Witold Szalonek (1927–2001)
Er war zweifelsohne einer der originellsten polnischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, erregte Aufsehen durch seine musiktheoretischen Arbeiten. Mit seiner Auffassung von Komposition beeinflusste er fast 20 Jahre lang junge Komponisten an der Hochschule der Künste (bis 2001, danach Universität der Künste) in Berlin – Prof. Witold Szalonek.
Als Witold Szalonek die Professur an der Berliner Hochschule der Künstler 1973 übernahm, war er mit 50 Jahren ein international bekannter polnischer Komponist. Auch die Berliner Hochschule der Künste genoss ein hohes internationales Ansehen. Dass hier an der Hochschule großartige polnische Musiker und Komponisten studierten, darunter Mieczysław Karłowicz (1876–1909), Ludomir Różycki (1883–1953) und Stanisław Moniuszko (1819–1872), war wohl für Witlod Szalonek ein zusätzlicher Ansporn, sich um die Professur zu bewerben. Er setzte sich gegen 40 Mitbewerber durch, was von seiner außergewöhnlichen Qualität als Komponist und vielfältiger Erfahrung als Pädagoge zeugte. Hier in Berlin erlebte er nicht nur eine intensive Schaffensperiode und starkes pädagogisches Engagement, sondern setzte sich auch energisch für die Popularisierung polnischer Komponisten ein, darunter auch derjenigen, die auch im Westen tätig waren wie Roman Palester, Andrzej Panufnik, Antoni Szałowski. 1982 war Witold Szalonek sogar Mitbegründer des Szymanowski-Vereins in Berlin (Towarzystwo im. Szymanowskiego w Berlinie), dessen Ziel die Popularisierung polnischer Komponisten jüngster Geschichte und der Gegenwart war.
Doch die Musikliebhaber verbinden bis heute mit Witold Szalonek vor allem seinen Sonorismus – die Suche nach der musikalischen Seele eines Instruments, wie Witold Szalonek zu sagen pflegte. Die Musikwissenschaft beschreibt Sonorismus etwas kühler als eine geräuschorientierte Stilrichtung in der Neuen Musik. In Polen war diese Stilrichtung vor allem in 1960er und 1970er Jahren stark vertreten. Auch andere polnische Komponisten wie Witold Lutosławski (1913–1994), Henryk Górecki (1933–2010) oder Krzysztof Penderecki (geb. 1933) waren vom Sonorismus beeinflusst. Doch keiner war so konsequent wie Witold Szalonek, denn bei ihm war nicht der Klang das Ziel, sondern seine Befreiung von allen bisherigen musikalischen Systemen. Den Sonorismus fand Witold Szalonek bei älteren polnische Komponisten. Für ihn nahm der moderne Klang des Klaviers, des typischsten Instruments der europäischen Kultur, seinen Anfang in dem universellen Schaffen von Frederic Chopin (1810–1849). Der berühmte polnische Komponist befreite die Klangseele des Klaviers, so Witold Szalonek.
Darüber hinaus ist Witold Szalonek der Entdecker der „kombinierten Klänge“, also einer Mehrstimmigkeit einer spezifischen Klangfarbe bei Holzblasinstrumenten. Die „kombinierten Klänge“ entstehen bei Szalonek erstens durch spezifische Blastechnik, zweitens durch das Kombinieren von Klappen, Hebeln und Öffnungen eines Instrumentes und drittens durch das Zusammenspiel der beiden Techniken. Ein großes Verdienst der theoretischen und praktischen Arbeit von Witold Szalonek ist die entsprechende Notation seiner Kompositionstechniken.
Witold Szalonek arbeitete an der Hochschule der Künste in Berlin bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1992. Danach widmete er sich vor allem seiner kompositorischen Tätigkeiten. Am 12. Oktober 2001 starb Witold Szalonek in Berlin. Wie von ihm gwünscht wurde seine Urne im Familiengrab seiner Eltern auf dem Friedhof in Łagiewniki Śląskie (heute ein Stadtteil von Bytom/Beuthen) beigesetzt.
