„Ich war in einem Konzentrationslager“: Zbigniew Muszyński
Zbigniew wurde zusammen mit anderen Soldaten von Powiśle in den so genannten Quarantänebereich des KZ Dachau gebracht. Am 12. September 1944 erhielt er die Häftlingsnummer 104884. In Dachau traf er zum ersten Mal den Priester Gajkowski, der an die neu ankommenden Häftlinge die typische „Streifenkleidung“ verteilte.
Am 27. September wurden etwa 400 Häftlinge von Dachau in das Lager Sandhofen in Mannheim transportiert, einem Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof. Dort wurden sie zur Zwangsarbeit in der Daimler Benz Autofabrik zur Herstellung von Getrieben herangezogen. Die Häftlinge wurden zunächst innerhalb und außerhalb der Werkshalle und im Lager von bewaffneten SS-Mannschaften bewacht. Dann übernahmen Truppen der Luftwaffe die Führung. Eines Tages verkündete der Lagerkommandant beim Appell, dass die Häftlinge als Kriegsgefangene nach dem Genfer Abkommen registriert worden seien und dass sie vom Roten Kreuz Lebensmittelpakete erhalten würden. Die Gefangenen freuten sich – erhielten aber nichts.
Sie lebten in einer Schule, in Klassenräumen, die mit Kojen gefüllt waren. Zbigniew schlief oben. In der unteren Koje schlief ein Gefangener namens Strasburger (er hatte eine Frau und Kinder in Polen), der sagte, jemand aus seiner Familie sei in der polnischen Exilregierung in London vertreten.
Als Häftling des KZ-Außenlagers in Sandhofen hatte Zbigniew die Nummer 30082. An einem Sonntag ging Zbigniew nicht zur Arbeit, weil er nicht hörte oder verstand, dass seine Nummer aufgerufen wurde. Einige Stunden lang musste er daraufhin zur Strafe mit nach vorne gehaltenen Händen auf dem Platz vor der Schule in die Hocke gehen. Die Wachmannschaft drohte ihm, dass sie ihn wegen Sabotage töten würden. Irgendwann wurde er und seine Wache von einem Offizier des Lagers (einem Luftwaffenkapitän) angesprochen, der den Wachmann fragte, warum Zbigniew in der Hocke sei. Die Wache wusste es nicht. Der Hauptmann ging zum Wachhaus und befahl, Zbigniew gehen zu lassen. Polnische Köche riefen ihn in die Küche, wo sie ihm etwas zu essen gaben. Er hatte Glück gehabt.
Eines Tages, als Zbigniew während der Arbeit zur Toilette ging, fand er dort viele weitere Gefangene vor. Sie hatten Zeitungen aus der Fabrik geholt und waren damit zur Toilette gegangen, um sie unter ihre Kleidung zu legen, weil sie so sehr froren. Dabei wurden sie leider von den Deutschen aus dem Büro beobachteten. Als die deutschen Wachen die vielen Zwangsarbeiter auf der Toilette sahen, schlugen sie die Gefangenen zusammen. Auf der Flucht vor den Schlägen fiel Zbigniew die Treppe hinunter und verletzte sich die Rippen.
Weil Zbigniew sich vor Schmerzen nicht mehr bewegen konnte, machte der ältere deutsche Zivilist, der ihn in der Fabrik beaufsichtigte, seine Arbeit für ihn. Manchmal legte er ein Sandwich für ihn auf das Fließband, wenn es niemand sehen konnte. Er hatte Mitleid mit ihm. Sein Sohn kämpfte in der deutschen Armee gegen die Sowjets.
Die Gefangenen wurden meist mit dem Zug zu den Werken von Daimler Benz gebracht, aber einige Male mussten sie nach Bombenangriffen etwa 10 Kilometer zu Fuß zurücklegen.
Nach der Bombardierung des Lagers in Sandhofen, als sie bei der Arbeit waren, wurden Zbigniew und andere am 26. Dezember 1944 in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt. Auf dem Weg dorthin sangen sie polnische Weihnachtslieder. In Buchenwald wurde seine Nummer in 46868 geändert. Zbigniew wurde in Buchenwald sehr krank und wollte ins Krankenhaus gehen. Die älteren polnischen Gefangenen rieten ihm, er solle dem Krankenhaus besser fernbleiben, oder die deutschen Ärzte würden Experimente mit ihm machen, besonders, da er jung sei.
Um den 23. Januar 1945 wurden sie nach einigen Wochen Quarantäne im Block Nr. 25 in Buchenwald zur Zwangsarbeit in ein Konzentrationslager der Adlerwerken in Frankfurt verlegt. Zwanzig Häftlinge wurden ausgewählt und im Schweißen unterrichtet, um dann in der Produktionslinie eingesetzt zu werden. Zbigniew arbeitete mit einem Niederländer zusammen, der die Fahrgestelle für Transportfahrzeuge herstellte.
Er lebte etwa zweieinhalb Monate unter unmenschlichen Bedingungen. Die Häftlinge schliefen in Zimmern neben den Fabrikhallen, die oft bombardiert wurden, und mussten in die Schutzräume fliehen, wobei sie ständig von SS-Mannschaften bewacht wurden. Eines Tages gaben die Deutschen den Häftlingen Decken, weil eine Delegation des Roten Kreuzes gekommen war. Am nächsten Tag, nach der Abreise der Rot Kreuz-Kommission, nahmen die Deutschen den Gefangenen die Decken wieder weg. Einer der Brüder Strasburger, Goliath, starb im Lager der Adlerwerke. Er war einer der ersten, die an Erschöpfung starben. Infolge des Mangels an Nahrung, des kalten Winters und der anstrengenden Arbeit begann sich Zbigniews Gesundheitszustand ebenfalls deutlich zu verschlechtern.
Die Deutschen trennten die schwachen und kranken Häftlinge und sagten ihnen, dass sie in ein Erholungslager gehen sollten – angeblich sollten die Gefangenen in ein Sanatorium geschickt werden. Zbigniew wurde in eine Gruppe mit etwa 200 anderen Mithäftlingen gesteckt, und diese Gruppe wurde um den 13. März 1945 abtransportiert. Weit entfernt von einem Sanatorium wurde der sehr geschwächte Zbigniew in das Konzentrationslager Bergen-Belsen transportiert. Die Deutschen luden sie in drei Güterwagen, in denen jeweils etwa 60 Personen befördert wurden. Sie fuhren fünf Tage lang zusammengepfercht, stehend, ohne Nahrung und Wasser. Einige von ihnen tranken Urin. Zbigniew hatte Glück, er stand neben glücklicherweise neben dem Fenster. Viele der Gefangenen starben unter den Strapazen des Transports. Weil die Waggons mit den Gefangenen an einen Zug mit V1- und V2-Raketen angehängt wurden, griffen Us-amerikanische Flugzeuge (Geschwader von 8 bis 9 Flugzeugen) den Zug an. Zunächst schossen sie auf die fliehenden deutschen Wachmannschaften, dann aber, als sie die Gefangenen in ihren gestreiften Uniformen sahen, hörten sie auf zu schießen und flogen davon.