„Ich war in einem Konzentrationslager“: Zbigniew Muszyński
Zbigniew Muszyński wurde am 13. August 1926 (in einigen Dokumenten wird das Datum als September angegeben) als viertes Kind einer wohlhabenden, landbesitzenden Familie in Jaworówka (viele Dokumente geben dies als Chorostów an) in der Nähe von Włodzimierz Wołyński (Wolodymyr-Wolynskyj) geboren. Sein Vater Marcel betrieb einen Lebensmittelgroßhandel in Wolodymyr. Seine Mutter Emilia stammte aus der adeligen, reichen Familie Rogucki. Die Familie besaß Ländereien, darunter den Obstgarten (in Spasczyzna, in Chorostów). Zbigniew hatte einen älteren Bruder (Leopold) sowie zwei ältere und eine jüngere Schwester (Irena, Janina und Teresa).
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte im Haus der Familie die Frau eines russischen Oberst, die vor den Bolschewiken geflohen war. Von ihr lernte der kleine Zbigniew Russisch. Seine Mutter umsorgte zusätzlich zu ihren eigenen Kindern noch um drei weitere obdachlose und verwaiste Jungen (mit Familienname Dubiel). Emilia kümmerte sich also um acht Kinder.
Als Polen unter russischer Herrschaft stand, arbeitete Mutter Emilia im Büro eines russischen Gefängnisses. Manchmal leitete sie Briefe an und von Gefangenen weiter. Nach dem Ausbruch der Oktoberrevolution wollte das Innenministerium der UdSSR (NKWD) Emilia erschießen. Sie wurde von ihrem russischen Freund gerettet, der sie letztlich davor bewahrte, an die Todeswand gestellt und erschossen zu werden (Emilia hatte ihre Korrespondenz weitergeleitet).
Die Heimatstadt der Familie Muszyński in der Zwischenkriegszeit und nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zunächst von den Polen, dann von den Sowjets und schließlich von der deutschen Wehrmacht kontrolliert. Der junge Zbigniew besuchte in Folge drei Grundschulen und ein Gymnasium: Eine polnische Schule zwischen 1933 und 1939, eine russische Schule von 1939 bis 1941 und eine deutsche Schule von 1941 bis 1944. Daher sprach er fließend drei Sprachen: Polnisch, Russisch und Deutsch.
Nach der Sowjetischen Besetzung Ostpolens im September 1939 legten einige der Ukrainer aus Wołyń (Wolhynien) rote Bänder an und gründeten die kommunistische Polizei. Später im Septemberfeldzug verdrängte die polnische Armee die Sowjets und besetzte den Wald von Bieliński wieder, wobei die ukrainischen Kommunisten als Kriegsgefangene der Polen mitgenommen wurden. Die Familien der ukrainischen Gefangenen baten Zbignews Vater, ihnen zu helfen und ihre Väter und Söhne zu retten. Vater Marcel kam ihrer Bitte nach, ging in den Wald und bat die polnischen Kommandeure, die ukrainischen Kommunisten freizulassen. Dann führte er sie aus dem Wald heraus nach Wolodymyr. Dies war wahrscheinlich der Grund, der die Familie Muszyński später vor der Verschleppung nach Sibirien retten sollte.
Nachdem die Sowjets Wolhynien zurückerobert hatten, wurde die Familie Muszyński gewarnt, sie stünden auf der Liste jener Personen, die nach Sibirien deportiert werden sollten. Eines Nachts kamen tatsächlich die Sowjets zu ihrem Haus und gaben einer Frau mit Kindern, die ebenfalls in dem Haus lebten, eine halbe Stunde Zeit, um ihre Koffer zu packen. Verzweifelt weinte und schrie die Frau. Da sie nicht in der Lage war, in dem Moment logisch zu denken, packte sie keinerlei Dinge ein, die ihr oder ihren Kindern später nützlich sein könnten. Zbigniews Mutter schickte ihren Sohn daher am nächsten Tag mit Schuhen für die Kindern zu den Eisenbahnwagen, mit denen sie nach Sibirien deportiert werden sollten. Nach diesem Ereignis bereitete Mutter Emilia für jedes der acht Kinder, die sie versorgte, ein Bündel vor. Das fertige Gepäck lag bereit zum Mitnehmen von da an neben ihren Betten. Die Kinder wussten, wenn die Sowjets nachts kämen, würden sie ihr Bündel mitnehmen müssen. Glücklicherweise blieb der Familie Muszyński aber die Verschleppung nach Sibirien verschont.
1941 überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion. Das Haus der Familie Zbigniew in Wolodymyr in der Topolowa-Straße Nr. 21 wurde von einer Artilleriegranate getroffen. Obwohl das obere Stockwerk teilweise beschädigt wurde, blieb die Familie darin wohnen, sie hatten einen Unterstand und einen Keller. Auf den eroberten polnischen Gebieten bildeten die Deutschen den Staat Ukraine.
Im Wald von Bielin waren etwa 10.000 polnische Partisanen stationiert. Später wurden diese zu Soldaten der Armia Krajowa (Polnische Heimatarmee). Sie begannen ihre Einheiten auf dem Anwesen der Familie Muszyński in Spasczyzna zu bilden. Die Bildung der Armee wurde durch die Ankunft polnischer Spezialeinheiten aus dem Vereinigten Königreich unterstützt. Dann wurde das Hauptquartier nach Bielin verlegt und die Streitkräfte in den Wäldern von Bielin und Kowel stationiert. Zbigniews Bruder Leopold war ebenfalls ein Partisan.
Seit 1941 hatte der 15-jährige Zbigniew als Bindeglied zwischen der Stadt und den Partisanengruppen gearbeitet. Zu Pferd gab er wichtige Informationen weiter und transportierte auch unter Mist versteckt auf einem Pferdewagen Waffen aus einer nahe gelegenen Kaserne zu den Partisanen. Er benutzte das Pseudonym „Pirat“. Eines Tages brachte er dem Kadetten Tadeusz Turzyniecki (Bruder des Ehemannes seiner Schwester) im Dorf Anusin Schuhe. Am nächsten Tag wurde Tadeusz getötet.
Zbigniew wurde Zeuge des „Blutbades von Wolhynien“ an der polnischen Zivilbevölkerung verübt durch ukrainische Nationalisten. Von seiner eigenen Verwandtschaft wurden 16 Personen ermordet. Er sah, wie polnische Dörfer in Flammen aufgingen. Durch ein Maschinengewehr, das im Fenster im zweiten Stock ihres Hauses angebracht war, war die Familie Muszyński vor Angriffen der ukrainischen Aufständischen geschützt.
Die verlassene Kaserne der Polnischen Armee-Artillerie-Division in der Nähe des Hauses war voller Munition, im Obstgarten standen etwa 20 Kanonen. Die Russen und die Deutschen haben die Munition nicht angerührt, weil sie befürchteten, dass sie vermint war. Aber die polnischen Partisanen benutzten sie – und mehr als einmal brachte Zbigniew ihnen die Munition auf seinem Pferdewagen unter dem Dung in den Wald von Bielin. In den Wäldern lernten die Jungen aus Wolodymyr das Schießen, meist auf Vögel. Eines Tages feuerte Zbigniew aus Versehen beim Spielen eine Kanone ab, die in der Nähe des Hauses seiner Tante einschlug. Zum Glück wurde niemand verletzt und nichts beschädigt.