Bozena Badura. Expertin für deutschsprachige Gegenwartsliteratur

An ihr erstes Buch kann sich Bozena Badura zwar nicht mehr erinnern. Wann ihre Leidenschaft für Bücher begonnen hat, dafür umso mehr. „Meine ersten Leseerfahrungen reichen in meine Kindheit und frühe Jugend zurück, als ich die Schulbibliothek leer gelesen habe und auf dem Gymnasium irgendwann sogar aus den privaten Beständen des Schulbibliothekars beliefert wurde“, erzählt die heutige Literaturkritikerin. Dabei haben es ihr vor allem zwei Werke angetan, die sie nachhaltig geprägt haben. Ihren Forscherdrang weckte demnach die hauptsächlich in den 1960er und 70er Jahren erschienene Romanserie „Pan Samochodzik“ von Zbigniew Nienacki, eine polnische Variante von „The Da Vinci Code“ von Dan Brown. Ihre Neugier auf die Welt rief wiederum „Słoneczniki“ von Halina Snopkiewicz hervor: ein in Form eines Tagebuchs geschriebener Coming-of-Age-Roman, der u.a. eine Reise nach Australien und die Begegnung mit einer fremden Kultur thematisiert.
Bozena (Bożena) Anna Badura selbst wuchs zwischen den Kulturen auf. Geboren wurde sie 1978 in Tarnowskie Góry in der polnischen Woiwodschaft Katowice (heute Woiwodschaft Schlesien). Ihre Familiengeschichte ist aufgrund der geopolitischen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg fest mit Deutschland verwoben. „Denn meine Großeltern, als Deutsche geboren, gehörten zu denen, die sich damals dazu entschlossen haben, nicht in den Westen zu fliehen“, erzählt sie. „Doch während das Bewusstsein für die deutsche Abstammung in unserer Großfamilie sehr präsent war, blieb Deutsch ausschließlich die Geheimsprache meiner Großeltern und verschwand mit ihrem frühen Tod zunächst aus meinem Leben.“
Verliebt in Goethes Faust
Die deutsche Sprache lernte Bozena Badura dann nach der 8. Klasse und später im Studium. Das Land ihrer Vorfahren besuchte zum ersten Mal im Jahr 2000, kurz vor ihrem Bachelorabschluss. Noch heute schwärmt sie: „Auch wenn mir die Sprache zunächst schwerfiel, las ich die im Studium durchgenommenen Werke mit Leidenschaft im Original und verliebte mich schlagartig in Goethes ‚Faust I‘, einen Text, dessen Einzigartigkeit ich erst nach einigen Jahren und mehrfacher Lektüre wirklich begreifen konnte.“
Als die spätere Literaturkritikerin dann im Sommer 2003 als Erasmus-Studentin für zwei Semester nach Ludwigshafen kam, konnte sie ihre Leidenschaft für diese Sprache und deren Literatur zum ersten Mal im Alltag ausleben. „Eine Erfahrung mit Folgen, denn schon zwei Jahre später packte ich meine Siebensachen und wanderte pünktlich zur WM in Deutschland und mit der Absicht, in der deutschen Literaturwissenschaft zu promovieren, ein.“
Gesagt, getan: 2013 wurde Bozena Badura schließlich an der Universität Mannheim mit der Arbeit „Normalisierter Wahnsinn? Aspekte des Wahnsinns im Roman des frühen 19. Jahrhunderts“ promoviert. Rezensionen und Beiträge von ihr sind in den Folgejahren in zahlreichen Publikationen erschienen. Darin behandelte sie historische und zeitgenössische Literatur – vor allem aus Deutschland und Polen – ebenso wie literaturhistorische Themen.
Einen Verlust musste Bozena Badura in ihren Anfangsjahren in Deutschland jedoch hinnehmen. „Die erste offizielle deutsche Urkunde wurde mir vor sehr vielen Jahren ohne Punkt ausgestellt“, berichtet sie und meint damit das „ż“ in der polnischen Schreibweise ihres Namens. In ihrem Ausweis wurde es einfach unterschlagen. „Erst als ich geheiratet habe, ist es der Mitarbeiterin im Standesamt aufgefallen, dass in meiner Geburtsurkunde über dem ‚z‘ ein Punkt steht.“ Statt alle Ausweise zu ändern, erhielt sie eine Namensänderung von Bożena auf Bozena. „Ich führe also die polnische Aussprache, aber aus praktischen Gründen keinen Punkt mehr.“