Polnisches Theater Kiel

Polnisches Theater Kiel, August 2018
Polnisches Theater Kiel, August 2018

Galia, 1949 in Wrocław/Breslau geboren, absolvierte 1971 die Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater/Państwowa Wyższa Szkoła Filmowa, Telewizyjna i Teatralna im. Leona Schillera in Łódź. Von 1971 bis 1976 und von 1977 bis 1982 war er am Zeitgenössischen Edmund-Wierciński-Theater/Teatr Współczesny im. Edmunda Wiercińskiego in Breslau engagiert, leitete ein Privattheater im Breslauer Rathaus und arbeitete als Dozent an der dortigen Schauspielschule. 1976/77 trat er am Jan-Kochanowski-Theater/Teatr im. Jana Kochanowskiego in Opole/Oppeln auf.[2] Außerdem spielte er in Film- und Fernsehproduktionen mit.[3] Als 1981 in Polen das Kriegsrecht verhängt wurde und er sich weigerte eine ellenlange Loyalitätserklärung zur neuen Staatsdoktrin abzuzeichnen, wurde er schon am folgenden Tag von seiner Lehrtätigkeit suspendiert. Ein internationales Theaterfestival in Mannheim und Esslingen nutzte er zur Flucht nach Deutschland. Der einzige Freund, den er hier kannte, lebte in Kiel. Bei einem Workshop im Kieler Schauspielhaus gründete eine Gruppe von polnischen Schauspielern die Initiative Polnisches Theater in Deutschland e.V. und brachte am 21. April 1983 im Kieler Ball Pompös, dem heutigen Max Nachttheater, auf Polnisch und mit siebzehn Schauspielern die Posse „Indyk“/„Der Truthahn“ von Sławomir Mrożek auf die Bühne. Es war die Geburtsstunde des Polnischen Theaters Kiel. Doch schon nach drei Aufführungen zeigte sich, dass das polnischsprachige Publikum in Kiel zu klein war, um eine künftige Nachfrage zu gewährleisten. Als sich die Schauspielertruppe daraufhin in alle Winde zerstreute, übernahm Galia die Leitung, die er bis heute ausübt. Seitdem spielt das Theater auf Deutsch. Lange Zeit habe er, so Galia, die deutschen Texte nur auswendig gelernt ohne zu wissen, was er da gerade spricht. 

Nach drei Jahren des Tingelns über verschiedene Bühnen fand das Theater im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses aus den 1920er-Jahren in der Düppelstraße 61a im Kieler Stadtteil Düsternbrook, zwölf Busminuten vom Hauptbahnhof entfernt, sein bis zuletzt bestehendes festes Domizil. Das Publikum hat dem klassischen Zimmertheater begeistert die Treue gehalten, sodass es bis zum 36. Jahr seines Bestehens siebenundachtzig Inszenierungen auf die Bühne gebracht hat und pro Jahr zweitausendfünfhundert Besucher zählt. 1991 wurde Galia als „Mittler zwischen Ost und West“ mit dem von einer Kieler Stiftung verliehenen Friedrich-Hebbel-Preis geehrt, der in Norddeutschland lebende Künstlerinnen und Künstler würdigt, „deren Leistungen über das Durchschnittsmaß hinausgehen“. 1994 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Kiel.

Über die Jahre haben zahlreiche Regisseure, über siebzig Schauspieler, fünfzehn Bühnen‑ und sechzehn Kostümbildner, zahlreiche Musiker, Techniker, Fotografen und Regieassistenten am Theater gearbeitet. Die finanzielle Grundausstattung teilen sich das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Kiel mit (2003) rund 60.000 Euro. Die Theatereinnahmen fließen in den laufenden Betrieb, während die Schauspieler, Techniker und zahlreiche weitere Helfer ohne Gehalt, also ehrenamtlich, arbeiten. Etliche Tätigkeiten waren nur mit Unterstützung durch das Arbeitsamt und die Kieler Beschäftigungs- und Ausbildungsgesellschaft realisierbar. Zahlreiche Inszenierungen konnten nur mit der Kerntruppe um Galia und die Schauspielerinnen Jutta Ziemke und Meike Neumann auf die Bühne gebracht werden. Beide sind seit den Anfangstagen des Theaters dabei, bauten es mit auf und prägten Programm und Erscheinungsbild entscheidend. Ziemke spielte bislang in einunddreißig Produktionen. Neumann, die an der Kieler Schauspielschule studierte, engagierte sich 1983 als erste deutsche Schauspielerin bei dem Theater und ist seitdem vor allem für die Auswahl der Stücke, Dramaturgie, Maske und Kostüme verantwortlich.[4] Seit ihrer schweren Erkrankung springen Kieler Schauspielschülerinnen für sie ein. Als Gäste spielten unter anderem der aus dem Kosovo stammende Schauspieler Astrit Geci, die Duisburgerin Linda Stach, dann Antje Schlaich, die 2016 ihre Ausbildung an der Kieler Schauspielschule abgeschlossen hat, der Kieler Schauspieler Martin Friederichs, die freie Schauspielerin Christina Dobirr, schließlich die von der Hochschule für Musik und Theater in Hannover kommende Elena Schmidt-Arras und die aus Odessa stammende Oleksandra Zapolska. Wenn ein Ensemble-Mitglied ausfällt, werden auch schon mal die Zuwendungen vom Land und der Stadt Kiel gekürzt, was das Theater dann in noch größere Schwierigkeiten stürzt.

 

[3] Internetowa baza filmu polskiego, http://www.filmpolski.pl/fp/index.php?osoba=111508

[4] Christoph Munk: „Ob ich mich richtig freue“, in: Kieler Nachrichten vom 7.5.2003, wieder abgedruckt im Programmheft „Gimpel der Narr“, Polnisches Theater Kiel; Ricarda Richter: „Wie ein besoffenes Baby im Nebel“. Im Polnischen Theater wird Deutsch gesprochen – und aus Leidenschaft gespielt, in:Der Albrecht. Hochschulzeitung an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2016, erneut auf der Webseite des Polnischen Theaters Kielhttps://www.polnisches-theater-kiel.de/presse_2.html

 

Mediathek
  • Die Spielstätte

    Die Spielstätte des Polnischen Theaters Kiel in der Düppelstraße 61a
  • Tadeusz Galia

    Künstlerischer Leiter des Polnischen Theaters Kiel
  • Tadeusz Galia als “Gimpel”

    Tadeusz Galia als Gimpel in dem Stück „Gimpel der Narr“ von Isaac Bashevis Singer
  • Tadeusz Galia als “Gimpel”

    Tadeusz Galia als Gimpel in dem Stück „Gimpel der Narr“ von Isaac Bashevis Singer
  • Tadeusz Galia als “Gimpel”

    Tadeusz Galia als Gimpel in dem Stück „Gimpel der Narr“ von Isaac Bashevis Singer
  • Tadeusz Galia als “Gimpel”

    Tadeusz Galia als Gimpel in dem Stück „Gimpel der Narr“ von Isaac Bashevis Singer