Das polnisch-jüdische Bethaus in Remscheid 1928–1933
Das polnisch-jüdische Bethaus an der Bismarckstraße sollte nur für wenige Jahre als religiöses Zentrum dienen. Als nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 reichsweit das Gewerkschaftsvermögen beschlagnahmt wurde, zogen im Remscheider Volkshaus NS-Organisationen ein und das Bethaus musste aufgegeben werden.[10] Die orthodoxen Remscheider Juden trafen sich daraufhin in privaten Beträumen zum Gottesdienst. Die zunehmende Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung traf auch die polnischen Juden, die von der NS-Propaganda als „Ostjuden“ oder „Stinkjuden“ besonderer Hetze ausgesetzt waren. Es waren die jugendlichen Kinder dieser Familien, die Remscheid mit Unterstützung zionistischer Organisationen bereits 1933 in Richtung Palästina verließen. Viele der aus Osteuropa Eingewanderten hatten ihre Kinder auf weiterführende Schulen geschickt und sahen nun für sie keine Zukunft mehr in Deutschland. Da ihnen die finanziellen Mittel für eine Ausbildung ihrer Kinder im Ausland fehlten, stellte Palästina die einzige Alternative da. Der Mangel an Rücklagen - die meisten betrieben kleine Etagengeschäfte, die gerade den Lebensunterhalt sicherten - war auch der Grund, dass die ältere Generation und die kleinen Kinder in Deutschland blieben, weil die Kosten für eine Emigration nicht aufgebracht werden konnten. Hinzu kam, dass sie kaum Aussicht auf Visa für das westliche Ausland hatten, da die Quote für polnische Staatsbürger, so z. B. für die USA, sehr gering war.[11]
Im Herbst 1938 wurden die polnisch-jüdischen Migranten völlig unvorbereitet Opfer einer neuen politischen Entwicklung. Um einer Massenausweisung polnischer Juden aus dem Deutschen Reich zuvor zu kommen, verfügte die polnische Regierung Anfang Oktober 1938 in einem Erlass, dass allen polnischen Staatsbürgern, die länger als fünf Jahre ununterbrochen im Ausland lebten, die Staatsbürgerschaft entzogen werden sollte, wenn sie nicht bis zum 30.10.1938 bei den für sie zuständigen polnischen Konsulaten einen Kontrollvermerk im Pass erwirkt hatten. Als Berlin von diesem Erlass erfuhr, erhielten bald darauf tausende polnischer Juden ab dem 27. Oktober 1938 einen Ausweisungsbefehl aus dem Deutschen Reich, binnen weniger Stunden wurden sie verhaftet und entweder zu Fuß oder in Sammeltransporten über die polnische Grenze abgeschoben. Von dieser als „Polenaktion“ bezeichneten Massendeportation waren reichsweit zwischen 15.000 und 17.000 Menschen betroffen.[12]
[10] Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, die Fläche nach dem Krieg neu bebaut. Mündliche Auskunft von J. Bielstein, Remscheid.
[11] Bilstein, Juden in Remscheid, S. 89. Ders. Ostjuden in Remscheid, S. 54-55.
[12] Tomaszewski, Jerzy: Auftakt zur Vernichtung, S. 100-144. Tomaszewski, Jerzy.: Przystanek Zbąszyń.