Dorota Danielewicz – Kulturmanagerin, Slawistin, Schriftstellerin und Journalistin

Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau, Copyright: Renate von Mangold
Dorota Danielewicz, Porträt um 1998, im Łazienki-Park, Warschau

Journalismus auf Polnisch und Deutsch
 

Dem Schriftsteller Leszek Szaruga verdankt sie den Kontakt zur Pariser Zeitschrift „Kultura“. Unmittelbar nach einer Reihe von Lesungen in Berlin im Jahr 1995 berichtet Dorota Danielewicz auf seine Empfehlung hin in der Monatszeitschrift von Jerzy Giedroyc über das Ereignis[4]. Wenige Monate später, im Frühjahr 1996, schreibt sie für die „Kultura“ über die Präsentation der polnischen Literatur auf der Leipziger Buchmesse[5].

Danielewicz hatte zwei Jahre zuvor ihr Debüt in deutscher Sprache gegeben und zusammen mit Basil Kerski 1993 in der „Berliner Zeitung“[6] und 1995 im „Tagesspiegel“[7] zwei Serien mit Reportagen über polnische Gebiete nahe der deutschen Grenze veröffentlicht. Mit der Zeit wird Danielewicz zunehmend von polnischen und deutschen Redakteur:innen angesprochen, und mit Artikeln beauftragt, die ihrem Profil entsprechen. Kurz nach der Verleihung des Nobelpreises an Wisława Szymborska wird sie für die „Berliner Zeitung“ ein Porträt über sie schreiben[8]. In ähnlicher Weise stellt sie Olga Tokarczuk in der „taz“ vor[9]. Für die polnische „Newsweek“ wird sie Herta Müller[10] interviewen, und Olga Tokarczuk für die deutsche Wochenzeitung „Der Freitag“[11]. Für Nobelpreisträger:innen hat sie ein Händchen. „Polityka“ gibt bei ihr einen langen Text über die moderne Metropole Berlin[12] in Auftrag. Sie veröffentlicht weiterhin regelmäßig in der zweisprachigen deutsch-polnischen Zeitschrift „Dialog“. Außerdem hat sie u. a. im „Tygodnik Powszechny“ und in der „Gazeta Wyborcza“ geschrieben.

Jahre später, als ihre eigenen Bücher bekannt werden, kehren sich die Rollen um. Zeitungen und Radiosender aus Warschau und Berlin werden nun sie interviewen und umfangreiche Porträts über sie veröffentlichen[13]. Dorota Danielewicz wird auch eingeladen, als Zeitzeugin und Publizistin an Dokumentarfilmen über Berlin mitzuwirken.[14] Zusammen mit ihrem Sohn Jan erscheint Dorota Danielewicz im Februar 2020 auf dem Cover von „Wysokie Obcasy“, dem Magazin der auflagenstarken „Gazeta Wyborcza“[15]. Durch diese Zeitschrift wird sie auch als eine von 12 Kandidatinnen für die Wahl zur „Superheldin des Jahres“ (Superbohaterka roku) im Jahr 2020 nominiert, und zwar wegen der in ihrem Buch „Jans Weg“ enthaltenen Lektionen in Sachen Empathie und ihres politischen Engagements während des „Frauenstreiks“ in Polen.

 

Radio
 

Im Jahr 1996 begann Danielewicz mit dem Radio zusammenzuarbeiten. Ihr ehemaliger Kommilitone und Mitbegründer des „Polnischen Radiomagazins“ (Polski Magazyn Radiowy) bei „Radio Multikulti“ im RBB und später im WDR, Jacek Tyblewski, bot ihr eine Mitwirkung in der Sendung an. Er schlug die Aufnahme von Interviews mit Schriftsteller:innen vor, die sie in Berlin empfing. Schnell wird klar, dass Dorota Danielewicz sowohl eine Radiostimme als auch ein Talent dafür hat. Tyblewski brachte ihr bei, wie man Aufnahmen auf Tonbänder schneidet, die dann auf Platten gewickelt wurden. Ihr intensives Radioabenteuer sollte bis 2012 andauern. Bei „Radio Multikulti“ produzierte sie ihre eigenen Sendungen, arbeitete aber auch als Sprecherin und Redakteurin. Dazu präsentierte sie einmal im Monat ihr „Literaturmagazin“ (Magazyn Literacki), in dem sie insgesamt fast 200 Gespräche mit polnischen Schriftsteller:innen veröffentlicht.