Adam Gusowski, Februar 2016
Lebenslauf:
am 02.03.1927 wird Witold Szalonek in Czechowice-Dziedzice (Polen/Schlesien) geboren
1939–1945 / Klavierunterricht am privaten Konservatorium in Bytom
1945–1949 / Musikgymnasium in Katowice
1949 / Abitur an dem Musikgymnasium in Katowice
1949–1956 / Studium an der Staatlichen Musikhochschule in Katowice
1962–1963 / Studium (Komposition) in Paris
1967 / Dozent (Komposition) an der Staatlichen Musikhochschule in Katowice
ab 1970 / Seminare und Lehrgänge in eigenen Kompositionstechniken an Hochschulen in Dänemark, Deutschland Finnland, Polen und Slowakei
1970–1971 / DAAD-Stipendium in Berlin
1970–1974 / Leiter des Lehrstuhls für Musiktheorie und Komposition an der Staatlichen Musikhochschule in Katowice
1973–1992 / Professor (Komposition) an der Hochschule der Künste in Berlin (bis zur seiner Emeritierung)
am 12.10.2001 stirbt Witold Szalonek in Berlin
Wichtige Auszeichnungen:
1952 / zweiter Preis im Wettbewerb des Verbandes Polnischer Komponisten für „Pastorale“ (Oboe und Klavier)
1964 / Musikpreis der Stadt Katowice
1966 / dritter Preis beim Artur-Malawski-Komponistenwettbewerb für „Quattro monologhi per oboe solo“
1967 / Preis des Ministerium für Kultur und Kunst
1968 / zweiter Preis beim Artur-Malawski-Komponistenwettbewerb für „Mutazioni“
1990 / Verleihung des Ehrendoktortitels Titels (doctor honoris causa) an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster
1994 / Preis des Verbandes Polnischer Komponisten
1999 / „Kulturpreis Schlesien“ des Landes Niedersachsen
Bedeutendste Werke:
Pastorale [Version I] für Oboe und Klavier (1952)
Trio für Flöte, Klarinette und Fagott (1952)
Pastorale [Version II] für Oboe und Orchester (1952–1965)
Nocturne für Bariton, Streichorchester und Harfe (1953)
Dzwon, Ballade für zwei Chöre (1953)
Toccata polyphonica für ein Streichorchester (1954)
Suita kuriowska für Alt und neun Instrumente (1955)
Suita polifoniczna für ein Streichorchester (1955)
Symphoniesatire für Orchester (1956)
Sonate für Cello und Klavier (1958)
Wyznania, Triptichon für Stimme, Chor und Kammerorchester (1959)
Concertino für Flöte und Kammerorchester (1962)
Arabeski für Violine und Klavier (1964)
Les sons für Symphonieensemble (1965)
Mutazioni für Kammerorchester (1966)
Quattro monologhi für Oboe(1966)
Proporzioni I für Flöte, Violine und Harfe (1967)
Proporzioni II für Flöte, Cello und Klavier (Harfe) (1967–1970)
Mutanza für Klavier (1968)
Improvisations sonoristiques für Klarinette, Posaune, Cello und Klavier (1968)
1 + 1 + 1 + 1 für 1 bis 4 Streichinstrumente (1969)
Ziemio miła... Kantate für Stimme und Orchester (1969)
Aarhus Music für Blasquintett (1970)
Concerto for Strings (1971–1975)
Connections Kammermusikensemble (1972)
Proporzioni III für Violine, Cello und Klavier (Harfe) (1977)
Piernikiana für Tuba (1977)
Trio für Oboe, Klarinette und Fagott (1978)
Kleine Symphonie B-A-C-H für Klavier und Symphonieorchester (1979–1981)
Take the Game... für sechs Schlagzeuger (1981)
Alice's Unknown Adventures in the Fairy Land of Percussion für einen Schlagzeuger (1981)
D. P. 's Five Ghoulish Dreams für Altsaxophon (1985)
Inside? – Outside? für Bassklarinette und Streichquartett (1987)
Toccata e corale [Version I] für Orgel (1988)
Elegia na śmierć przyjaciela für Klarinette und Klavier (1989)
Toccata e corale [Version II] für Klavier (1990)
Symfonia rytuałów für Streichquartett (1991–1996)
Głowa meduzy I für 1 bis 3 Blockflöten (1992)
Invocationi für zwei Gitarren (1992)
Głowa meduzy II na 1-3 flety in C (1993)
Diptychon I für Chor (1993)
Diptychon II für 16 Saxophone (1993)
Sept epigrammes modernes nach G. Hoffnung für Saxophonquartett (1994)
Drei Präludien für Klavier (1996)
Suita zakopiańska für Blattmundstück (1996)
Meduzy sen o pegazie I für Horn und Blockflöte (1997)
Meduzy sen o pegazie II für Horn und Flöte in C (1997)
Miserere für zwölfstimmigen Solistenchor (1997)
Chaconne-Fantaisie für Violine (1997)
Bagattellae di Dahlem II für Flöte und Klavier (1998)
Oberek nr 1 für Gitarre (1998)
Drei Liebeslieder für Bariton und Klavier (1998)
Hautbois mon amour für Oboe solo, zwei Harfen, Pauken und Streichorchester (1999)
Posejdon i meduza für zwei Piccoloflöten, Altflöte, Crotales und Bassflöte (2001)