Polnische Malerei vom Ausgang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
DIPLOMATISCHE VORGESCHICHTE
Die zeithistorischen Rahmenbedingungen für Kulturkontakte zwischen den beiden Ländern waren um 1960 ungünstig und günstig zugleich. Einerseits war die politische Annäherung an Polen in den letzten Jahren der Adenauer-Ära weiterhin geprägt von Sackgassen, verpassten Chancen und beiderseitigen Verstimmungen; nach wie vor standen Hallstein-Doktrin und Nicht-Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze der Aufnahme diplomatischer Beziehungen entgegen und waren kaum geeignet, das ohnehin zutiefst belastete Verhältnis zu verbessern. Andererseits markieren die quasi-diplomatischen Polen-Missionen Berthold Beitz’ und Gerhard Schröders (CDU) Übernahme des Außenamts nach den Wahlen vom Herbst 1961 den Beginn einer „Politik der kleinen Schritte“ hin zur Normalisierung der Beziehungen. In Polen wiederum florierte dank des post-stalinistischen Tauwetters in der zweiten Hälfte der 50er Jahre eine lebendige, vielgestaltige und höchst „westlich“ anmutende Kunst- und Kulturszene, die Sympathien und Neugier beim bundesdeutschen Publikum nährte – auch dann noch, als nach wenigen Jahren wieder frostigere Zeiten in Polens Kulturpolitik anbrachen. Polen „ist hier groß in Mode“, staunte auch Stanisław Lorentz bei seinem Besuch im Februar 1963 (Bericht Lorentz, AMNW). Und schließlich profitierten die Kulturbeziehungen gerade von dem schwierigen politischen Verhältnis, bot dieses doch für viele Bundesbürger einen Anreiz, sich um jene umso mehr zu bemühen.
Dass kulturelle Annäherung als Schrittmacher politischer Annäherung dienen könne, war in dieser Zeit ein gern beschworener Gedanke, der Anfang 1961 für kurze Zeit sogar Teil der offiziellen Bonner Agenda wurde: Neben einem Wirtschaftsabkommen und dem Austausch von Konsulaten sollte ein Kulturabkommen den Weg zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen ebnen. Diese Vorschläge unterbreitete Beitz im Auftrag Adenauers und begleitet von Hundhausen am 23. Januar 1961 Polens Premierminister Józef Cyrankiewicz (dokumentiert in: Mieczysław Tomala, Deutschland – von Polen gesehen. Zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1945–1990, Marburg 2000, 199–209). Allerdings scheiterten die Sondierungsgespräche am Misstrauen der polnischen Regierung, die hinter dem Vorstoß nur ein weiteres Hinhaltemanöver der Bundesregierung witterte. Mit Ersatzangeboten aber wollte man sich nicht abspeisen lassen, nur mit Verzögerung wurde ein Wirtschaftsabkommen 1963 schließlich doch noch auf den Weg gebracht.
Das politische Fiasko vom Januar 1961 ist im Hinblick auf die Folkwang-Ausstellung deshalb bemerkenswert, weil es exemplarisch zeigt, wie dicht das Scheitern offizieller und die Erfolge inoffizieller Kontakte in den polnisch-westdeutschen Beziehungen oftmals beieinander lagen. Denn die Folkwang-Ausstellung wurde just zur selben Zeit und in derselben Personenkonstellation (Beitz, Hundhausen, Cyrankiewicz) in Angriff genommen. Es ist gut möglich, dass gerade das Misslingen der offiziellen Gespräche die Beteiligten in ihrem persönlichen Engagement bestärkt hat. Beitz’ und Hundhausens guten Beziehungen zur polnischen Regierung und den Vorbereitungen der Folkwang-Ausstellung jedenfalls tat Beitz’ Misserfolg als Amateur-Diplomat keinen Abbruch. Nach verschiedenen Gesprächen zwischen Beitz, Hundhausen, Cyrankiewicz und dem polnischen Kulturminister Tadeusz Galiński erteilte Cyrankiewicz im Sommer 1961 seine offizielle Zustimmung und am 12. August 1961 konnte Hundhausen Beitz triumphierend verkünden: „Die Ausstellung im Museum Folkwang ist in jeder Hinsicht gesichert.“ (HAK, WA 125/2)
Mehrere Umstände kamen den Vorbereitungen entgegen. Zum einen hatten mit Beitz und Hundhausen zwei ebenso umtriebige wie gut vernetzte und einflussreiche Persönlichkeiten die Planungen in die Hand genommen, denen zudem auch aus unternehmerischen Gründen an guten Kontakten nach Polen gelegen war. Zum anderen handelte es sich nicht um die erste Zusammenarbeit zwischen der Firma Krupp und dem Nationalmuseum in Warschau. Bereits für Großausstellungen des Villa Hügel e.V., dessen Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Hundhausen war, hatte Direktor Lorentz Leihgaben zur Verfügung gestellt, so für die Ausstellungen ägyptischer und persischer Kunst im Sommer 1961 bzw. Frühjahr 1962. Auch mit der Stadt Essen und dem Museum Folkwang konnten Beitz und Hundhausen auf wohletablierte Partnerschaften zurückgreifen. Und nicht zuletzt machte sich der Stimmungswandel im Auswärtigen Amt (AA) bemerkbar: War dieses bislang für seine Blockadepolitik berüchtigt gewesen, setzte sich spätestens mit Schröders Amtsantritt im Herbst 1961 eine beweglichere Haltung gegenüber den Ostblockstaaten durch. Auch auf dem Gebiet des polnisch-westdeutschen Kulturaustauschs wurde das AA, zumindest auf inoffizieller Ebene, vermehrt aktiv – gemäß der Einsicht, „dass der kulturelle Austausch gerade dann von Wichtigkeit“ sei, „wenn die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen auch einmal nicht so gut funktionieren“, wie es der Leiter der Kulturabteilung des AA, Dieter Sattler, formulierte (laut Bonner Krupp-Vertreter Günter Lück an Beitz, 6.2.1963, AMNW). Bereits im Sommer 1961 hatte sich dies angedeutet: Gegen die geplante Ausstellung bestünden „keinerlei Bedenken“, ließ die Kulturabteilung des AA wissen, sie sei „zurzeit […] sogar sehr erwünscht“ (Hundhausen an Beitz, 20.6.1961, AMF). Die Situation blieb allerdings weiterhin intrikat, wie eine Anekdote Hundhausens über seinen Besuch mit Lorentz bei Sattler im Februar 1963 illustriert: „Herr Lorentz und Herr Sattler haben ein eingehendes Gespräch miteinander geführt, über dessen Verlauf Herr Sattler sichtlich befriedigt war, und das er mit der Bemerkung quittierte: ‚Eigentlich dürften wir beide ja überhaupt nicht miteinander reden.‘“ (Hundhausen an Beitz, 14.2.1963, AMNW)