Darüber hinaus führte sie über 10 Jahre lang bis zur Schließung des französischen Senders in Paris (2010) die Telefonkorrespondenz für die polnische Abteilung von „Radio France International“ (RFI). Sie berichtete ein- bis zweimal pro Woche über wichtige internationale Ereignisse in der deutschen Hauptstadt. Obwohl die Arbeit beim Radio ihre Leidenschaft war, beendet Dorota Danielewicz im Jahr 2012 aus persönlichen Gründen ihre Zusammenarbeit mit dem RBB / Funkhaus Europa, dem früheren „Radio Multikulti“.

Im Jahr 2023 ist das Radio für Dorota Danielewicz in einem neuen Format zurückgekehrt. Seit 2023 widmet sie sich in Audiokolumnen für „Deutschlandfunk Kultur“ den deutsch-polnischen Beziehungen.

 

Editionen
 

Nach der Aufgabe ihrer Tätigkeit beim „Magazyn Literacki“ befasst sich Dorota Danielewicz mit der Literatur nicht mehr im Rahmen von Sendungen oder Veranstaltungen, sondern in erster Linie für ihre eigene Arbeit. Nachdem der behinderte Sohn Jan 18 Jahre alt geworden ist und fortan rund um die Uhr in einem Fachzentrum betreut wird, ihr Ehemann aus beruflichen Gründen nach Polen zieht und der zweite Sohn, der ebenfalls studiert, das Elternhaus verlässt, kann sich Dorota Danielewicz ganz dem Schreiben widmen.

Sie hatte sich bereits einen Namen als Herausgeberin und Redakteurin von Büchern gemacht. 1998 veröffentlichte sie beim „Kirsten Gutke Verlag“ in Köln eine zweisprachige Anthologie polnischer Lyrik mit dem Titel „Kochać to, co niewidzialne. Das Unsichtbare lieben“[16]. Danielewicz betont im Nachwort, dass der Verlag „kein Buch mit Lyrik der ersten Feuilletonseiten, sondern Namen präsentieren [möchte], die in Deutschland noch weitgehend unbekannt sind, Lyrik, die noch zu entdecken ist.“[17] Für eine vertiefende Lektüre kann man aus Gedichten von Bohdan Zadura, Maciej Cisło, Krystyna Lars, Aleksander Jurewicz, Kazimierz Brakoniecki, Bronisław Maj, Anna Janko, Paweł Huelle, Zbigniew Machej, Hanna Kowalewska, Andrzej Stasiuk, Jakub Ekier, Marcin Świetlicki, Ewa Sonnenberg, Andrzej Sosnowski, dem in Paris lebenden Maciej Niemiec und der in Vilnius lebenden Alicja Rybałko wählen.[18] Die Dichter:innen Piotr Sommer, Tomasz Jastrun und Marzanna Kielar werden in den folgenden Jahren mit eigenen Gedichtbänden in Deutschland vertreten sein. Zahlreiche in Deutschland bislang eher unbekannte Autor:innen aus der Anthologie „Das Unsichtbare lieben“ werden später tatsächlich in deutschsprachigen Literaturzeitschriften und im Kulturteil von Zeitungen erscheinen.

Im Jahr 2008 veröffentlicht Danielewicz zusammen mit Maciej Górny die Anthologie „Berlin. Polnische Perspektiven. 19.–21. Jahrhundert“[19]. Das Buch erschien im Rahmen der Ausstellung „My, berlińczycy. Wir Berliner“, die das Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften (CBH PAN) in Berlin präsentierte. Zwei Jahre lang sammelten Danielewicz und Górny in den Archiven polnischsprachige Texte und Zeugenaussagen von Menschen, die einst in Berlin gelebt hatten oder dort vorübergehend gewesen waren. Neben Texten von Schriftsteller:innen wie Witold Gombrowicz oder bedeutenden Musiker:innen wie Artur Rubinstein oder jahrzehntealten Berichten von Journalist:innen beinhaltet die Anthologie auch Erinnerungen „normaler“ Bürger:innen.

