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Der Autor und Filmemacher Konrad Bogusław Bach – Zwischen Polen und Deutschland

Konrad Bogusław Bach, Foto: Alessandro Sgarito, 2023
Konrad Bogusław Bach

Geboren wurde Konrad Bogusław Bach 1984 in Nakło nad Notecią (Nakel an der Netze). Bald aber zogen seine Eltern in eine ländlichere Gegend in der Nähe, und so kreisen die frühen Kindheitserinnerungen des Künstlers um den Hühnerstall und den Versuch, mit einem Nachbarsjungen auf einem besonnten Stein Eier zu braten, den Opa, der mit einer Angel samt Köder vorm Klavier sitzt, um die dort drinnen musizierende Maus zu fangen, und die weiten Himmel über dem nördlichen Polen. Auch ans Schachspielen mit dem Großvater kann er sich noch erinnern, auch wenn sich natürlich das Gedächtnis im Laufe der Jahre mit familiären Anekdoten und der fortgeschriebenen Selbsterzählung angefüttert hat. Zumindest brachte der Opa ihm das Schachspielen bei, ließ ihn anfangs gewinnen, um ihm das Spiel schmackhaft zu machen, spielte dann aber „richtig“, damit der Junge lernen konnte, zu spielen und zu verlieren. Der kleine Konrad verlor aber nicht gerne. Nahm man ihm die geliebte Dame, weinte und tobte er. Der Opa hatte bald Angst vor den Schachspielen, vernachlässigte seine pädagogischen Ambitionen aber nicht: Der Junge musste lernen mit der Realität klarzukommen. Manchmal sind andere eben besser. 

Trotzdem: Das Leben war schön. So hätte es weitergehen können. Die Eltern aber wollten mehr. Sie wollten in den verheißungsvollen Westen. Und gab es da nicht diese Verwandten in den USA? Ende der 1980er war der Weg dorthin aus Polen nicht ganz so einfach. Zunächst brauchten sie eine Adresse in Westdeutschland. Die bekamen sie von einem deutschen Paar, dem sie in Polen halfen, als es dort eine Autopanne hatte. Dann mussten sie im „Tränenpalast“, der Grenzabfertigungshalle am Bahnhof Friedrichstraße, in der DDR vorsprechen, um ein Besuchsvisum zu erhalten. Eine Familienanekdote besagt, dass der DDR-Beamte sehr skeptisch auf die junge Familie und deren Papiere schaute: War diesen energiegeladenen, wachen Menschen zu trauen? Würden die nicht ganz rübermachen. Und so geht die Anekdote weiter: Der kleine Konrad soll sich plötzlich an den Hintern gegriffen und gesagt haben: „Ich muss dringend Kacka!“ Und schon hatte der Beamte ein Einsehen und ließ Familie Bach ausreisen. In Hamburg wollten sie sich mit einer anderen Familie aus Polen treffen und dann ein Flugzeug in die Vereinigten Staaten nehmen. Die Bachs kamen zu spät, blieben 1989 noch etwas in Hamburg und stellten schnell fest, dass das Geld vom Verkauf ihres Häuschens und Autos im goldenen Westen nur für ein paar Wochen reichte. An ein teures Flugticket war da nicht mehr zu denken. Und so ging es nach Friedland im Landkreis Göttingen, wo sich ein großes Auffanglager für Spätaussiedler befand. Konrad Bach erinnert sich noch gut an den großen Fernseher im Aufenthaltsraum und wie er zum ersten Mal David Hasselhoff als Knight Rider sah. Wie der gelockte Mann mit seinem schwarzen Auto durch die Wüstenlandschaften preschte – phantastisch. Da konnte „der häusliche Kindergarten“ (domowe przedszkole) einpacken. Die Bachs, die bis dahin den Nachnamen Blechacz führten, wurden schnell als Spätaussiedler anerkannt, galten somit gesetzlich als Deutsche, bekamen sogar einen neuen Nachnamen und durften arbeiten. Und dass taten Konrads Eltern nicht zu knapp. In ihrer neuen Heimat im südlichen Hannover machte die Mutter eine Ausbildung zur Industriekauffrau und bekam später eine Stelle bei der städtischen Friedhofsverwaltung. Der Vater arbeitete erst als Landschaftsgärtner, dann als Hausmeister in der Grünflächenpflege. Nebenher lernten beide Eltern Deutsch und kümmerten sich um Konrad und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder (später kamen noch eine Schwester und Zwillingsbrüder dazu). Konrad Bach erinnert sich, dass gerade seine Mutter trotz allen eigenen Lernens noch Zeit fand, ihm und seinem Bruder bei den Schulaufgaben zu helfen, Fragen zu beantworten und Orientierung in der neuen Heimat zu geben. „Ich denke heute, dass das sehr wichtig war“, sagt der inzwischen 40-Jährige, der eine Zeitlang selbst an einer Grundschule unterrichtet hat. Die deutsche Sprache lernte er schnell. Heute sieht er sie als seine Muttersprache an, auch wenn ihm bewusst ist, dass der Begriff schief wirkt. Als Grundschüler lernte Konrad Bach Deutsch nicht nur in der Schule und auf der Straße, sondern auch aus dem Fernsehen. Wenn er und sein Bruder sonntags mit den Eltern in die Kirche gingen und die Lieder nicht kannten, die gesungen wurden, dann stimmten sie einfach Melodien aus der Werbung an. Ob Ültje-Nüsse, Allianz Versicherungen oder Parmaschinken, die kleinen Bachs waren um Gesangseinlagen nicht verlegen. 

