Jan Skala (1889–1945). Enger sorbischer Mitarbeiter des Bundes der Polen in Deutschland
Jan Skala wurde am 17. Juni 1889 im Dorf Nebelschütz (Njebjelčicy) in Ostsachsen geboren. Sein Vater, Jakub Skala, arbeitete in den dortigen Steinbrüchen. Seine Mutter Maria war Hausfrau und verdiente ihren Lebensunterhalt als Schneiderin. Das Paar hatte sechs Kinder (Jan war das dritte). Obwohl es zu Hause nicht viel Geld gab, beschlossen seine Eltern, Jan eine Ausbildung zu ermöglichen. Nach dem Umzug ins benachbarte Panschwitz (Pančic) besuchte der Junge zunächst eine Volkshochschule und anschließend ein Jahr lang das katholische Lehrerseminar in Bautzen. Die schlechte finanzielle Lage der Familie führte jedoch dazu, dass er seine Ausbildung abbrach. Jan erlernte daraufhin den Beruf des Töpfers und Porzellanmalers. In den folgenden Jahren arbeitete er in verschiedenen Keramikfabriken in Deutschland und Böhmen. In dieser Zeit begann er sich für sozialdemokratische Ideen und die sorbische Bewegung zu interessieren.
Seinen Wunsch nach Weiterbildung gab er jedoch nicht auf. Er setzte seine Ausbildung in Abendkursen fort. Noch vor dem Ersten Weltkrieg debütierte er als sozialdemokratischer Publizist und Dichter (seinen ersten Gedichtband veröffentlichte er einige Jahre später, 1920). Jan Skala nahm ab 1916 am Ersten Weltkrieg teil. Er kämpfte in den Reihen der deutschen Armee an verschiedenen Fronten, besuchte aber auch einen Kurs für Übersetzer:innen. In den folgenden Jahren verbesserte er seine Kenntnisse in mehreren slawischen Sprachen. Während des Krieges schrieb er mehrere Reportagen, die jedoch keine für die damalige Propaganda typischen Huldigungen militärischer Aktionen darstellten. Im Jahr 1917 heiratete er eine Berlinerin, Else Maria Lachmann, mit der er drei Kinder hatte: zwei Töchter und einen Sohn. Nach dem Krieg und der Revolution war er kurzzeitig Mitglied einer paramilitärischen Einheit in Berlin, die die Polizei während der inneren Unruhen unterstützte. Bereits 1919 kehrte er jedoch in die Lausitz zurück und engagierte sich politisch und sozial. Er war Mitbegründer der Lausitzer Volkspartei und gab deren Organ, den „Serbski Dźenik“ („Sorbisches Tageblatt“), heraus. Die Volkspartei setzte sich für ein friedliches Zusammenleben von Deutschen und Sorben unter Wahrung der Minderheitenrechte ein (Skala war bis 1933 Mitglied des Parteivorstandes). Andererseits thematisierte er in der Zeitung auch die Probleme der nationalen Minderheiten in Deutschland.
Anfang 1921 begann er in Bautzen eine Zusammenarbeit mit der Zeitung „Serbske Nowiny“ („Sorbische Nachrichten“), die er aber wegen politischer Differenzen bald wieder aufgab. Nachdem er Bautzen verlassen hatte, ging er nach Prag und fand dort eine Anstellung als Redakteur bei der „Prager Presse“, einer tschechoslowakischen deutschsprachigen Regierungszeitung. Während seines Aufenthaltes in Prag im Jahr 1922 verfasste er ein politisches Programm für die Sorben: „Wo serbskich prašenjach“ („Über sorbische Fragen“). Er postulierte die wirtschaftliche Stabilität des sorbischen Landes als Garantie für den Erhalt der sorbischen Sprache und Identität, die durch die Abwanderung in die Städte auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen geschwächt war. Er war Zeit seines Lebens ein loyaler deutscher Staatsbürger und widersetzte sich den Forderungen nach Abtrennung der Lausitz und ihrer Eingliederung in den tschechoslowakischen Staat (wie sie z. B. einige Politiker aus der Region 1919 forderten). Die politischen Elite Prags stand dieser eindeutigen Haltung ablehnend gegenüber. Er beschloss daher nach Berlin zu gehen und dort seine politische, organisatorische und journalistische Tätigkeit für die sorbische Minderheit fortzusetzen.
