Pflichten, derer sie sich schämen, in tiefe Selbstverachtung verfallen. Es gibt aber auch solche, die den Häftlingen die „Schuld” an ihrer moralisch misslichen Lage, in die sie geraten sind, geben und insofern einem maßlosen Hass frönen, indem sie zu übereifrigen Henkern werden und mit der Zeit beginnen, aus der Grausamkeit Genuss zu ziehen.
Die differenzierte Darstellung der Handlanger einer solchen mörderischen Maschinerie bestimmt den hohen künstlerischen Wert des Erzählbandes. Sie zeugt davon, dass die Arbeit an seiner Entstehung eine wichtige Etappe Nowakowskis literarischer Entwicklung auf dem langen Weg zur endgültigen Ausformung seines bedeutendsten Werks, des Romans Obóz Wszystkich Świętych (Polonaise Allerheiligen), gewesen ist. Dieser ist einer der wichtigsten polnischen Romane über die polnisch-deutschen Beziehungen und der wichtigste über die polnischen DPs in Deutschland. Außer Frage steht, dass er auf autobiographischem Material beruht, das jedoch stark umgeformt und literarisch bearbeitet wurde. Den Handlungsort hat der Autor nicht nach Haren verlegt, wo ihn das Schicksal als DP ereilte, sondern nach Papenburg, wobei er stets bemüht ist, das erzwungene Aufeinandertreffen der „Befreiten” und der einheimischen Bevölkerung des Emslandes in seiner ganzen Kompliziertheit zu schildern. Es ist der erste und für viele Jahre einzige polnische Roman über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen für die polnisch-deutschen Beziehungen, in dem neben der Schuld der „Henkernation” auch die Schuld der „Opfernation” zum Vorschein kommt, in dem er nicht nur die Naziverbrechen, sondern auch die Verbrechen der „Befreiten” an der deutschen Bevölkerung thematisiert. Die nationalistischen Klischees, die realitätsverfälschenden und zum Bösen hinführenden Vorurteile in diesem Roman belasten Deutsche und Polen gleichermaßen. Jeder „Patriotismus”, der die Grenze zum Nationalismus überschreitet, ist schädlich und zerstörerisch zugleich, und zwar unabhängig davon, unter welchen nationalen Farben er sich verbreitet. Die Polonaise Allerheiligen ist auch ein Roman über den, wenn auch misslungenen, Versuch, sich von den Beschränkungen und Komplexen zu befreien, die dem Einzelnen in seiner heimischen Gesellschaft unter Androhung der Ausschließung, der Bezeichnung als Abgefallener, Abtrünniger, Unpatriot oder gar als Landesverräter, aufgebürdet werden.
Die Ehe des Protagonisten mit einer Deutschen ist nach der tragischen Kriegserfahrung nur als Vereinbarung zweier Menschen möglich, die vor dem weiteren gesellschaftlichen Hintergrund nicht haltbar ist. Es gelingt weder den Deutschen, diese Verbindung einer Landsmännin mit einem Polen, noch den Polen, die Beziehung zwischen einem ehemaligen Warschauer Aufständischen mit einer Deutschen zu akzeptieren. Das Bedürfnis, von den „eigenen” Leuten akzeptiert zu werden, erweist sich stärker als die Gefühle füreinander – beide Eheleute geben auf, tun so, als hätten sie in den nationalistischen Vorurteilen die offenbarte Wahrheit, die sie früher fehlerhaft in Frage gestellt hätten, doch noch gefunden und kehren daraufhin, ihre vermeintliche Schuld bereuend, in den Schoß ihrer Gesellschaften zurück. Auf der retrospektiven Romanebene treten in den Erinnerungen des Protagonisten die Stadt Bydgoszcz vor dem Krieg und das in Maßen harmonische Zusammenleben ihrer polnischen Bewohner mit der starken deutschen Minderheit auf. Außerdem werden die tragischen Ereignisse im September 1939 geschildert, als die nationalistischen Motive überhandnahmen, was dem Hass freien Lauf ließ und letztlich zum Völkermord führte.