DIE ANTIKE – VORBILD UND INSPIRATION? Deutsch-polnisches Pleinair für figürliche Plastik auf Schloss Trebnitz vom 28. Juli bis zum 22. August 2021
Roswitha Schaab
Das von den Ägyptern aufgegriffene Kouros-Schema hat auch diese Künstlerin inspiriert. Sie behält die strenge Form der Figur bei, konzentriert sich aber auf die Beschriftung ihrer Oberfläche. Somit schafft sie ein akribisch geführtes Notizbuch, das persönliche Reflexionen über den Lauf der Zeit enthält, eine Art intimes künstlerisches Vermächtnis, mit dem sie der Nachwelt einige feste Eckpunkte der Realität übermittelt. Jeder Spur des Meißels ist von der Bildhauerin geplant und bewusst so angelegt, dass sie die nächste bedingt.
Ryszard Litwiniuk
Der Zentaur symbolisiert die Dualität der menschlichen Natur, die zur Hälfte als Gott und zur Hälfte als Bestie begegnet. Der Oberkörper des Hybridwesens ähnelte einem Menschen, der Unterkörper war einem Pferd entlehnt. Der bekannteste Vertreter in der Mythologie war der weise, gütige Cheiron. Inspiriert von dieser hybriden Gestalt richtete der Künstler sein Interesse auf eine weibliche Form und nahm Bezug auf die älteste prähistorische Skulptur der Venus von Willendorf. Seine Arbeit ist zudem von der Idee des Trojanischen Pferdes angeregt, das hier als moderner Verweis auf die lauernde Gefahr von Viren zu verstehen ist. Außerdem lehnt sich diese Arbeit an die Figur der „Lauschenden“ an, die Gustav Seitz 1968 geschaffen hat.
Das Künstlerduo Super Vivaz (Lina Baltruweit/Johannes Braunringer)
Ein Ideal der alten Griechen bestand in der Kalogathia, der Gleichsetzung des Schönen mit dem Guten. In diesem Sinne wurde die Verformung des menschlichen Körpers mit dem Bösen assoziiert. In Anlehnung an die 1967 entstandene Skulptur von Gustav Seitz mit dem Titel „Entwurf zur großen Danae“ sowie klassischen Darstellungen der Odaliske, der weißen Sklavin im Harem, nachempfunden, hat das Künstlerpaar eine idealisierte Skulptur geschaffen, die sich am gegenwärtigen Kanon orientiert und Luxus thematisiert. Das als Ready-Made angelegte Werk zeigt eine Figur auf einer Chaiselongue, die mit einer modernen Errungenschaft, einem Mobiltelefon, spielt, das eine App zur Bearbeitung von Fotos hat, die über Beautyfilter verfügt. Indem die Künstler unseren übertriebenen Konsum kritisieren, fragen sie danach, wie sich die Grenzen von Gut und Böse, Schönheit und Hässlichkeit, Wahrheit und Lüge im Leben und in der Kunst manifestieren. Außerdem regen sie Überlegungen an, wie sehr sich dieses Dinge im Laufe der Zeit verändert haben.
Susanne Ring
Bei dieser Skulptur handelt es sich um eine Gruppe von Objekten aus Ton, einem Material, das die Arbeitsweise der Künstler*innen durch seine ständigen Veränderungen bestimmt. Diese Eigenschaft macht sich Susanne Ring zunutze. In der Zeit, auf die sich das Werk bezieht, kam die Töpferscheibe auf, so dass die klassische Form einer Amphore den natürlichen Ausgangspunkt für die Künstlerin setzt. Doch ihre Amphoren werden amorph, sie beginnen miteinander zu schwingen und sie vermehren sich. Die konsequent entwickelte Struktur wird markanter und die Form wird ständig verbessert. Da es jedoch keine rein intellektuelle oder rein intuitive Kunst gibt, ist die ständige Verfeinerung der Form für Susanne Ring kein Ziel, sondern ein Mittel, das an die Rolle der Votivfiguren in der früharchaischen Zeit erinnert, und eine Art künstlerische Meditation.
Magda Potorska, September 2021