Diese „nicht offensichtlichen“ Texte über Berlin waren der Ausgangspunkt für Dorota Danielewicz und Ewa Wanat, im Jahr 2023 unter der Schirmherrschaft der Deutsch-Polnischen Gesellschaft den zweisprachigen Audioguide „Berlinski Tour“ über die Stadt in Form einer App zu produzieren[20]. Es handelt sich um einen Guide zu den oft wenig bekannten polnischen Spuren in der deutschen Hauptstadt. In Zusammenarbeit mit dem geplanten Deutsch-Polnischen Haus in Berlin ist eine Ausweitung der App vorgesehen. 

 

[4]   Dorota Danielewicz: Granice poznania. Cykl spotkań autorskich w ramach „grenzenlos Warschau-Berlin“ (jesień 1995), in: „Kultura“ 1995/12/579, S. 83–89 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/1964/2/dorota danielewicz-kerski#page=2&search=dorota danielewicz-kerski (Zugriff: 23.02.2023).

[5]   Dorota Danielewicz: Polska książka w Lipsku. Impresje z wiosennych Targów Książki 28.–31.03.1996, in: „Kultura“ 1996/12/591, S. 100–103 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/1980/52/dorota danielewicz - page=52&search=dorota danielewicz (Zugriff: 23.02.2023).

[6]   Die Reportagereihe von Dorota und Basil Kerski in der „Berliner Zeitung“ im Jahr 1993 trug den Titel „Entdeckungen östlich der Oder“ und bestand aus acht Texten. Beispieltexte: Dorota und Basil Kerski: Der Kronprinz und die schöne Eleonore. Küstrin, in: „Berliner Zeitung“ 21/25 vom 5.07.1993; Dorota und Basil Kerski: Berliner Altar mitten im Naturreservat, in: „Berliner Zeitung“ vom 31.08.1992.

[7]   Eine Reportagereihe von Dorota und Basil Kerski, die 1995 im „Tagesspiegel“ erschien, trug den Titel „Jenseits der Oder“. Beispieltexte: Dorota und Basil Kerski: Zielona Góra. Ein Weinberg als Andenken, in: „Tagesspiegel“ Nr. 15398 vom 24.09.1995; Dorota und Basil Kerski: Chojna. Kirchenglöckchen der Versöhnung, in: „Tagesspiegel“ Nr. 15411 vom 08.10.1995.

[8]   Dorota Kerski: „Kein Blatt fällt ohne meinen Willen“. Wisława Szymborska, die Grande Dame der polnischen Dichtung erhält den Literatur-Nobelpreis, in: „Berliner Zeitung“ vom 4.10.1996.

[9]   Dorota Danielewicz: Die Wahrheit steckt in der Bewegung. Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, in: „taz“, 10.12.2019. – https://taz.de/Nobelpreistraegerin-Olga-Tokarczuk/!5647913/(Zugriff: 23.02.2023).

[10]   Herta Müller in einem Interview mit der „Newsweek“. Interviewt von Dorota Danielewicz, in: „Newsweek“ (Warschau), 15.04.2013.

[11]   Dorota Kerski: „Landkarte realer und erträumter Welten“. Gespräch mit Olga Tokarczuk, in: „Der Freitag“ vom 12.10.2001.

[12]   Dorota Danielewicz: Światowa stolica Niemiec, in: „Polityka“ (Sonderausgabe: Niezbędnik inteligenta, 10/2014) vom 3.11.2014. – https://www.polityka.pl/niezbednik/1597637,1,swiatowa-stolica-niemiec.read (Zugriff: 23.02.2023).

[13]  Lena Ackermann: Dorota Danielewicz. Wie ein polnisches Mädchen in Berlin ihr Zuhause fand, in: „Berliner Morgenpost“ vom 28.10.2014. – https://www.morgenpost.de/kultur/berlin-kultur/article133725685/Wie-ein-polnisches-Maedchen-in-Berlin-ihr-Zuhause-fand.html (Zugriff: 23.02.2023); Nicole Henneberg: Himmel über dem Markusplatz, in: „Tagesspiegel" 21.10.2014. – https://www.tagesspiegel.de/kultur/himmel-uber-dem-markusplatz-3595009.html (Zugriff: 23.02.2023); Katarzyna Kubisiowska: „Odszkodowanie od losu“. Rozmowa z Dorotą Danielewicz, in: „Tygodnik Powszechny“ 7/2020, S. 29 vom 16.02.2020.

