„Lupenreine Intonation … Innigkeit des Ausdrucks“ – Susanne Szambelan, polnische Cellistin aus Berlin

Susanne Szambelan, 2024 r., Fot. Anita Wąsik
Susanne Szambelan, 2024

Susanne Szambelan im Interview
 

Das erste, das in Ihrem Lebenslauf direkt auffällt, ist Ihr Geburtsort – New York. Haben Sie amerikanische Wurzeln?

- Nein, es war reiner Zufall, dass ich in New York geboren wurde. Meine Eltern waren zusammen mit meinen Brüdern in die USA ausgewandert, um dort zu arbeiten. Drei Jahre später kehrten sie nach Polen zurück. In der Zwischenzeit war ich in den USA geboren worden. Daher habe ich auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Aufgewachsen bin ich aber in Posen. Dort habe ich gelebt, bis ich 19 war. Danach zog ich für das Studium nach Krakau.

Wann ist die klassische Musik in Ihr Leben getreten?

- Als ich fünf Jahre alt war, erhielt ich dank meiner Mama meinen ersten Klavierunterricht. Damals lernte ich die wundervolle Pädagogin Prof. Mirosława Preuschoff-Kaźmierczakowa kennen, die meine Leidenschaft für die Musik entdeckte und aufflammen ließ. Ich glaube, das, was sie mir damals beigebracht hat, ist bis heute tief in meinem Herzen eingeprägt. Sie war es, die mir nach einem Jahr Klavierunterricht nahelegte, noch ein Streichinstrument zu erlernen, da es mir mehr Möglichkeiten bieten würde.

Welche Möglichkeiten bietet denn das Cello, die das Klavier nicht bieten kann?

- Wir können z. B. in Orchestern, in Streichquartetten mitspielen. Ich fing aus Neugier an, Cello zu spielen und wusste sofort: Das ist es. Ich war erst sechs Jahre alt, doch ich spürte eine besondere Verbindung zu diesem Instrument. Zwei Jahre lang habe ich beide Instrumente parallel gespielt, mit gleicher Hingabe, dann entschied ich mich fürs Cello. Ich erinnere mich, dass ich mal im Auto ein Cellostück gehört habe, das mich zutiefst bewegte. Das war etwa ein Jahr, nachdem ich angefangen hatte, Cello zu spielen. Ich glaube, das war der Moment, an dem ich zum ersten Mal bewusst dachte: Das ist es. Ich weiß nicht mehr, welches Stück es war. Ich erinnere mich aber bis heute an die Emotionen, die es in mir ausgelöst hat.

Sie selbst sind professionelle Cellistin, ihre Mutter spielt Klavier. Ist der Rest der Familie auch musikalisch veranlagt?

- Mein Vater ist Architekt. Ich weiß, dass mein Großvater mütterlicherseits, den ich nie kennenlernen durfte, musikalisch begabt war. Auch mein Großvater väterlicherseits spielte Gitarre. Die Musik war in meinem Leben also durchaus präsent. Dass ich sie zum Beruf machen konnte, habe ich aber meiner Mutter zu verdanken. Dennoch denke ich, dass meine beiden Eltern meine Entwicklung gleichermaßen mitgeprägt haben. Mein Vater ist mit mir oft in Museen gegangen und hat dafür gesorgt, dass ich von allen möglichen Seiten künstlerische Inspiration bekam. Ich pendelte regelmäßig von Posen nach Łódź zum Unterricht bei dem wundervollen Professor Stanisław Firlej. Meine Eltern haben mir optimale Bedingungen geboten, damit ich mich der Musik widmen konnte. Das hat auf jeden Fall Früchte getragen.

Sie sind des Studiums wegen nach Krakau gezogen, doch schlussendlich ist es Berlin geworden. Hat Krakau Ihre Erwartungen nicht erfüllt?

- Meine Studienzeit in Krakau war in vielerlei Hinsicht wunderbar. Nach einiger Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass ich dort nicht mein komplettes Potenzial entfalten konnte. Da hörte ich von der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Es hieß, es sei sehr schwer, dort einen Studienplatz zu bekommen. Ich entschied mich aber, es zu versuchen. Ich sah es als eine Herausforderung; ich hatte nichts zu verlieren. Diese Entscheidung hat mein ganzen Leben auf den Kopf gestellt. 2014 zog ich fast über Nacht nach Berlin und habe mir hier ein Leben aufgebaut.

