Mia Raben – Journalistin und Autorin
Mia Raben freundet sich mit einer polnischstämmigen Amerikanerin an. Sie wohnen zusammen, erkunden die Stadt, gehen in Museen, Clubs und Theater oder erleben eine Party bei Sławomir Sierakowski, dem Gründer und Chefredakteur der „Krytyka Polityczna“, den Mia Raben kurz vorher für die „taz“ interviewt hatte. Die Party fand in einer leerstehenden Villa im Stadtteil Praga am Ostufer der Weichsel statt. Manche der noch zurückgelassenen Möbel, Lampen, Teppiche hatte der Gastgeber im Garten platziert, als sei dort ein Salon. Dieses Bild prägte sich Mia Raben ein. Es symbolisiert für sie „die unglaubliche Kreativität und die Lust an der Freiheit der Polen.“ Mia Raben gewinnt den Eindruck, dass in Polen – anders als in Deutschland – die Freiheit wirklich geliebt wird. Sie nennt diese Liebe „libidinös aufgeladen“ und sieht in ihr eine Liebe zum Menschen, die sie sehr anziehend findet. In ihren Augen sollten sich die Menschen in Deutschland etwas mehr daran orientieren, um ihren Hang zu Strenge und Konformität auszugleichen, der Mia Raben manchmal gruselt.
2007 zieht Mia Raben zurück nach Hamburg, bekommt zwei Söhne und arbeitet in Festanstellung in einer PR-Agentur, bevor sie dem Textergewerbe den Rücken kehrt und zu den Zeitschriften „Nido“ und „Neon“ wechselt. „Neon war das coolste Magazin Deutschlands“, sagt Mia Raben lächelnd. „Und Nido war das Magazin für coole Eltern.“ Gern erinnert sie sich an diese „tolle Zeit“ zurück, an die vielen Selbstversuche mit ihren Kindern: Schnitzen im Wald, Klopse kochen nach Lilly Bretts Roman „Chuzpe“, Berliner selber machen nach einem polnischen Rezept. Mia Raben bedauert sehr, dass es beide Magazine nicht mehr gibt und Gruner & Jahr „ausgeweidet wird wie ein erschossener Hirsch.“
Mia Raben schreibt weiter literarisch, „wie heimlich nebenbei“. Nur wenig davon bekommen andere zu lesen. Das ändert sich, als sie zur Romanwerkstatt der Bayerischen Akademie des Schreibens eingeladen wird. Jetzt nimmt sie sich selbst als literarische Autorin erstmals wirklich wahr. Die Schriftstellerin Ulrike Draesener erzählt ihr dann vom Masterstudiengang Kreatives Schreiben in Leipzig, wohin sich Mia Raben erfolgreich bewirbt. Ihre Masterarbeit hat sie vor einem Jahr abgegeben. Diese Arbeit ist die Grundlage für den Roman „Fallende Steine, die sich der Schwerkraft widersetzen“ an dem Mia Raben arbeitet. Im Dezember 2022 hat sie für den Stoff ein Recherchestipendium der Hamburger Kulturbehörde und des Hamburger Literaturhauses erhalten. Mit dem Geld will sie nach Łódź in die Heimat ihrer Mutter reisen und zur polnischen Textilindustrie recherchieren.
Anselm Neft, Februar 2023
Instagram-Account von Mia Raben:
https://www.instagram.com/miakolumna