Tadeusz Borowski
In der Schlacht von Grunwald und in seiner während der Münchener Zeit entstandenen Poesie attackiert Borowski die Nachkriegsrealität in der Welt, welche die Freiheit und die Hoffnung auf einen inneren Wandel des Menschen vermissen lässt und stattdessen weiterhin voller Heuchelei steckt. Wie unlängst stehen die wichtigsten Werte nach wie vor zum Ausverkauf.[9] Borowski erhoffte sich den Aufbau einer auf anderen Grundlagen und Moralvorstellungen basierenden Welt, auf solchen, die die Menschheit vor der Wiederkehr eines dem Nationalsozialismus ähnlichen Systems bewahren sollten. Das Subjekt der Münchener Gedichte versteht jedoch sehr schnell, dass die Schaffung einer neuen Ordnung nur Fiktion ist, eine Utopie. Die Realisierung dieser Tatsache ruft in ihm Widerstand hervor.
Während seines Aufenthaltes im Westen bereist Borowski Europa, besichtigt u.a. Paris („Ich war dort, sah – und bin traurig“[10]). In den Briefen aus München erkennen wir einen Schriftsteller, der sich keine Illusionen ob der moralischen Verfassung des alten Kontinents mehr macht. Die Erinnerung an Auschwitz, aber auch das Bild von der Welt nach der Befreiung lassen es nicht zu, dass er an die Wiedergeburt Europas und der westlichen Zivilisation glauben kann, auch deswegen nicht, weil der Holocaust die erschreckende Wahrheit der menschlichen Natur enthüllt hat. Das Verbrechen kennt keine Grenzen. Allerdings manifestiert sich das besonders beängstigende Wissen über den Menschen nicht im Ausmaß des Verbrechens. Viel beunruhigender erscheint die Tatsache, dass das massenhafte Verbrechen, gerichtet gegen Völker, die man willkürlich als schlechter erklärt hat, im Namen des Fortschritts und einer besseren Welt verübt wurde. Dabei kam dem Menschen die zeitgenössische Technik zur Hilfe, die doch eigentlich dem Individuum und dem zivilisatorischen Fortschritt dienen sollte. Damit zeigt Borowski – lange vor Raul Hilberg und Zygmunt Bauman[11] – eine Welt auf, in der das Böse Teil der modernen Zivilisation ist.
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Die Tatsache, dass Borowski (einer der größten, über die nationalsozialistischen Todeslager erzählenden Literaten, einer der bedeutendsten Schriftsteller innerhalb der Literatur des Holocaust) gerade in Deutschland – in Freimann und in München in den Jahren 1945 und 1946 – das Fundament seiner großen Prosa gelegt hat, ist erstaunlich. Es scheint fast so, als sei „die Reise nach Dachau“, in das Land seiner Peiniger, eine conditio sine qua non zum Verständnis, was die Welt des nationalsozialistischen Verbrechens überhaupt ausmachte, gewesen.
Sławomir Buryła, April 2016