Posmysz, Zofia

Zofia Posmysz in den 1960er Jahren
Zofia Posmysz in den 1960er Jahren

Ten sam doktor M. [Derselbe Doktor M.]  (1981) 

In Auschwitz traf ich Menschen, von denen ich ohne Zweifel sagen kann, dass sie heilig waren. Meines Erachtens ist dies das einzige wertvolle Thema, über das ich noch schreiben könnte.[3] 

Der moralische Imperativ in den literarischen Werken von Zofia Posmysz, Zeugnis abzulegen, besteht oft in der Erinnerung an die Personen, die ihr im Lager Hilfe und Unterstützung angeboten haben. In der Titelgeschichte „Derselbe Doktor M.“ des aus drei Erzählungen bestehenden Werkes zeichnet die Autorin das Porträt ihres Mithäftlings Janusz Mąkowski, der Arzt im Lagerkrankenhaus war, in dem Zofia Posmysz während der Typhusepidemie unterkam, so dass es ihr gelang, dem Tod zu entkommen. 

 

Chrystus oświęcimski [Christus von Auschwitz] (2011)

Wir saßen über das Buch gebeugt, Kopf an Kopf, in einer Nähe, die dem Regelwerk spottete, die an diesem Ort unvorstellbar war, die nur in der Erinnerung der anderen Welt vorkam. Wir sprachen nicht miteinander, die Anwesenheit der Kapo Berta ließ uns auf der Hut sein. Zwei rasche Blicke auf den Lehrer bemerkten ein Gesicht mit strengen, markanten Zügen, tief eingebetteten, aufmerksamen, aber auch gütigen Augen. Und auch die Nummer auf dem gestreiften Kleidungsstück. Dreiziffrig: 329.[4]

Tadeusz Paolone führte Zofia Posmysz im Lager in die Buchhaltung ein. So entstand eine innige Bindung zwischen ihnen. Nach drei Tagen schenkte er ihr ein kleines Christus-Medaillon mit der Jahreszahl 1943, das heimlich von den Werkstattarbeitern in Auschwitz angefertigt worden war. 

Tadeusz Paolone war Hauptmann der polnischen Armee und wurde im Oktober 1943 wegen seiner Teilnahme an einer Konspiration im Lager erschossen. Das Medaillon, das im Lager im Schuh, in den eng zusammengesteckten Haaren oder, bei strengen Durchsuchungen, gar im Mund versteckt wurde, begleitet Zofia Posmysz bis heute.

Die Erzählung wurde von der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz auf Polnisch und Deutsch herausgegeben. Zofia Posmysz ist ein häufiger Gast dieser Einrichtung. Sie führt dort Workshops und Treffen mit Jugendlichen. 

 

Do wolności, do śmierci, do życia [Zur Freiheit, zum Tod, zum Leben]  (1996)

Anfangs gingen wir von Deutschland nach Poznań zu Fuß. Erst dort bestieg ich einen Zug. Unsere Gruppe zerstreute sich. Nach Kraków gelangte ich über Katowice. Es waren Güterzüge, was denn sonst. Meine Eltern hatten ein Haus in Prokocim. Ich stieg nachts aus dem Zug, an der Bahnhofsstation in Bieżanów [am Stadtrand von Kraków]. Von dort aus folgte ich den Gleisen. Es war Nacht und ich war alleine. Ich hatte vor allem Angst. Als ich ankam, brannte Licht im Haus, Mutter hat noch nicht geschlafen. Ich traf sie auf einem Schemel vor dem Ofen an. Sie buk Reibekuchen auf dem Blech, die Arme. Es gab kein Fett. Mutter schaute mich ungläubig an und sagte: „Wie groß du geworden bist”. Mein jüngerer Bruder weinte. Ein achtzehnjähriger Junge, der weinte. Das habe ich nie vergessen.[5]

Das Buch „Zur Freiheit, zum Tod, zum Leben“ komplettiert die Erinnerungen des Krieges. Es greift ein seltenes Thema auf – die Wiedererlangung der Freiheit, die Rückkehr in die Heimat und die Aufnahme eines neuen Lebens. Zofia Posmysz verbrachte die letzten Wochen des Krieges im Lager Neustadt-Glewe. Das deutsche Aufsichtspersonal verließ das Lager vor dem Einzug der amerikanischen Armee am 2. Mai 1945. Zofia Posmysz stellt in dieser autobiographischen, sehr realistischen Geschichte die dramatischen Erlebnisse einer Gruppe von Gefangenen in den Mittelpunkt, die sich zu einem langen, gefährlichen Fußmarsch in ihre Heimat entschließen.

 

Magdalena Mazik, Februar 2017

 

[3] Zofia Posmysz für „Culture.pl“.

[4] Zofia Posmysz, Chrystus oświęcimski, Stiftung für die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz, Konrad-Adenauer-Stiftung, Warschau 2014.

[5] Zofia Posmysz im Interview für „Gazeta Wyborcza“ vom 17.10.2016.