Polnisches Theater Kiel
Zwei bis drei Aufführungen pro Jahr auf die Bühne zu bringen, das bedeutet auch die ständige Suche nach neuen Stücken und Texten, die mit möglichst geringem personellem und finanziellem Aufwand realisiert werden können. Von Beginn an hat es sich das Theater zur Aufgabe gemacht, Stücke polnischer und anderer osteuropäischer Autoren bekannt zu machen. Aber auch weniger geläufige oder neu entdeckte westliche Literatur ist im Repertoire. Dabei geht es dem Team nicht um leichte Unterhaltung, sondern um die Auseinandersetzung mit Fragen der menschlichen Existenz in einer realitätsnahen Sicht. Inzwischen werde es immer schwieriger neue Stücke auch von jungen Autoren zu finden, beklagt Galia, da nicht nur die Qualität stimmen, sondern auch die Autorentantiemen und die Verlagshonorare bezahlbar sein müssten. Der ursprüngliche Förderverein Initiative Polnisches Theater Kiel e.V., der Träger des Theaters ist, kümmert sich auch heute noch darum, ein möglichst engagiertes Stammpublikum zu gewinnen, das für einen erschwinglichen Jahresbeitrag freien Eintritt zu den Vorpremieren bekommt.
Wer sich das Programm der vergangenen sechs Jahre ansieht, wird eine spannende Mischung von Autoren, Uraufführungen ebenso wie Klassiker, Unbekanntes und auch Stücke aus Polen finden.[5] Die niederländische Dramatikerin Lot Vekemans (*1965) war 2012 mit dem Beziehungsdrama „Gift“, 2015 mit einer Erzählung des biblischen Judas, gespielt von Galia, vertreten. Immerhin zwölf Personen brachte ein Lustspiel über den berühmten Lügenbaron von Münchhausen, „Der Flug der gebratenen Ente“ des georgischen Autors Grigori Gorin (1940-2000), im Dezember 2012 auf die Bühne. 2013 waren gleich zwei Klassiker, „Die Zofen“ des französischen Dramatikers und Romanautors Jean Genet (1910-1986) und die 1983 verfilmte Komödie „Halpern und Johnson“ des Londoner Stückeschreibers Lionel Goldstein (*1935), zu sehen. 2014 standen Jutta Ziemke, Tadeusz Galia, Gina Tantow, Kristina Greif und Natalie Baron in dem Stück „Kammerjagd“ des aus Wittenberg stammenden und in Kiel lebenden Schauspielers und Regisseurs Andreas Hüttner (*1969) auf der Bühne, das dieser den Mitwirkenden in monatelanger Zusammenarbeit auf den Leib geschrieben hatte. Im Mittelpunkt des Dramas steht der polnische Nachbar der pensionierten Lehrerin Gertraude. Diese sieht in ihrem Bekannten jedoch nur den Handwerker aus dem Osten, der gut genug dafür ist, die Drecksarbeit zu machen. Bei der Geburtstagsfeier mit Freunden kommt es zum Eklat.
Jeweils im April 2015 und 2016 standen Zweipersonen-Stücke auf dem Programm. In dem Gegenwartsdrama „Enigma“ des französisch-belgischen Romanciers, Dramatikers und Filmregisseurs Éric-Emmanuel Schmitt (*1960) spielten Galia und Friederichs den Dialog zwischen einen Provinzjournalisten und einem exzentrischen Literaturpreisträger, mit dem das Interview zu einem Wortduell über Leben und Tod gerät. „Boston“ des dänischen Autors Kaj Nissen (*1941) zeigte hingegen den verzweifelten Dialog eines alternden Ehepaars, gespielt von Ziemke und Galia, um eine erkaltete Liebe und deren Neubeginn. Im August 2015 spielte Galia in dem Stück „Königlicher Totengräber“ des 1958 in Breslau geborenen Dramatikers, Essayisten, Literaturkritikers und Übersetzers Jerzy Łukosz einen polnischen Emigranten, der sich in Deutschland am Rand der Gesellschaft als Leichenverbrenner durchschlagen muss. „Emigranten“ sind auch der Gastarbeiter und der Intellektuelle in dem gleichnamigen Stück von Sławomir Mrożek, gespielt von Galia und Astrit Geci. Mrożek, Vertreter des Absurden Theaters, ging selbst 1968 ins politische Exil nach Frankreich und lebte anschließend sechs Jahre in Mexiko, bevor er 1996 nach Polen zurückging. Im September 2017 folgte der Einakter „Protest“ von Vaclav Havel (1936-2011), das dessen Erfahrungen als politisch verfolgter Schriftsteller thematisiert. Im Januar 2018 lief mit großem Erfolg das Stück „Granaten“ der australischen Dramatikerin Joanna Murray-Smith (*1962), das sechs Lebensbilder von Frauen zwischen 15 und 57 Jahren abbildet, in einer ersten Staffel gespielt von der Schauspielschülerin Oleksandra Zapolska, anschließend von Antje Schlaich, die nach fünf Jahren wieder an das Polnische Theater Kiel zurückkehrte.
[5] Archiv auf der Webseite des Polnischen Theaters Kiel, https://www.polnisches-theater-kiel.de/archiv.php