Wojciech Kossak: Schlacht bei Zorndorf (1758), 1899
Kossak schildert in seinem Gemälde das Kriegsgeschehen, so wie es in der Schlachtenmalerei seit der napoleonischen Zeit üblich ist, aus der Perspektive des einfachen Soldaten und versetzt den Betrachter dadurch mitten in die dramatische Szene. Im Zentrum des Bildes ist eine Reihe russischer Grenadiere (kenntlich an den hohen Mützen mit rotem Fonds, weißer Naht und Pompon) in Rückenansicht zu sehen, auf die die preußische Kavallerie des Gardes-du-Corps-Regiments mit schwarzen Dreispitzen und erhobenen Säbeln zureitet. Links von ihnen ist das russische Banner zu erkennen, im Hintergrund am linken Bildrand das brennende Zorndorf, das heutige Sarbinowo wenige Kilometer nordöstlich von Küstrin/Kostrzyn nad Odrą. Im Vordergrund illustrieren ein sterbendes Pferd und ein toter Soldat mit einem Munitionswagen, der vor einer Birke zerschellt ist, die Dramatik. Um den hoch aufragenden Birkenstamm gruppiert sich eine weitere Szene: Ein Kalmücke zu Pferde legt mit Pfeil und Bogen auf einen heranreitenden preußischen Offizier an, der ein russisches Dreigespann verfolgt und dieses zum rechten Bildrand hin abdrängt. Aus der Ferne nähert sich Friedrich der Große mit seinem Gefolge.
Kossak hat vor der Ausführung des Gemäldes sorgfältig recherchiert. Wie er in Briefen an seine Frau berichtet, studiert er nicht nur historische Dokumente im Geheimen Archiv des Kriegsministeriums, sondern fährt auch mit Offizieren des Garderegiments auf das ehemalige Schlachtfeld: „In schrecklicher Hitze liefen wir den ganzen Tag auf dem Feld umher und überlegten uns die Komposition in den allerfeinsten Einzelheiten.“[11] Aus dem militärhistorischen Museum im Berliner Zeughaus lässt er sich authentische Uniformen und Waffen als Vorlagen ins Atelier liefern. Kleinere Ölbilder, in denen er diesen Vorgang schildert, zeigen ihn mit Wilhelm II. und Menzel beim Studium von kostümierten Soldaten und Uniformteilen vor dem auf weißer Leinwand vorskizzierten Schlachtengemälde.[12] Es sind vermutlich erfundene Szenen, denn sie ähneln den Fotografien vom Kaiserbesuch, die ja erst bei Fertigstellung des Bildes angefertigt worden sind, verblüffend in Komposition und Perspektive.
Mit dem Erfolg seines Bildes kann der Maler mehr als zufrieden sein. Der Kaiser erteilt ihm noch während der Arbeit an der „Schlacht von Zorndorf“ den Auftrag für ein Reiterbildnis, das parallel dazu im Monbijou-Atelier entsteht, und stellt weitere Aufträge in Aussicht. Nicht nur bei den historischen Details, sondern auch mit der dramatischen Inszenierung des Geschehens und der damit verbundenen Glorifizierung des Gardes-du-Corps-Regiments scheint Kossak, wie er es sich vorgenommen hat, „etwas unerhört Originelles“ gelungen zu sein. Über den Atelierbesuch des preußischen Oberlandstallmeisters Georg Graf von Lehndorff, der in jungen Jahren Oberst des Regiments gewesen ist, berichtet Kossak an seine Frau: „Es kam hinein ein kalter und steifer mindestens neunzigjähriger Greis, der begeistert, belebt und gratulierend hinausging. Er sagte mir, der steife Kreuzritter, dass er im Leben nicht so ein Bild gesehen habe, in welchem so viel Schwung und Leben anzutreffen sei.“[13] Sogar der Autor der in St. Petersburg erscheinenden polnischen Wochenzeitschrift „Kraj“, der aus Lublin stammende Władysław Stodolnicki, der Kossak mehrfach im Atelier besucht hat, berichtet wohlwollend über die Arbeit des polnischen Malers.[14]
[11] Baumgartner 2011, S. 16.
[12] Wojciech Kossak: Kaiser Wilhelm II. und Menzel in Kossaks Atelier, 1899, Öl auf Holz, 43,5 x 35,5 cm, Museum Huis Doorn (abgebildet im Ausstellungs-Katalog Tür an Tür. Polen - Deutschland. 1000 Jahre Kunst und Geschichte, hrsg. von Małgorzata Omilanowska, S. 466); Wojciech Kossak: Menzel, Wilhelm II. und Kossak im Atelier des polnischen Malers, 1899, Öl auf Holz, 56,5 x 46 cm, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt.
[13] Baumgartner 2011, S. 7.
[14] W. Stodolnicki: W pracowni Wojciecha Kossaka, in: Kraj 23, 1899, S. 34.