ERINNERUNG ENTSTEHT GEMEINSAM
Zu erinnern ist, dass diese Berliner Nekropole für uns besondere Bedeutung hat, da hier außer den Überresten von Menschen anderer Nationalitäten die Asche von 430 Polen beigesetzt wurde, die von 1939 bis 1945 in den Konzentrationslagern und Gefängnissen des Dritten Reichs ermordet wurden, unter anderem in Sachsenhausen und in Berlin-Plötzensee.
Diesen über 1.370 Opfern des Hitler-Terrors wurde nicht nur ihr Leben genommen, sondern sie wurden auch „entmenschlicht“, indem man sie anonym beisetzte und sich ihrer Erinnerung bemächtigte. Von eben diesen „ermordeten, anonym bestatteten und entmenschlichten“ [Opfern] sprach der evangelische Bischof Christian Stäblein in seiner Predigt.
In seinen Begrüßungsworten, die er an die Gäste aus Polen richtete, nahm er auch indirekt Bezug auf die Forderungen aus katholischen Kreisen[1]: „Ich will auch den Schmerz nicht verschweigen, den etliche in sich spüren, weil die Asche im Land der Täter liegt. Ich weiß darum. Ich kann nur hier stehen und aufrichtig sagen: Wir erinnern, wir werden die, deren Asche hier liegt, nie vergessen. Ihre Individualität, ihren Glauben, ihre Namen, ihre Herkunft, ihre Geschwister.“
„Vor dem Vergessen bewahren. Den Toten ihre Identität zurückgegen. Sie aus dem Teufelskreis der Anonymität herausreißen“, das war eine der Losungen für den vom Berliner Senat 2018 ausgelobten Wettbewerb, an die sich Klaus Leutner in unserem ersten Gespräch erinnerte. Für die Autoren des schließlich siegreichen Projekts, Katharina Struber und Klaus Gruber von der Wiener Arbeitsgemeinschaft struber_gruber, sei die lebendige Erinnerung der Hauptimpuls für die Neugestaltung dieser Begräbnisstätte gewesen. In diesem Sinne entschieden sie sich dafür, für die dort Bestatteten jeweils eine Patenperson zu suchen, die mit ihrer Handschrift ausschließlich den Namen und die Lebensdaten des/der Verstorbenen festhalten sollte. Diese individuellen Schriftzüge, die hell im grünen Glas leuchten sollten, stellten für sie das Herzstück des Erinnerungsortes dar. Sie haben diese Form gewählt, da sie der Meinung waren, dass Erinnerung und Gedenken zwischen den heute lebenden Menschen entstehen. Durch die künstlerisch-architektonische Form der Gedenkstätte sollte ein Ort der Information und der Erinnerung geschaffen werden, der auch den Hinterbliebenen ein angemessenes Trauern ermöglichen sollte. Die Umsetzung der außergewöhnlichen Idee wurde jedenfalls durch die Beteiligung vieler nachgeborener Menschen geprägt.
Oliver Igel, Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, hob in seiner Begrüßung der Gäste des Festakts die Rolle von Klaus Leutner und seiner Bemühungen um den Umbau des bisherigen Gedenkorts auf dem Friedhof von Altglienicke abermals hervor. Er sagte: „[Er] war derjenige, der (...) alles tat, um den Verstorbenen ihre Identität zurückzugeben. (...) Er war unermüdlich (...) und hat sein Ziel erreicht!”
[1] Darüber sowie über Herrn Woźniaks Rolle in der Diskussion des Projekts der Neugestaltung der Begräbnisstätte sowie über seinen beharrlichen Einsatz für die Exhumierung eines Priesters bzw. mehrerer Priester und eine Umbettung nach Polen habe ich in meinem ersten Text für Porta Polonica geschrieben. Er ist abrufbar unter: https://www.porta-polonica.de/de/atlas-der-erinnerungsorte/das-bewahren-vor-dem-vergessen-der-friedhof-altglienicke-berlin