[14]  Berlin – Schicksalsjahre einer Stadt, Folge über 1981, Regie. Anna Bilger, RBB 2019, https://www.rbb-online.de/berlin-schicksalsjahre/schicksalsjahre-1980-90/das-jahr-1981.html (Zugriff: 23.02.2023); Nieudacznicy, 2017, Regie. Jacek Papis, https://www.youtube.com/watch?v=sGVScJBZ7zA (Zugriff: 23.02.2023).

[15]  Violetta Szostak: Dorota Danielewicz: Dorota Danielewicz: Był czas, kiedy wyobrażałam sobie Jana wbiegającego po schodach i wołającego: „Mamo, jestem!” [Es gab eine Zeit, in der ich mir vorstellte, wie Jan die Treppe hinauflief und rief: „Mama, ich bin da!“], in: „Gazeta Wyborcza“ („Wysokie Obcasy“), 15.02.2020.

[16]  Kochać to, co niewidzialne. Nowa poezja polska. Das Unsichtbare lieben. Neue polnische Lyrik. Anthologie. Auswahl und Nachwort: Dorota Danielewicz-Kerski. Vorwort: Adam Zagajewski. Übersetzung aus dem Deutschen: Henryk Bereska, Renate Schmidgall, Roswitha Matwin-Buschmann und Joanna Manc. Kirsten Gutke Verlag, Köln 1998.

[17]  Ibidem, S. 261.

[18]  Leszek Szaruga: Świadectwo liryki, in: „Kultura“ 1999/01/616-02/617, S. 210–213 – https://kulturaparyska.com/pl/search/searched-attachment/2088/107/dorota danielewicz#page=107&search=dorota danielewicz (Zugriff: 23.02.2023).

[19]  Berlin. Polnische Perspektiven. 19.–21. Jahrhundert, hrsg. von Dorota Danielewicz-Kerski / Maciej Górny. Berlin Story Verlag, Berlin 2008.

[20]  https://berlinski-tour.de/ (Zugriff: 23.02.2023).

Mediathek
  • Dorota Danielewicz-Kerski

    2022
  • Im Sitzungssaal der UN-Vollversammlung

    Hinterm Rednerpult, New York 1988
  • Ausstellung „Decolonization“ im UNO-Hauptquartier

    New York, 1988
  • Zu Hause, 1988

    Broadway / Ecke 97th Street, New York
  • Bei Jerzy Giedroyc

    Maisons-Laffitte bei Paris, 1991
  • Evangelische Akademie zu Berlin, 5.10.1995

    Dorota Danielewicz-Kerski, Leszek Szaruga, Lidia Herling-Croce, Gustaw Herling-Grudziński, Ludwig Mehlhorn (Direktor der Akademie), Agnieszka Grzybkowska und Basil Kerski
  • Mit Hanna Krall

    In NRW, 1996/1997
  • Dorota Danielewicz im Studio von Funkhaus Europa

    RBB Berlin, 1999
  • DAAD Berliner Künstlerprogramm

    Denis Scheck, Ryszard Kapuściński, Dorota (Danielewicz-)Kerski im Haus der Kulturen der Welt, Berlin 1999
  • Mit Czesław Miłosz

    Dorota Danielewicz-Kerski, Czesław Miłosz, N.N., Michael Krüger / LCB (Literarisches Colloquium Berlin), Mai 2000
  • In der DAAD Galerie über dem Café Einstein, Berlin 2002

    Henryk Bereska, N.N., Dorota Danielewicz-Kerski, N.N., Olga Tokarczuk, Lila Karbowska, N.N.
  • Mit dem Sohn auf dem Cover

    „Wysokie Obcasy” (Beilage zur „Gazeta Wyborcza”), Nr. 7 (1073) vom 15.02.2020
  • Mit Brygida Helbig

    Reihe „Lesen, was die Nachbarn schreiben” („Czytać, co piszą sąsiedzi”) in der Humboldt Bibliothek, Berlin-Tegel 2023