An der Grundschule im Hannoveraner Stadtteil Döhren-Wülfel ging es weniger besinnlich zu als in den sonntäglichen Gottesdiensten. Konrad Bach erinnert sich daran, dass viel geprügelt wurde. „Nicht gemobbt, aber geprügelt“, sagt er, und fügt hinzu: „Es gab an der Schule viele Kinder aus Polen, wobei die schlesische Community sich noch mal abgesondert hat. Mit denen hatten mein Bruder und ich mehr Ärger als mit den Kasachstandeutschen oder den Kindern aus dem ehemaligen Jugoslawien.“ Laut Konrad Bach waren Schlägereien und derbe Schimpfwörter an seiner Schule ganz normal. Heute denkt Bach, dass die ständigen Raufereien auch etwas damit zu tun gehabt haben könnten, dass die Aussiedler von der Mehrheitsgesellschaft tendenziell als „niedrigere Kaste“ angesehen wurden und gerade die Jungs versuchten, sowohl ihrem Frust Luft zu machen als auch in Wettkämpfen ihren Wert unter Beweis zu stellen. Bach sagt über sich selbst: „Ich war schon früh kompetitiv orientiert und habe das einfach für meinen Charakter gehalten. Vielleicht hat es aber doch auch was mit meiner Position als Einwanderer zu tun.“ Ganz sicher ist sich Konrad Bach, dass er sich in seiner Jugend oft isoliert fühlte. Für seine polnischen Wurzeln interessierten sich die Deutschen nicht. Sie kannten oft nicht einmal die Namen von mehr als zwei Städten in Polen, wussten nichts über polnische Kultur und Lebensart. Als Deutscher wurde er aber auch nicht gesehen. Und in Polen wiederum sprach man ihm immer mehr ab, ein „echter Pole“ zu sein. So fühlte er sich fremd und nirgendwo richtig zu Hause. Eine Ersatzheimat fand er in der Literatur. Die Initialzündung kam mit Jack Londons Klassiker „Wolfsblut“, den ihm ein Freund in der fünften Klasse schenkte. Die Abenteuergeschichte im hohen Norden war ganz nach seinem Geschmack. Es folgten andere Abenteuerromane wie „Der letzte Mohikaner“ oder „Die drei Musketiere“. Dann Thomas Mann, dessen Werke er für ihre Sprache liebte und die Erkenntnis, dass man das eigene Verhalten reflektieren kann. Bei Dostojewski beeindruckte ihn die gegenteilige Einsicht: Der Mensch bleibt sich letztlich selbst ein Rätsel. Von einer älteren Cousine bekam Konrad Bach eine Leseliste mit „guter Literatur“, die er leidenschaftlich abarbeitete. Dabei entdeckte er neben dem polnischen Science-Fiction-Giganten Stanisław Lem, Homer oder Kurt Vonnegut bald auch eigene Vorlieben wie Wolf von Niebelschütz.

