Jesekiel Kirszenbaum – Ausstellung in Solingen
1948/49 reiste Kirszenbaum nach Brasilien um den Erinnerungen, der traurigen Stimmung und den Zerstörungen in Europa zu entfliehen. Er fand nicht nur freundliche Aufnahme, sondern eine tropische Welt, die ihn zu Gemälden von Land und Leuten in reinen Farbflächen, noch in der Art der Fauves, aber auch von indigener Malerei beeinflusst, bis hin zu visionären Farbexperimenten inspirierten (Abb. 28, 29). Sogar Ausstellungen absolvierte er in dieser Zeit: 1948 in der Galeria Domus, der führenden Kunstgalerie in São Paulo, und noch im selben Jahr im Instituto de Arquitetos do Brasil in Rio de Janeiro. Nach seiner Rückkehr nach Paris, das ihm zur eigentlichen Heimat geworden war, wurde er 1949 französischer Staatsbürger. Reisen nach Marokko im Jahr 1950 und nach Italien schlossen sich an und erweiterten sein malerisches Interesse auf die Natur, vor allem auf exotische Früchte und Pflanzen. Sein Früchtestillleben von 1952 weckt motivische Reminiszenzen an Paul Cézanne, nähert sich in seinem gemäßigten Kubismus aber Pablo Picasso (Abb. 28).
In den Jahren 1951 bis 1953 schwer an Krebs erkrankt, starb Kirszenbaum 1954 in Paris. Die erste Retrospektive in Deutschland seit knapp neunzig Jahren im Zentrum für verfolgte Künste in Solingen eröffnet den Blick auf ein für Fachleute und Kunstinteressierte völlig neues Werk, das zahlreiche Aspekte der Moderne in sich vereinigt und einen bislang unbeachteten Schüler des Bauhauses ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Weitere Ausstellungen mit einem größeren Kreis an Leihgebern und eine intensivere wissenschaftliche Bearbeitung sind mit Spannung zu erwarten.
Axel Feuß, April 2019
Für Hilfestellung und Informationen danken wir dem Zentrum für verfolgte Künste (Solingen), Herrn Nathan Diament (Tel Aviv) und Frau Anna Taube (Goethe-Institut, Tel Aviv).
Literatur:
J.D. Kirszenbaum (1900-1954). The Lost Generation, herausgegeben von Nathan Diament und Caroline Goldberg Igra, Paris 2012
Johanna Linsler: Jesekiel David Kirszenbaum, entre aspiration révolutionnaire et mémoire du shtetl/Jesekiel David Kirszenbaum, zwischen revolutionärem Streben und Erinnerungen an das Schtetl, in: Anne Grynberg/Johanna Linsler (Herausgeberinnen): L’Irréparable. Itinéraires d’artistes et d’amateurs d’art juifs, réfugiés du „Troisième Reich“ en France/Irreparabel. Lebenswege jüdischer Künstlerinnen, Künstler und Kunstkenner auf der Flucht aus dem „Dritten Reich“ in Frankreich, Magdeburg 2013, Seite 265/290-313
J.D. Kirszenbaum (1900-1954). Retrospektiva/Retrospective, Ausstellungs-Katalog Muzej Mimara/The Mimara Museum, Zagreb 2018