Roman Polański in München: Zwischen Weltruhm und Drama

Roman Polanski mit Peter Glossop bei den Proben zu Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“.
Roman Polanski in bester Laune mit Peter Glossop bei den Proben zu Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“.

Er fotografierte für die französische Modezeitschrift Vogue. In verschiedenen europäischen Häusern inszenierte er Theaterstücke und Opern. Zunächst 1974 die Inszenierung von Lulu beim Festival in Spoleto, Italien. 1976 folgt dann mit Rigoletto die erste (und einzige) Regiearbeit auf deutscher Bühne. Ausgewählt habe er diese Oper wegen der vielschichtigen Charaktere und nicht zuletzt wegen der Musik, sagt er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Und obwohl es eine seiner Lieblingsopern sei, habe er zuvor keine Inszenierung von Rigoletto gesehen.[3] Was ihn an Theater und Oper reize, seien die Möglichkeiten der künstlerischen Darstellung: Während der Film als Kunstform verlangt, dass die Darstellung möglichst realitätsnah sei, gäbe es bei einer Bühneninszenierung eine Art Übereinkunft zwischen den Darstellern und dem Publikum, jenes als Realität anzunehmen, was die Inszenierung als solche definiert.

Die Aufmerksamkeit für den Weltstar und sein Rigoletto ist in Deutschland und insbesondere in München groß. Die Erwartungen ebenfalls. Nicht nur die Boulevard-Zeitungen schaukeln „ihre Erwartungs-Euphorie“ in den letzten Wochen vor der Premiere gegenseitig hoch, wie DIE ZEIT später resümieren wird. Auf dem Schwarzmarkt steigen die Preise für die Opernkarten auf das Fünffache. Dramatischen Verdichtung oder eine zeitgemäße Inszenierung von Verdis Melodrama – das ist das, was die sich die Kulturelite von dem polnischen Avantgardisten erhofft. Dabei sagt Polański bei der Pressekonferenz während der Probephasen noch, er habe nahezu nichts am Libretto geändert, es werde auch keinerlei offensichtliche spektakuläre Neuerungen geben: „I'm not looking for some kind of gimmick for the concept of the opera“ und es gebe auch keine Kino-Show-Effekte, die man von ihm erwartet. „I'm trying to keep within the convention of this opera.” Er beschränke sich also darauf, etwas durch Konventionen und Routine Ersticktes wieder lebendig, frisch, authentisch zu machen.[4]What I'm trying to do is to create atmosphere which expresses the content of individual scene. I'm trying to be unconventional in the way people move. I'm trying to make singers move and sing in the same time whenever I can. And I'm trying to stage it the way, so people who don't know the Libretto by heart can still understand what's going on.

Mit der Premiere von Rigoletto am 31. Oktober 1976 in München erfüllt Roman Polański die Erwartungen einer avantgardistischen Inszenierung tatsächlich nicht, die Besucher der Bayerischen Staatsoper müssen auf die Befriedigung aller Sensationsgelüste verzichten.[5] Dagegen lieferte Polański am Premierenabend eine „richtig gute Stadttheater-Inszenierung mit vielen guten Einfällen und einer Menge Unarten ab[…]“, geht dabei aber „nur selten über diese Vorschriften hinaus.“[6] Anscheinend, so urteilt DIE ZEIT in ihrer Besprechung, gäbe es all die „unausrottbaren Plattitüden“ einer Oper, die „selbst einem Nicht-Opernregisseur offenbar notwendigerweise einfallen: die Arien an der Bühnenrampe, die keine Adressaten unter den Mitwirkenden finden; die Hilflosigkeit, einen Chor kaum je anders als im Halbrund aufzustellen; die grotesken Attitüden, die irgendwelche Emotionen symbolisieren sollen. Wenn eine seiner Filmfiguren je ähnliche Gesten riskierte – ich fürchte, Polański würde sie sofort aus dem Atelier jagen. Aber Oper ist nicht Film, daran, an den erbärmlichen Produktionsbedingungen konnte auch Polański (und wollte er wohl auch) nichts ändern.“[7] Gelobt wird nach dem Premierenabend dagegen das (bewegbare) Bühnenbild, mit dem Polański und sein Bühnenbildner Carlo Tommasi das Publikum zwar überraschen könnte, welches aber nicht über den „muffigen“ Gesamteindruck bei den Kritikern hinwegtäuschen konnte. Was sich in der Fachkritik verhalten liest, löst beim Publikum dennoch stürmische Ovationen für Polański aus. Kein herber Rückschlag also für den Regisseur mit Weltruhm, auch wenn man über diese Inszenierung in München in Zukunft nur noch selten reden wird.

 

[3] Süddeutsche Zeitung: Roman Polanski im Interview mit Charlotte Kerr, 28.10.1976. Vgl. Paul Cronin (Hrsg.): Roman Polanski Interviews, 2005, S. 65

[4] DER SPIEGEL, 25.10.1976

[5] Diederichs-Lafite, M. (1976). Donaueschinger Musiktage 1976. Österreichische Musikzeitschrift, 31(12), pp. 678-680. Retrieved 30 Mar. 2018, from doi:10.7767/omz.1976.31.12.67

[6] http://www.zeit.de/1976/46/neue-einfaelle-alte-unarten (aufgerufen am: 27.03.2018)

[7] http://www.zeit.de/1976/46/neue-einfaelle-alte-unarten (aufgerufen am: 27.03.2018)

Mediathek
  • Roman Polański mit Peter Glossop, München 1976

    Roman Polański mit Peter Glossop bei den Proben zu Giuseppe Verdis Oper „Rigoletto“.
  • Roman Polański bei der Kostümprobe, München 1976

    Roman Polański bei der Kostümprobe, München 1976
  • Roman Polański mit Opernsängerin Constanza Cuccaro, München 1976

    Roman Polański mit Opernsängerin Constanza Cuccaro, München 1976
  • Polański auf dem Oktoberfest, München 1977

    Polański mit einer Gruppe junger Frauen auf den Wiesn in München, September 1977
  • ORF-Beitrag vom 30. Oktober 1976: "Rigoletto" unter Roman Polanski in München

    Mittagsjournal des ORF vom 30. Oktober 1976: Beitrag "Rigoletto" unter Roman Polanski in München mit O-Tönen Polańskis von der Pressekonferenz