Ich habe das Gefühl, das Cello ist ein äußerst weibliches Instrument. Würden Sie das auch sagen?

- Gute Frage. Ich glaube, das gleicht sich so langsam aus. Früher waren die anerkanntesten Musiker:innen vorwiegend Männer. Das galt aber auch für alle anderen Bereiche des Lebens. Diese Männerdominanz gab es nicht nur in der Musik. Gewissermaßen haben wir es jetzt mit einer Feminisierung des Cellos zu tun. Eine solche Entwicklung können wir aber auch in anderen Berufen beobachten. Dennoch glaube ich, dass man sich in der heutigen Musikwelt keine Gedanken mehr darum macht, ob ein Instrument von einem Mann oder von einer Frau gespielt wird. Und das ist auch gut so.

Ist es schwierig, als Frau Berufsmusikerin zu sein?

- Ich glaube, es wird immer einfacher. Ich erinnere mich noch an Geschichten von vor ein paar Jahren: Freundinnen von mir hatten sich um einen Job bei einem Orchester beworben und wurden beim letzten, entscheidenden Gespräch nach ihrer Nachwuchsplanung gefragt. Und selbst wenn diese Frage beim Bewerbungsgespräch nicht explizit gestellt wird, so hängt sie doch irgendwie in der Luft, ist spürbar präsent. Manchmal kommt es in einem Orchester leider auch vor, dass sich Frauen gegen andere Frauen richten. Das ist ganz dünnes Eis. Man muss seine körperlichen Vorzüge regelrecht zurückhalten, damit sie die eigenen Fähigkeiten nicht kaschieren, damit sie das Hauptaugenmerk nicht auf das Aussehen richten. Andererseits wird von uns Musiker:innen doch auch eine gewisse Bühnenpräsenz erwartet. Der Fokus der klassischen Musik liegt aktuell ganz stark auf den sozialen Medien und gerade dort spielt das Aussehen eine enorme Rolle. Posts, auf denen das Gesicht der spielenden Person nicht zu sehen ist, bekommen keine Klicks. Die Nutzer:innen lesen oft nicht mal die Bildunterschriften. Der ganze Fokus liegt auf dem Visuellen. Das Aussehen ist daher von entscheidender Bedeutung und viele Musiker:innen bauen ihr Image darauf auf. Ich persönlich finde es am wichtigsten, mit sich selbst im Einklang zu sein und für gewisse Werte zu stehen.

Sie sind seit fast 20 Jahren in der Musikwelt unterwegs. Zweifeln Sie manchmal an sich? Denken Sie hin und wieder, dass Sie am liebsten etwas ganz anderes als Musik machen würden? Oder gibt es so etwas vielleicht schon in Ihrem Leben?

- Nein, ein solches Bedürfnis habe ich nicht. Natürlich mache ich, wie alle Musiker:innen, die unterschiedlichsten Phasen durch. Mal ist es besser, mal schlimmer, wir fallen hin und richten uns wieder auf, wie eine Welle. Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Ganze ein Prozess ist. Dass man schlechtere Zeiten einfach überstehen muss, denn darauf folgen bessere Tage und man fühlt sich wieder wohler in der eigenen Haut und mit der eigenen Musik. Aber natürlich habe ich auch andere Interessen.

Was machen Sie denn gerne in Ihrer Freizeit?

- Ich liebe es, ins Kino zu gehen und gute Filme zu schauen. Dafür ist Berlin der perfekte Ort. Vor Kurzem habe ich mich in ein neues Abenteuer gestürzt: Ultramarathons! Ich bin schon zwei gelaufen. Es war eine riesige Herausforderung. Doch der menschliche Körper ist etwas Besonderes, denn er lernt unfassbar schnell. Bei Ultramarathons spielt der Kopf eine enorme Rolle, da man die eigene Schwäche überwinden muss. Es ist auch eine hervorragende Leistungsprüfung: Man kann sich davon überzeugen, wie viel man tatsächlich imstande ist zu erreichen, und wie man Krisen überwindet. Außerdem ist so ein Lauf auch ein wunderbares Abenteuer, vor allem wegen der wunderschönen Aussichten in den Bergen.

Mediathek
  • Susanne Szambelan

    2019
  • Susanne Szambelan

    2024
  • Zoltán Kodály, Sonate für Violoncello solo op. 8

    Susanne Szambelan im Kühlhaus Berlin, 9.2.2023