Louis Lewandowski (1821–1894)

Louis Lewandowski
Louis Lewandowski, ca. 1880

Louis (Lazarus) Lewandowski wurde am 3. April 1821 in der Kleinstadt Wreschen (Września) in der Provinz Posen geboren. Obschon Posen seit der Zweiten Teilung Polens (1793) durch Preußen annektiert war, wurde das Leben der ortsansässigen Juden weiterhin durch die polnisch-jüdischen Traditionen bestimmt. Lewandowski wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Verdienst seines Vaters als Synagogendiener und Hilfskantor in Wreschen reichte kaum, um die große Familie zu ernähren. Lewandowski erhielt die traditionelle jüdische Bildung, die vor allem in der Vermittlung jüdischen Rechts und dem Studium des Talmuds bestand. Da Louis Lewandowski seinen Vater beim Synagogendienst als Hilfssänger unterstützte, war er mit den jüdischen liturgischen Gesängen bestens vertraut.

Nach dem Tod seiner Mutter verließ Lewandowski – wie so viele seiner osteuropäischen Altersgenossen – mit nur zwölf Jahren seine Familie und ging nach Berlin, um seinen Lebensunterhalt nun selbst zu verdienen. Nach kurzer Zeit fand er bereits Anstellung in der jüdischen Gemeinde Berlins. Der Gemeindekantor Ascher Lion engagierte ihn im Chor der Synagoge Heidereutergasse als „Singerl“. Zu dieser Zeit wurde der Gesang des Kantors im jüdischen Gottesdienst durch zwei Assistenten (Meschorer) begleitet, dem „Singerl“ mit hohem Sopran und einer Bassstimme. Die Gemeinde ermöglichte Lewandowski den Besuch des Gymnasiums und sorgte für seinen Lebensunterhalt. Anders als in seiner Wreschener Heimatgemeinde, in der die jüdische Gemeinschaft ein von ihrem christlichen Umfeld weitgehend abgeschottetes Dasein führte, hatten die Berliner Juden Zugang zur kulturellen Führungsschicht der Residenzstadt – in den jüdischen Salons und Häusern verkehrte die intellektuelle Elite Preußens. Unerwartet erhielt auch Lewandowski Zugang zu dieser für ihn völlig neuen Kulturwelt. Sein Lehrer, der berühmte Hebraist Salomon Plessner, machte ihn mit Alexander Mendelssohn bekannt, einem Enkel des großen jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn und Cousin Felix Mendelssohn Bartholdys. Im Hause Mendelssohn waren die bekanntesten Musiker Berlins zu Gast und der junge Lewandowski erhielt durch die zahlreichen Konzerte und Gespräche die Möglichkeit seinen bisherigen Horizont beträchtlich zu erweitern. Der gesellschaftlich wie sozial engagierte Bankier Alexander Mendelssohn erkannte bald das außerordentliche musikalische Talent Lewandowskis und finanzierte ihm einen soliden Klavier- und Violinunterricht.

Da im reaktionären Preußen an die Aufnahme des Juden Lewandowski in die renommierte Akademie der Künste nicht zu denken war, beschränkte sich seine weitere Ausbildung in den folgenden zwei Jahren auf musiktheoretische Studien: So hörte er etwa an der Berliner Universität Vorlesungen zur Formen- und Harmonielehre sowie zum Kontrapunkt bei Adolf Bernhard Marx[1]. Durch die Fürsprache Alexander Mendelssohns erhielt Lewandowski schließlich doch die Möglichkeit an der Aufnahmeprüfung der Akademie teilzunehmen. Die Qualität seiner Kompositionsproben war so überzeugend, dass er sich entgegen aller Widerstände als erster Jude an der Akademie der Künste immatrikulieren konnte. Lewandowskis Weg in der Akademie begann verheißungsvoll. Er studierte bei exzellenten Gelehrten wie Karl Friedrich Rungenhagen, einer der einflussreichsten Figuren des damaligen Berliner Musiklebens.[2] Alles deutete darauf hin, dass vor ihm eine glänzende Karriere als Komponist weltlicher Musik klassischer europäischer Tradition lag.

 

[1] Zu Marx siehe: Siegfried, Wirken.

[2] Dass Lewandowski auch von August Eduard Grell unterrichtet wurde und seine Kompositionen mehrfach durch die Akademie der Künste prämiert worden seien, wie bei Friedmann, Lebensbilder S. 5 und später auch bei Nachama / Stähr, Revolution S. 245 angeführt, kann nicht zweifelsfrei belegt werden. Siehe auch Nemtsov / Simon, Lewandowski S. 26.

Mediathek
  • Anonymus: Louis Lewandowski

    Porträt in der ständigen Ausstellung des Jüdischen Museums in Berlin, Öl auf Leinwand.
  • Sonderbriefmarke der DDR-Post

    Ausgabe vom 18.09.1990, Wert 30 Pfennig.
  • Kol Rinnah u-T’fillah

    Titelblatt des Zyklus' von Kompositionen für die musikalische Gestaltung des Gottesdienst.
  • Gedenktafel in Września

    Louis Lewandowskis polnische Heimatstadt.
  • Das Grab von Louis und Helene Lewandowski

    In der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee.
  • Louis Lewandowski - Hörspiel von "COSMO Radio po polsku" auf Deutsch

    In Zusammenarbeit mit "COSMO Radio po polsku" präsentieren wir Hörspiele zu ausgewählten Themen unseres Portals.