Von Anfang an arbeitete er mit dem Bund der Polen in Deutschland zusammen, der damals mächtigsten Organisation der größten nationalen Minderheit in Deutschland. Er freundete sich mit führenden polnischen Funktionären an. Zugleich engagierte er sich zunehmend für andere nationale Minderheiten in Deutschland. Im Mai 1925 übernahm er die Redaktion der in Berlin entstandenen Zeitschrift „Kulturwille“ (ab Januar 1926 „Kulturwehr”), die das Organ des 1924 gegründeten Verbandes der nationalen Minderheiten Deutschlands war. In den 1930er Jahren war Skala Vizepräsident der Organisation. Die Zeitschrift wurde bald zu einem wichtigen Forum für den Erfahrungsaustausch zwischen Minderheiten, vor allem Polen, Dänen, Friesen, Litauern und Sorben. 1929 veröffentlichte er zusammen mit dem Dänen Julius Bogensee eine Studie über nationale Minderheiten und ihre rechtliche Stellung in Deutschland (in polnischer und deutscher Sprache). Sie stieß auf großes Interesse, auch international. In den Jahren 1925 und 1927 nahm Skala an den Kongressen der nationalen Minderheiten in Genf teil. 1932 war er der einzige sorbische Kandidat, der bei den preußischen und deutschen Parlamentswahlen aufgestellt wurde. Obwohl er das Mandat nicht gewann, wuchs seine Popularität. Er war ein guter Redner und knüpfte auf seinen vielen Reisen leicht Kontakte.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1933 und der Einführung von Beschränkungen für die Aktivitäten nationaler Minderheiten nahm die Bedeutung der „Kulturwehr” weiter zu. Skala nutzte das Forum der Zeitschrift, um über diskriminierende Praktiken zu informieren, und veröffentlichte umfangreiche Beiträge und Dokumentationen. Auf diese Weise kritisierte er die Rassen- und Nationalitätenpolitik der Nazis gegenüber den nationalen Minderheiten oder anderen ethnischen Gruppen in Deutschland. Er arbeitete auch an einer Sammlung von Daten über die polnische Minderheit mit, die in das „Lexikon des Polentums in Deutschland” eingingen. Eine solche Tätigkeit, die sich zwar noch in den Grenzen des Gesetzes bewegte, erforderte viel Zivilcourage, woran es Skala nicht mangelte. Der Aktivist wurde auf verschiedene Weise schikaniert, seine Wohnung wurde durchsucht und er wurde von der Polizei überwacht. Schließlich strich ihn die Reichskulturkammer 1936 von der Redaktionsliste und zwang ihn so zum Rücktritt. Er erhielt ein Berufsverbot als Journalist und musste sich nach anderen Einnahmequellen umsehen.
Doch trotz der zunehmenden Gefahr stellte Skala seine politische und gesellschaftliche Arbeit nicht ein. Er zog nach Bautzen und setzte seine Aktivitäten für den Bund der Polen in Deutschland und die „Domowina“, den Bund Lausitzer Sorben e. V. fort. Im Januar 1938 wurde er unter dem Vorwurf der „Vorbereitung zum Hochverrat“ vorläufig festgenommen. Bis Oktober war er in Dresden inhaftiert, nach seiner Freilassung wurde er polizeilich überwacht. Während dieser Zeit verschlimmerten sich seine gesundheitlichen Probleme. In den letzten Jahren seines Lebens kämpfte er gegen Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten und verschiedene Schikanen. Lange Zeit konnte er keine feste Anstellung finden, auch seine Frau wurde entlassen. Im Jahr 1941 zog er nach Berlin, wo er bei einem statistischen Verlag angestellt war. Eine große Tragödie war der Tod seines einzigen Sohnes an der Ostfront im Jahr 1943. Nachdem sich die Bombardierung der deutschen Hauptstadt intensivierte, zog er Ende 1943/1944 zur Familie seiner Frau in das Dorf Dziedzice (dt. Erbenfeld) bei Namslau (heute: Namysłów). In dem Dorf lebte die einheimische polnische Bevölkerung Seite an Seite mit den Deutschen. Nach einigen Monaten fand er in Namslau eine Büroarbeit in einem der Industriebetriebe. In dieser Zeit half er mehrmals Pol:innen, die im Untergrund tätig waren.
Jan Skala erlebte den Untergang des Dritten Reiches nicht mehr. Zusammen mit einigen Dorfbewohner:innen verließ er das Dorf im Zuge der Evakuierung nicht, die von den Nazis kurz vor dem Eintreffen der Front durchgeführt wurde. Er wurde am 22. Januar 1945 erschossen, als er versuchte, seine Familie und seine Nachbarn vor den sowjetischen Soldaten zu schützen, die das Dorf besetzt hatten. Er wurde in einem Massengrab auf dem Friedhof im benachbarten Wallendorf (heute: Włochy) beigesetzt, zusammen mit mehreren anderen, die bei diesem Vorfall getötet wurden. Seine Frau und seine Tochter verließen Erbenfeld (heute: Dziedzice) Ende 1945 in Richtung Deutschland.
