Der Polnische Pavillon der NordArt 2022
Die NordArt im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf unweit von Rendsburg wird 2022 zum 23. Mal auf dem Gelände der historischen Eisengießerei gezeigt, die heute unter dem Namen Kunstwerk Carlshütte für Kulturevents aller Art dient. Die jurierte Kunstausstellung, als deren Chefkurator der Initiator und Mitbegründer von 1999, Wolfgang Gramm, fungiert, zieht jährlich über 100.000 Menschen an. In jedem Jahr gibt es einen Länderschwerpunkt, der von auswärts kuratiert wird. Kurator des Polnischen Pavillons ist Professor Jan Wiktor Sienkiewicz, Leiter des Instituts für die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa und in der Diaspora (Katedra Historii Sztuki XX w. w Europie Środkowej in na Emigracji) an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruń und Mitglied des Programmrats des Nationalen Instituts für Polnisches Kulturerbe im Ausland in Warschau. Dieser spezielle Teil der NordArt steht unter der Schirmherrschaft des Generalkonsuls der Republik Polen in Hamburg, Paweł Jaworski.
Plastik und Bildhauerei
Auffällige Fixpunkte der Ausstellung werden von der Bildhauerei und der plastischen Kunst besetzt. Schon im Bereich vor und am Eingang zum Polnischen Pavillon überrascht Sylwester Ambroziak (*1964 Łowicz), Absolvent der Fakultät für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Warschau bei Prof. Grzegorz Kowalski, mit der monumentalen Figurengruppe „Kneeling“ (2011, Abb. 1) aus Epoxidharz und der neueren zweiteiligen Gruppe „Innocence“ (2020, Abb. 2). Seine kindlich wirkenden Puppenfiguren sind von Comic und Science Fiction inspiriert und befinden sich meist im Kampf mit der Wirklichkeit.
In allen Bereichen der Ausstellung sowie in einem eigenen Kabinett zeigt Michał Jackowski (*1978 Białystok), der die Warschauer Kunstakademie mit einem Magisterdiplom abschloss und in Białystok lebt und arbeitet, 14 Marmorskulpturen und Bronzeplastiken. In Arbeiten von hoher bildhauerischer Qualität, die in antiken Traditionen wurzeln, verbindet er klassisches Formrepertoire mit modernen Elementen der Pop Art. Auf diese Weise regt er an, über klassische Werte und Konsum, gesellschaftliche Verwerfungen, menschliche und materielle Beziehungen sowie Vergangenheit und Gegenwart nachzudenken. (Abb. 3, 4)
Der Konkreten Kunst, die ihre Wurzeln vom Konstruktivismus herleitet, sind zwei Künstler zuzurechnen. Jan de Weryha-Wysoczański, der 1950 in Danzig geboren wurde und nach einer handwerklichen Ausbildung auch dort studierte, gehört sowohl in Polen als auch im Hamburger Raum, wo er seit 1981 lebt und ein inzwischen museal zugängliches Atelier betreibt, zu den arrivierten und geschätzten Bildhauern. Mit seinen geometrisch strukturierten Arbeiten in Holz fügt er dem strengen System der Konkreten Kunst neue Möglichkeiten der Wahrnehmung und sinnlichen Erfahrung des natürlichen Materials hinzu, das er Ende der 1990er-Jahre für seine Arbeit entdeckte. (Abb. 5, 6)
Janusz Kapusta, der 1951 unweit von Warschau geboren wurde und dort Architektur und Philosophie studierte, arbeitet in zahlreichen grafischen Techniken, schafft Gemälde und entwirft Filmsets. 1981 wanderte er nach New York aus, wo seine Arbeiten in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden. Seine Entdeckung eines elfseitigen Polyeders mit dem Namen „K-dron“, das in Polen zu einem staatlich verwendeten Logo avancierte, und neue Erkenntnisse zum Goldenen Schnitt verschafften dem Künstler Weltgeltung. Die von ihm gezeigten Acrylreliefs (Abb. 7) in strenger Geometrie beziehen sich auf geografische Situationen in New York.
Zu den Highlights der polnischen Kunst gehören die Werke der 2017 verstorbenen und seit langem als Klassikerin zu bewertenden Bildhauerin, Textil- und Installationskünstlerin Magdalena Abakanowicz (*1930 Falenty), die mit einem textilen Objekt, einem frühen aus Sisal gefertigten Wandbehang aus Privatbesitz, vertreten ist. Berühmt wurde die Künstlerin seit den 1960er-Jahren mit riesigen, amorphen, frei hängenden Textilplastiken und seit dem folgenden Jahrzehnt entstandenen großen Gruppen aus kopflosen Figuren, die Abakanowicz aus Bronze oder Sackleinen mit Kunstharz fertigte. Die Künstlerin lehrte von 1965 bis 1990 an der 2021 nach ihr benannten Universität der Künste in Poznań sowie als Gastprofessorin in den USA. Ihre Arbeiten werden weltweit von bedeutenden Museen gesammelt und ausgestellt. (Abb. 8)