Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern
Piasten
In der Mitte des 10. Jahrhunderts wird auf dem Gebiet des heutigen Großpolen ein dynastischer Herrschaftsverband fassbar, der sich durch ein Netz von (archäologisch nachweisbaren) Burgen und einen ersten schriftlich belegten Herrscher, Mieszko I., manifestiert und der in der Folge unter dem Namen Piasten bekannt wird. Erste territoriale und machtpolitische Erweiterungen sucht Mieszko in Böhmen, wo er eine Herzogstochter heiratet und den christlichen Glauben annimmt. Im Elberaum versucht er die heidnischen Slawenstämme unter seine Gewalt zu bringen. Dadurch gerät er in Konflikt mit den sächsischen Fürsten, die dort ebenfalls ein neues Einflussgebiet sehen. Das Römisch-Deutsche Reich errichtet unter Führung der Ottonen in den östlichen Grenzgebieten neue Bistümer, die auf die Christianisierung des Ostens ausgerichtet sind. Mieszko sucht den Kontakt zu Kaiser Otto I., nimmt Gebiete von ihm als Lehen an und wird schließlich als „Freund des Reiches“ bezeichnet. Um dieses Verhältnis auch verwandtschaftlich zu besiegeln, ehelicht er eine Tochter des brandenburgischen Markgrafen. Auch sein Sohn Bolesław I. Chrobry pflegt die enge Verbindung zum Reich, ist mit Kaiser Otto III. befreundet, erreicht zumindest ideell den Aufstieg in die Riege der europäischen Könige und verbindet sich durch Heiraten gleich zweimal mit den Markgrafen von Meißen. Dorthin verheiratet er auch seine Tochter Reglindis. Seinen Sohn Mieszko II. Lambert gibt er einer Nichte Ottos III. zur Frau.
Die wechselseitigen Eheverbindungen dienen vorrangig dem Friedenserhalt und dem Einfluss- und Machtgewinn in den engeren Kontaktgebieten zwischen Polen und dem Reich. Zugleich streben die Piasten durch die neuen Verwandtschaftsverhältnisse aber auch eine Gleichstellung mit den deutschen Königen an. Durch die neu geschlossenen Eheverbindungen kommt es zu einem regen, gegenseitigen Kulturaustausch. Außerdem versuchen die Piasten laufend, ihren Einflussbereich durch Feldzüge und Heiraten auf Böhmen, Ungarn und Kiew auszudehnen. Władysław I. Herman gelingt an der Wende zum 12. Jahrhundert erneut eine hochrangige Heirat, indem er die Schwester Kaiser Heinrichs IV. ehelicht. Unter seinem Sohn Bolesław III. Schiefmund, der eine schwäbische Grafentochter zur Frau nimmt und seine zahlreichen Kinder in europäische Fürstenhäuser verheiratet, löst sich der piastische Herrschaftsverband 1138 in eine Senioratsverfassung auf. Seine Söhne, jetzt Herzöge von Masowien, Großpolen und Schlesien, setzen die Heiratspolitik des Vaters fort und verheiraten zwei weitere Schwestern nach Meißen und Brandenburg. Durch die Aufteilung der polnischen Herrschaft sind erneut die näheren Grenzgebiete zum Römisch-Deutschen Reich in den Fokus der Friedenssicherung gerückt.
Um 978 Mieszko I. (um 930/45-992), erster Herzog aus der Dynastie der Piasten, heiratet Oda von Haldensleben/Oda Dytrykówna (um 965-1023), Tochter von Dietrich von Haldensleben (†985), Markgraf der Nordmark
984 Bolesław I. Chrobry (967-1025), später Herzog und erster König von Polen, heiratet eine Tochter von Rikdag II. (†985/86), Markgraf von Meißen
1002 Regelinda/Reglindis (um 989-1016), Tochter von Bolesław I. Chrobry (967-1025), König von Polen, heiratet Hermann I. (um 980-1038), später Markgraf von Meißen
1013 Mieszko II. Lambert (990-1034), später König von Polen, heiratet Richeza von Lothringen/Rycheza Lotaryńska (um 996-1063), Tochter von Ezzo (um 955-1034), Pfalzgraf von Lothringen
1018 Bolesław I. Chrobry (967-1025), erster König von Polen, heiratet Oda von Meißen/Oda Miśnieńska (†1018), Tochter von Ekkehard I. (†1002), Markgraf von Meißen
1088 Władysław I. Herman (um 1043-1102), Herzog von Polen, heiratet in dritter Ehe Judith von Schwaben (Judith von Ungarn, 1047/54-nach 1105)/Judyta Salicka, Judyta Maria Szwabska, Tochter von Heinrich III. (1016/17-1056), Kaiser des Römisch-Deutschen Reiches
1115 Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), Herzog von Polen, heiratet Salome von Berg/Salomea z Bergu (um 1099-1144), Tochter des Grafen Heinrich I. von Berg (†1116)
vor 1118 Adelajda/Adelheid (1090/91-1127), Tochter von Władysław I. Herman (1044-1102), Herzog von Polen, heiratet Diepold III. von Vohburg (1075-1146), Markgraf auf dem Nordgau und von Nabburg, Vohburg und Cham
um 1142 Dobroniega Ludgarda/Luitgard, Lukardis (1128/1135-1160), Tochter von Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), Herzog von Polen, heiratet Dietrich von Meißen, später Dietrich II., Markgraf der Lausitz, von Landsberg und Eilenburg (um 1125/42-1185)
1148 Judith/Judyta Bolesławówna (1130/35-1171/75), Tochter von Bolesław III. Schiefmund/Bolesław III Krzywousty (1086-1138), Herzog von Polen, heiratet Otto I., später Markgraf von Brandenburg (1125/26-1184)