Polnische Zwangsarbeiter an der „Reichsautobahn“ im Rheinland. Der Leidensweg des Norbert Widok
Die „Reichsautobahn“ von Koblenz nach Trier
Am 13. Februar 1939 trat die „Verordnung über die Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“ in Kraft. Dadurch erhielt die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen (OBR), Sektion Frankfurt/Main, die nötigen finanziellen Mittel, um mit dem Bau einer Autobahn aus dem Raum Koblenz (Dernbacher Dreieck) über Trier in Richtung Kaiserslautern zu beginnen, die heute als A48/A1/A62 bekannt ist. Die Nationalsozialisten ließen insgesamt 50 Arbeitslager errichten. Hier waren bis Anfang 1942 neben deutschen Dienstverpflichteten, polnischen und französischen Kriegsgefangenen, ausländischen Zivilarbeiter:innen, KZ-Häftlingen aus Hinzert bei Trier auch etwa 3.000 Strafgefangene aus dem In- und Ausland interniert. Diese unterstanden den Gefängnissen in Koblenz und Wittlich. Polnische Häftlinge waren vor allem im Autobahn-Bauabschnitt des Großraumes Koblenz eingesetzt und in den Justiz-Strafgefangenenlagern bei Bassenheim, Hilgert und Uersfeld interniert.
Die polnischen Strafgefangenen an der Autobahn
In einem Schreiben des Reichsjustizministeriums an die „Regierung des Generalgouvernements in Krakau“ vom 22. November 1940 heißt es, „da die Gefängnisse im Generalgouvernement überbelegt“ seien, sollten zunächst 600 „außenarbeitsfähige polnische Gefangene“ mit Reststrafzeiten von mehr als sechs Monaten an die Autobahn geschickt werden. Entsprechende Anfragen gingen auch in den „Reichsgau Wartheland“. Im Dezember mahnte die Baubehörde in Frankfurt/Main die baldige Überlassung der polnischen Häftlinge an. Das zeigte Wirkung. Am 10. Januar 1941 kündigte der Polizei-Funkdienst die Ankunft von 400 Polen im Bahnhof Bassenheim, wenige Kilometer von Koblenz entfernt, für den übernächsten Tag an. Diese Gefangenen stammten überwiegend aus dem „Reichsgau Warteland“. Einer von ihnen war Norbert Widok. Am 8. Februar 1941 erreichte ein weiterer Transportzug mit 300 polnischen Strafgefangenen aus Tarnow, 80 Kilometer östlich von Krakau, den Bahnhof in Vallendar. Diese wurden ins „Reichsautobahn“-Lager in Hilgert/Westerwald überführt.
Neben diesen Strafgefangenen, die direkt aus dem „Osten“ kamen, waren in diesen Autobahnlagern, insbesondere in Uersfeld/Eifel, auch Polen, die vorher als Zwangsarbeiter in den „Moorlagern“ waren.
Der Januar-Transport nach Bassenheim
Zwei Berichte sind über den Transport der polnischen Strafgefangenen vom 12. Januar 1941 ins Lager „Eiserne Hand“ bei Bassenheim überliefert. Zum einen der eines Verwaltungsinspektors der Strafanstalt in Koblenz. Zum anderen der eines betroffenen Häftlings, Norbert Widok.
Zunächst ein Auszug aus dem Bericht der Koblenzer Gefängnisverwaltung: „Die Gefangenen wurden mir durch einen Leutnant der Schutzpolizei übergeben. Zur Übernahme waren ausser mir anwesend Inspektor Dr. Linker und die notwendigen Oberwachtmeister und Hilfsaufseher. Dem Lager Eiserne Hand wurden 299 und dem Lager Hilgert 101 zugeteilt. […] Während ich selbst die 101 Gefangenen nach Hilgert überführt habe, leitete Inspektor Dr. Linker die Überstellung der 299 Mann nach Lager Eiserne Hand. Der Transport nach Hilgert wurde mittels Autos, der nach Eiserne Hand zu Fuss durchgeführt. Den Zug nach Eiserne Hand begleitete ausser den Beamten und Hilfsaufsehern der Justiz ein Schutzpolizei-Kommando in Stärke von 50 Mann. Die Polen befanden sich durchweg im Zustande völliger Verwahrlosung. Das gilt insbesondere von der weit überwiegenden Zahl der Gefangenen, die sich in ihrer Zivilkleidung befand; nur 79 Mann trugen alte und dürftige, aber wenigstens saubere Gefangenenkleidung. Die Zivilkleidung ist meist zerfetzt und verlaust, und aus den zerrissenen Schuhen sehen die nackten Zehen hervor. Die sofortige Einkleidung der Polen in Anstaltskleidung ist umso dringlicher erforderlich, als die Leute in ihren Zivillumpen nicht nur nicht zur Arbeit angesetzt werden können, sondern auch die ganzen Lager und, was noch schlimmer ist, für den Fall einer Überführung in die Anstalt Koblenz infolge Krankheit – bei einigen Gefangenen besteht Krätzeverdacht – auch diese mit Ungeziefer verseuchen. […] “