Jakob Hirschkorn und Halina Zylberberg: Die Lebenswege einer jüdischen Familie aus Łódź
Heirat im Ghetto
Im Ghetto Litzmannstadt heiratete Jakob Hirschkorn am 13. Juni 1943 Halina (Chaja) Zylberberg, geboren am 30. Oktober 1925 in Łódź. Halina war zunächst in der Feldarbeit eingesetzt und musste dann in einer Fabrik arbeiten, die Schuhe und Stiefel für die Wehrmacht fertigte bzw. reparierte. Später war sie in Radegast, der Bahnstation von Łódź, bei Be- und Entladearbeiten eingesetzt. Hier lernte sie Jakob Hirschkorn kennen, der seit Ende 1941 dort arbeitete. Ende August 1944, nachdem die Deutschen weitere ca. 75.000 Menschen in die Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und Chełmno deportiert hatten, kamen Jakob und Halina ins sogenannte „Aufräumkommando", das die Spuren der Nazis im Ghetto beseitigen sollte. Mitte Januar 1945 überlegten Halina und Jakob, sich bei eisiger Kälte im fast leeren Ghetto zu verstecken oder zu fliehen. In dieser Situation erschien ein SS-Trupp und brachte die beiden und andere ins Gestapo-Gefängnis. Hier befreiten sowjetische Soldaten das Ehepaar wenige Tage später am 19. Januar.
In einem bewegenden Interview berichtete Halina später außerdem, dass ihre Familie nach Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Polen aus ihrer Kolonialwarenhandlung vertrieben und ins Ghetto gebracht wurde. Dort starb ihr Vater 1940 an Unterernährung. Die Nazis deportierten ihren Bruder 1941, ihre Mutter und eine ihrer Schwestern 1944 nach Auschwitz und ermordeten sie dort. Die jüngere Schwester wurde erschossen, als sie einer Mitgefangenen, die ein deutscher Soldat misshandelte, helfen wollte. Nur die ältere Schwester überlebte das KZ Bergen-Belsen und ging nach Buenos Aires.
Zurück in den Trierer Raum
Am 11. Juni 1945 kamen Jakob und Halina Hirschkorn-Zylberberg über Berlin, Leipzig, Halle und Trier nach Wawern. Sie erhielten erst ab November eine kleine finanzielle Unterstützung und Lebensmittelkarten. Da das Elternhaus von Jakob unbewohnbar war, richteten sie es notdürftig wieder her und wohnten in dieser Zeit bei einer befreundeten Familie. Im Entschädigungsverfahren erklärte Jakob später, im Elternhaus seien „Möbel und Gegenstände restlos gestohlen“ worden. Auf Anordnung der französischen Militärregierung musste ein ehemaliger Polizist den Hirschkorns Möbel und Einrichtungsgegenstände herausgeben. 1946 kam Tochter Ruth in Trier zur Welt, drei Jahre später Sohn Remon. Das Leben in den ersten Nachkriegsjahren „war recht armselig“, sagte Jakob Hirschkorn später. Halina arbeitete als Erntehelferin. Die Lage besserte sich etwas, als er eine Handelsgenehmigung für Schuhe und Vieh erhielt.
Entschädigung
Jakob Hirschkorn erhielt 1951 von der Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigung für 39 Monate „Freiheitsentziehung.“ Allerdings verrechnete die Behörde vorher geleistete Zahlungen zum Lebensunterhalt. Für eine schwere Misshandlung im Ghetto durch die SS im Jahre 1943 mit massiven Kopf- und Gesichtsverletzungen erkannte die Kommission eine Erwerbsminderung in Höhe von 30 Prozent an. Keine Entschädigung erhielt Jakob Hirschkorn für die Zwangsarbeit an der Reichsautobahn, weil er keinen schriftlichen Nachweis erbringen konnte. Einen Ausgleich erhielt er jedoch für den erlittenen „Schaden im beruflichen Fortkommen.“ Halina erhielt neben der Haft-Entschädigung für 62 Monate im Ghetto eine Waisen- und eine Erwerbsminderungsrente.