Marek Pelc – Ein polnisch-jüdischer Dichter in Frankfurt am Main
Marek Pelc kam am 10. April 1953 in einer jüdischen Familie in Wrocław (Breslau) zur Welt. Seine Halbschwester Zofia ist acht Jahre älter. Die Mutter, Eugenia Pelc, geb. Lis (1924–2018), stammte aus Brok am Bug, einer Stadt 100 km östlich von Warschau. Sie trat als vierzehnjähriges Mädchen in den jüdisch-sozialistischen „Bund“ in Polen ein und verbrachte die Kriegsjahre in der Stadt Pensa im Ural. Der Vater, Mateusz Pelc (1923–1987), wurde in Zamość geboren, wuchs aber in Nowosibirsk in der Sowjetunion auf. Diesem Aufenthalt in Russland verdanken die Eltern ihre Rettung vor dem Holocaust. In einem Interview für die „Jüdische Allgemeine“ erklärte Pelc, dass er aus einer politisierten Familie sei.[1] Die Mutter kehrte 1945 nach Polen zurück und ließ sich im niederschlesischen Breslau nieder. Die überlebenden Juden siedelten sich damals gern in Niederschlesien (Dolny Śląsk) an, da sie sich hier im Polen der Nachkriegszeit relativ sicher fühlten. Mareks Vater kehrte etwas später, um 1950, aus Russland zurück. Eugenia Pelc arbeitete daraufhin lange Jahre als Referentin im Vorstand der Breslauer Genossenschaft „Społem“. Ihr Mann war Inspizient im „Polnischen Theater“(Teatr Polski) und verantwortete auch die Logistik für die seinerzeit populären Tourneen.
Marek Pelc besuchte in Breslau die Jüdische Volksschule im Gebäude des damaligen Gymnasiums Nr. 7 am Jizchok Leib Perez-Platz (Plac Icchoka Lejba Pereca), deren Schüler:innen über den normalen Fächerkanon hinaus auch in Jiddisch und in jüdischer Geschichte unterrichtet wurden. Er nahm in dieser Zeit unter anderem in Elbląg (Elbing) und in Żabno bei Tarnów (Tarnow) an Ferienlagern teil, deren Organisation in den Händen des Jüdischen Freundschaftskreis (Towarzystwo Społeczno-Kulturalne Żydów, TSKŻ) lag, der seinerseits von der amerikanischen Hilfsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee, kurz „Joint”, Zuwendungen erhielt. Mareks Schulkamerad:innen waren überwiegend Kinder jüdischer Familien in Breslau.
Auswanderung 1968
Im Zuge der antisemitischen Kampagne in Polen, die seit dem Sechstagekrieg in Israel 1967 immer weiter eskalierte und schließlich im ganzen Land hochkochte, verlor Mareks Mutter 1969 ihre Anstellung. Und obwohl die Familie Pelc keinen Fernseher besaß, blieb die bekannte, antisemitisch gefärbte Rede von Władysław Gomułka, dem damaligen Generalsekretär der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR), Marek in Erinnerung, da er sie vor einem Breslauer Geschäft für TV-Geräte zufällig mitbekommen hat. Im selben Jahr beschlossen seine Eltern, Polen für immer den Rücken zu kehren. Federführend bei dieser Entscheidung war die Mutter, während der Vater zauderte, auszureisen. 1969 hatte Marek gerade die neunte Klasse des 4. Gymnasiums in Breslau beendet. Seine Halbschwester Zofia ging mit ihrem Ehemann nach Dänemark.
Laut des damaligen Rechts hatten alle Ausreisewilligen auf ihre polnische Staatsangehörigkeit zu verzichten, um dann erst in den Besitz von Reisedokumenten zu gelangen, die ihnen ausdrücklich keine Möglichkeit gewährten, jemals zurückzukehren. Die Eheleute Pelc lösten also ihre Wohnung auf, regelten, was zu regeln war, und fuhren im November 1969 mit dem Zug nach Wien. Dort verbrachten sie zwei Tage im Übergangslager auf Schloss Schönau, in dem sich auch ein Büro der israelischen Einwanderungsbehörde befand. Am 12. November 1969 landete die Familie am Flughafen in Tel Aviv. In der Stadt hatte sie Verwandte.
In Israel
Gleich nach der Ankunft in Israel erhielten die staatenlosen Neuankömmlinge die israelische Staatsbürgerschaft. Familie Pelc bekam eine Wohnung in einem Zweifamilienhaus in Ober-Nazareth, leider ziemlich weit weg von den Verwandten in Tel Aviv. Marek besuchte einen Sprachkurs im Kibbuz Bar'am an der libanesischen Grenze. Die Mutter wurde in einem anderen Kibbuz untergebracht. Der Vater blieb zunächst in der neuen Wohnung, kehrte später jedoch nach Europa zurück und kam anfangs in Dänemark unter. Von dort aus zog er weiter nach Deutschland, genauer gesagt nach Frankfurt am Main.
Nach einem Jahr im Kibbuz setzt Marek Pelc seine Ausbildung mit anderen Ankömmlingen aus Polen in einer Abendschule in Cholon fort und wohnt in dieser Zeit bei seiner Mutter in Petach Tikwa bei Tel Aviv. 1971 macht er das Abitur und wird zum Wehrdienst einberufen. Tatsächlich dient er dann drei Jahre in der israelischen Armee. Daraufhin nimmt er 1975 an der Hebräischen Universität Jerusalem sein Studium der Philosophie und Geschichte auf. Da die finanzielle Unterstützung seines Vaters knapp bemessen ist, schlägt er sich mit diversen Gelegenheitsjobs durch, meist als Reinigungskraft für Wohnungen. Nebenbei arbeitet er von 1975 bis 1977 in der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem. 1979 schließt Marek den ersten Teil seines Studiums mit dem Bachelor of Arts ab. Da es in dieser Zeit kein leichtes Unterfangen ist, mit seinen beiden Fächern eine Anstellung zu finden, sattelt er um und beginnt eine praktische Ausbildung als Masseur. In diesem Beruf verdient er dann auch seinen Lebensunterhalt, unter anderem in einem türkischen Bad in Jerusalem. 1980 und 1981 reist er ein Jahr durch Europa, wo er sich erneut mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Zuerst ist er in Dänemark, dann in Deutschland und verdingt sich schließlich in Frankreich, um bei der Weinlese zu helfen. Nach seiner Rückkehr übernimmt er in Israel die Wohnung seiner Mutter, die inzwischen zu ihrer Tochter nach Dänemark gezogen ist, und setzt das Studium zum Master of Arts fort.
[1] Wollenhaupt, Annette: Wir sind uns selbst Heimat, in: „Jüdische Allgemeine“, Nr. 33, 18.08.2009.