Dynastische Hochzeiten zwischen polnischen und deutschen Fürstenhäusern Piasten: Um 978 Mieszko I.
Um 978 Mieszko I. (um 930/45-992), erster Herzog aus der Dynastie der Piasten, heiratet Oda von Haldensleben/Oda Dytrykówna (um 965-1023), Tochter von Dietrich von Haldensleben (†985), Markgraf der Nordmark
Mieszko erbt um 950/60 von seinen Vorfahren, von denen nur mythologisch verklärte Erzählungen aus späterer Zeit berichten, eine zentral und dynastisch organisierte Herrschaft über ein Gebiet, dem heute etwa Großpolen entspricht und in dem in dieser Zeit ein Netz von Burgen entsteht. Der Ursprung der frühpiastischen Herrschaft liegt offenbar im Hochland von Gnesen/Gniezno. Ein „Stamm“ der Polanen, der nach älterer Überzeugung in dieser Landschaft gelebt und den Mieszko angeführt haben soll,[1] wird in zeitgenössischen Quellen nicht erwähnt und hat daher nach neuerer Forschung vermutlich nicht existiert. Die Bezeichnungen Polani oder Poloni, von der sich Polen ableitet, erscheint in den schriftlichen Quellen erst um das Jahr 1000.[2] Der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey[3] erwähnt Mieszko erstmals für die Jahre 962/63 im Zusammenhang mit erfolglosen Feldzügen gegen die östlich der Elbe siedelnden slawischen Redarier und den sächsischen Markgrafen Gero. Für Widukind ist Mieszko ein rex, also ein König oder Herrscher mit beträchtlicher Macht. Und auch der 965 im Auftrag des Kalifen von Córdoba an den Hof Kaiser Ottos I. entsandte jüdische Kaufmann Ibrahim ibn Yaqub sieht in ihm einen mächtigen „König des Nordens“, dessen Herrschaft sich über das größte aller slawischen Gebiete erstreckt. Wie die Piasten-Dynastie unter Mieszko zur Herzogswürde gelangt ist, wissen auch spätere Chronisten nicht zu begründen.[4]
Da Mieszkos Versuche erfolglos sind, Gebiete jenseits der Grenzen zum Römisch-Deutschen Reich zu erobern, sucht er nach anderen Möglichkeiten der Einflussnahme. 964 erkennt er die Oberherrschaft Ottos I. an und zahlt fortan Tribut über das Lebuser Land, möglicherweise auch über den gesamten piastischen Herrschaftsbereich.[5] Widukind bezeichnet ihn als „amicus imperatoris“, also als Freund oder Vertrauten des Kaisers.[6] Gleichzeitig schließt er ein Bündnis mit dem böhmischen Herzog Boleslav I. Die in Gnesen und später in Krakau geführten (und nur durch zeitgenössische deutsche Jahrbücher überlieferten) Annalen des ersten Bischofs von Polen, Jordanes (Jordanes-Annalen/Rocznik Jordana), berichten für das Jahr 965, dass Mieszko Boleslavs Tochter Dubrawka/Dobrawa Przemyślidka (†977) geheiratet hat („Dobravka venit ad Miskonem“). Voraussetzung dafür ist die christliche Taufe, die er 966 vollzieht („Mesko dux baptizatur“).[7] Als Orte dafür kommen Prag, Regensburg, Posen oder Gnesen infrage, aber auch Ostrów Lednicki, eine Insel im Lednica-See/Jezioro Lednica mit einer Pfalz der Piasten, von der die Christianisierung Polens ausgeht.[8] Seiner Ehe mit Dubrawka entstammen die Tochter Świentosława/Sigrid die Stolze (*um 965), spätere Ehefrau der dänischen Könige Erik Segersäll und Sven Gabelbart, und der Sohn Bolesław I. (*967, „Boleslaus Magnus natus est“). Anlässlich des Osterfests 973 nehmen Mieszko oder seine Gesandten in Begleitung des sechsjährigen Bolesław[9] zusammen mit Magnaten und Abordnungen aus Böhmen, Ungarn, Bulgarien, Dänemark, Italien, Griechenland und Spanien am Hoftag Ottos I. auf der Burg Quedlinburg teil. Das piastische Polen ist „schon zu dieser Zeit fest in die mitteleuropäische Politik und das Machtsystem des Reichs einbezogen“.[10]
[1] „Dieses Reich war von den Polanen gegründet worden, einem der vielen Stämme, die im 9. und 10. Jahrhundert das Oder- und Weichselgebiet bewohnten. […] Sie ermöglichten die Errichtung einer starken königlichen Macht …“ Michałowski 2006 (siehe Literatur), Seite 55
[2] „Daraus ist neuerdings mit einiger Berechtigung der Schluss gezogen worden, dass die Bezeichnung Poloni eher das Produkt der um das Jahr 1000 vollendeten piastischen Reichsgründung gewesen sei und nicht als ursprünglicher Name jener Gentilgruppe angesehen werden könne, von der dieser Prozess um die Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert seinen Ausgang genommen hat.“ (Mühle 2011, siehe Literatur, Seite 14)
[3] Widukindus monachus Corbeiensis (Widukind von Corvey): Sächsische Geschichte in drei Büchern (Rerum gestarum Saxonicarum libri tres), um 967-973; vergleiche Bayerische Akademie der Wissenschaften, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, https://www.geschichtsquellen.de/werk/4719
[4] Mühle 2011 (siehe Literatur), Seite 10-14. Vergleiche auch Igelbrink 2017 (siehe Literatur), Seite 13
[5] Vergleiche Kersken/Wiszewski 2020 (siehe Literatur), Seite 29, 130
[6] Ebenda, Seite 28
[7] Vergleiche Gerard Labuda: Jeden czy dwa roczniki niemieckie u podstaw polskiego rocznikarstwa?, in: Studia Źródłoznawcze 39, Warschau 2001, Seite 17
[8] Mühle 2011 (siehe Literatur), Seite 18 f. Zur christlichen Taufe Mieszkos I. vergleiche auch die Einschätzung von Roman Michałowski 2006 (siehe Literatur), Seite 56: „Kaum zu bezweifeln ist, dass die christliche Welt auf die heidnischen Herrscher einen großen Einfluss ausübte durch ihren Reichtum, ihre Militärmacht und ihre kulturelle Überlegenheit. Daher wohl auch der Wunsch, in diese Welt einzutreten und ihr ähnlich zu sein. Die Grundbedingung für das Erreichen dieses Ziels war die Annahme der Religion, die in dieser Welt herrschte.“ Tomasz Jurek: O czasie i okolicznościach chrztu Mieszka, in: Roczniki Historyczne 81, Warschau 2015, Seite 35-56, nimmt als mögliche Orte und Zeiten für Mieszkos Taufe Magdeburg im Sommer 965 oder Quedlinburg zu Ostern 966 an.
[9] Die rund einhundert Jahre später entstandenen Altaicher Annalen (Jahrbücher von Niederaltaich, Annales Altahenses, um 1075) berichten, Mieszko habe seinen Sohn Bolesław, „vom Schrecken gepackt“, als Geisel geschickt („Miszego etiam dux Sclavienus, terrore compulsus, filium mittit obsidem.“) Vergleiche Althoff 2006 (siehe Literatur), Seite 5, Anmerkung 6; zu den Altaicher Annalen vergleiche Bayerische Akademie der Wissenschaften, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, https://www.geschichtsquellen.de/werk/177
[10] Kersken/Wiszewski 2020 (siehe Literatur), Seite 29