Posmysz, Zofia

Zofia Posmysz in den 1960er Jahren
Zofia Posmysz in den 1960er Jahren

Werke von Zofia Posmysz mit ‚Lagerthemen‘

 

Pasażerka [Die Passagierin]

1959 schrieb Zofia Posmysz ein Hörspiel unter dem Titel „Pasażerka z kabiny 45“ [Die Passagierin aus Kabine 45]. Ein Jahr später entstand auf dieser Grundlage ein Fernsehtheaterstück. Zudem schrieb Zofia Posmysz mit dem Regisseur Andrzej Munk das Drehbuch zu dem Film „Die Passagierin“. Die Arbeiten am Film wurden dann durch den Tod des Regisseurs (1961) unterbrochen. Die Diskussion über die Zukunft des unvollendeten Films gab Zofia Posmysz den Anstoß, derPassagierin“ die Form eines Romans zu geben. Das Buch erschien 1962. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt. 

Die Ereignisse des Romans „Die Passagierin“ werden aus der Perspektive der ehemaligen deutschen KZ-Aufseherin erzählt. Die Handlung spielt auf dem Schiff, mit dem das Ehepaar Lisa und Walter aus Europa nach Amerika reist. Lisa glaubt, unter den Reisenden die ehemalige Gefangene Marta entdeckt zu haben, die in ihrem Arbeitskommando war. In ihrem Schreck erzählt sie ihrem Mann von ihrer Vergangenheit, während sie versucht, ihre eigenen Taten zu entschuldigen.

In dem von Andrzej Munk abgedrehten Teil des Films „Die Passagierin“ weichen die Worte den Bildern. Als der Regisseur starb, lagen nur die Lageraufnahmen vor. Bei der Fortsetzung der Dreharbeiten durch das Team unter der Leitung von Witold Lesiewicz wurden Fotos und Kommentare verwandt, statt die fehlenden Szenen nachzudrehen. Als der Film 1963 bei den Filmfestspielen in Cannes den Kritikerpreis FIPRESCI erhielt, sagte Jean-Luc Godard, dies sei „der beste Film über den Krieg, der jemals gedreht wurde, weil er unvollkommen und unvollendet geblieben ist“.

„Die Passagierin“ hat auch eine musikalische Geschichte. 1968 komponierte Mieczysław Weinberg (1919–1996), dessen nahe Verwandte im Lager umkamen, auf der literarischen Grundlage eine Oper mit einem Libretto von Alexander Medwedew. Das Kulturministerium der UdSSR sah in dem Werk ein Beispiel eines „abstrakten Humanismus“ und verbot die Aufführung der Oper aus ideologischen Gründen. Eine konzertante Uraufführung der Oper fand erst nach dem Tod des Komponisten 2006 in Moskau statt. Weinbergs Musik wurde als Meisterwerk gefeiert. Die szenische Uraufführung unter der Regie von David Pountney fand 2010 in Bregenz im Rahmen der dortigen Festspiele statt. In derPassagierin“ wird die Authentizität nicht durch die Inszenierung der Geschichte in musikalischer und theatralischer Darstellung überschattet. Die Oper wurde in Warschau, London, Karlsruhe, New York und Tianjin aufgeführt. Der Rezensent der „New York Times“ bezeichnete sie als eine „Geschichte mit Moral, die den ‚Didaktizismus‘ vermeidet“.

 

Wakacje nad Adriatykiem [Urlaub an der Adria]  (1970)

Diese Geschichte [Urlaub an der Adria] stützt sich auf die Erinnerungen an meine Krakauer Freundin Zosia, eine Geigerin und Protagonistin meines Romans. Sie kam aus einem sehr kultivierten Haus, ihr Vater war Germanist. […] sie betrachtete das Lager wie ein Phänomen aus der Nibelungensage, aus Wagners Opern, mythische Ritter sowie Jungfrauen hat sie gesehen. Beim Anblick einer reitenden Aufseherin sagte sie: „Schau, Reiterin Brunhilde“. Indem ich das Lager als Kolonie der Totenkopfritter bezeichnete, bediente ich mich gewissermaßen ihrer Phantasie.[2]

Der Roman „Urlaub an der Adria“ (in dt. Übersetzung durch Hubert Schumann, Verlag Neues Leben, Berlin 1985) stellt den Versuch dar, eine literarische Sprache für das Lagerthema zu finden. Der Roman ist in Form eines inneren Monologs der Ich-Erzählerin geschrieben, die sich an ihre Zeit im Lager erinnert. Es ist eine Apologie der Freundschaft, die sogar in Auschwitz möglich war. Zofia Posmysz ruft in diesem Roman die Person in Erinnerung, die zu Beginn ihrer Lagerzeit zusammen mit ihr in einem Arbeitskommando war und Zofia Jachimczuk hieß. Zofia Jachimczuk hatte das Krakauer Musikkonservatorium absolviert. Sie lehnte es ab, im Lagerorchester zu spielen, was ihre Überlebenschancen beeinträchtigte. Sie starb 1943. Die Neuauflage des Romans erschien 2017 im Krakauer Verlag Znak, der außerdem unter dem Titel „Królestwo za mgłą“ [Königreich im Nebel] ein langes Interview mit Zofia Posmysz in Buchform herausgegeben hat.

 

[2] Zofia Posmysz im Interview für „Tygodnik Powszechny“ (Nr. 5/2015).