Dank der Bemühungen des Vereins der Namslauer Heimatfreunde und des Bundes Lausitzer Sorben „Domowina“ wird das Andenken an Jan Skala gepflegt. So wurde 1965 ein ihm gewidmetes, durch den Bautzener Bildhauer Rudolf Enderlein geschaffenes Denkmal in Namysłów enthüllt – auch der Platz mit dem Denkmal trägt seit 1979 seinen Namen. Dank der Zusammenarbeit beider Organisationen wurde auf dem Gemeindefriedhof im Dorf Wallendorf (heute: Włochy) ein ihm gewidmeter symbolischer Grabstein errichtet (eine Exhumierung hat noch nicht stattgefunden). Anlässlich des 120. Geburtstages Skalas wurde 2009 eine wissenschaftliche Konferenz mit dem Titel „Jan Skala (1889-1945) nationaler Aktivist, Publizist und Künstler“ organisiert, und auf einer Säule des Friedhofstors in Włochy wurde eine Informationstafel mit nachstehendem Wortlaut angebracht:
„Hier ruht Jan Skala, sorbischer Nationalaktivist, Publizist, Politiker, Verfechter der polnisch-sorbischen Zusammenarbeit, Dichter und Prosaist.
Jan Skala wurde am 17. Juni 1889 in Nebelschütz (sorb. Njebjelčicy) in der Oberlausitz geboren. Im Jahr 1919 war er Mitbegründer der Lausitzer Volkspartei. Er war Redakteur des „Sorbischen Tageblattes“ (sorb. „Serbski Dźenik“), der „Sorbischen Nachrichten” (sorb. „Serbske Nowiny“) und der „Prager Presse“". Von 1925 bis 1936 war er Chefredakteur des theoretisch-ideologischen Organs des Verbandes der nationalen Minderheiten Deutschlands, das zunächst unter dem Titel „Kulturwille“ und später „Kulturwehr“ erschien. In dieser Zeit war er Mitgestalter der ideologischen Plattform dieser Organisation, nahm aktiv an den Genfer Kongressen der europäischen nationalen Minderheiten teil und arbeitete eng mit dem Bund der Polen in Deutschland zusammen. Sein Debüt als Schriftsteller gab er 1910 in der Zeitschrift „Lausitz” (sorb. „Łužica“). Im Jahr 1920 veröffentlichte er einen Gedichtband mit dem Titel „Krümel” (sorb. „Srjódki“). Im Jahr 1923 erschien ein weiterer Gedichtband von ihm mit dem Titel „Funken“ (sorb. „Škrě“). Er war auch der Autor der Novelle „Der alte Šymko“ (sorb. „Stary Šymko“). Dieses Werk wurde 1936 zum ersten Mal in polnischer Übersetzung veröffentlicht. Ab 1933 stand er unter verstärkter Beobachtung durch die deutschen Behörden, die ihm 1936 das Recht entzogen, als Journalist tätig zu sein. Im Jahr 1938 wurde er verhaftet und verbrachte acht Monate in einem Nazi-Gefängnis. Im Jahr 1944 zog er nach Erbenfeld (heute: Dziedzice) und nahm eine Tätigkeit in Namslau (heute: Namysłów) auf. Während dieser Zeit knüpfte er Kontakte zu den Strukturen der Heimatarmee, die in der Gegend von Namysłów operierten. Am 22. Januar 1945 kam er auf tragische Weise durch die Hand von Soldaten der Roten Armee ums Leben.
Die Gedenktafel wurde anlässlich des 120. Geburtstages des Dichters am 27. Mai 2009 von den Einwohnern der Gemeinde Domaszowice Dziedzice gestiftet".
Krzysztof Ruchniewicz, Juli 2023
Ausgewählte Literatur:
Dan Gawrecki: Jan Skala a Czesi. Przyczynek do biografii, https://www.prolusatia.pl/ksiaznica/artykuly/244-jan-skala-a-czesi-przyczynek-do-biografii.html (letzter Zugriff: 2.08.2023);
Leszek Kuberski: Zarys biografii politycznej, Opole 1993;
Michael Nuck: Jan Skala (Johann Skala), https://saebi.isgv.de/biografie/Johann_Skala_(1889-1945) (letzter Zugriff: 2.08.2023);
Dietrich Scholze-Šołta: Śmierć na Dolnym Śląsku. Tragizm serbołużyckiego pisarza Jana Skali (1889-1945), https://www.prolusatia.pl/ksiaznica/artykuly/245-mier-na-dolnym-lsku-tragizm-serbouyckiego-pisarza-jana-skali-1889-1945.html (letzter Zugriff: 2.08.2023).