Die Literatur war für Bach wie ein Gegenmittel zu den prügelnden Selbstbehauptungsversuchen auf dem Schulhof. Er kultivierte eine pazifistische Haltung und verweigerte den Wehrdienst. Als „Zivi“ ging er von Hannover nach Freiburg und arbeitete dort in einem Krankenhaus. Zum einen plante er, in der badischen Stadt später Theologie und Philosophie zu studieren, zum anderen gab es pro Kilometer Entfernung von zu Hause eine Zulage.

„Das war eine tolle Zeit“, erinnert sich Bach. „Ich tat etwas Sinnvolles, hatte aus meiner Sicht sehr viel Geld und lernte einen ganz anderen Teil Deutschlands kennen.“ Sein Studium trat Bach dann aber in Berlin an der FU an, da er sich gegen Philosophie und für Theaterwissenschaften und Theologie entschieden hatte. Schließlich schrieb er selbst schon lange und hatte fürs Abitur ein selbst verfasstes Theaterstück namens „Gilgamesch und Ischtar“ inszeniert. Das Studium brachte ihn mit sehr unterschiedlichen Studierendentypen in Kontakt. Hier die etwas biederen, ernsthaften Theolog:innen, dort die extrovertierten, partyfreudigen Theaterwissenschaftler:innen. Bach schwankte. Mal gefiel ihm das eine Studium samt Studierendenschaft besser, mal das andere. Schließlich traten aber die Fragen nach der Existenz Gottes und dem Sinn des Lebens in den Hintergrund, während die Freude am Theater zentraler wurde. Die Berliner Theaterlandschaft stellte das von Hause aus konservative Theaterverständnis des Studenten auf eine harte Probe. Mit der Zeit aber öffnete er sich den neuen Formen und wurde ein begeisterter Anhänger des postdramatischen Theaters. Seine Magisterarbeit, aus der im Anschluss eine Dissertation wurde, schrieb Bach über „Das Lachen in der Aufführung“. Dazu erklärt er: „In den Theaterwissenschaften geht es oft um die Frage, wie das Publikum auf Aufführungen reagiert. Da geht es dann um Anrührung, Aktivierung oder Verblüffung. Das Lachen war in meinen Augen aber bisher zu kurz gekommen.“ 

Konrad Bach lacht selbst gerne, und bringt gern andere zum Lachen. Literatur, Theater, Oper sind für ihn immer auch Unterhaltung. Die Arbeit an seiner Dissertation, gefördert durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beschreibt Bach als „goldene Zeit“. Alle zwei Wochen zum Kolloquium, ansonsten viel Freiraum für Forschung und Lektüre, für wissenschaftliches Arbeiten, aber auch für mehrere Hospitanzen am Theater und das Drehen von Kurzfilmen. In denen geht es – oft humoristisch – vor allem um intime Beziehungen. Bachs Kurzfilm „Magdalenas Akte“ allerdings handelt von einer Frau, die in einem Archiv ihre persönliche Lebensakte findet und ändern kann. Dieser Film wurde in einer fünf Minuten langen Fassung auf etlichen Festivals gezeigt und gewann einige Preise. 

Theologie und Theater, Dissertation und Kurzfilme – wer glaubt, damit wären Bachs Tätigkeitsfelder abgesteckt, irrt. Tatsächlich studierte der Wahlberliner „nebenbei“ auch noch Klassische Philologie, ein für ihn faszinierendes Fach, das er als Theologiestudent kennenlernte. Es ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil Bach während der Arbeit an seiner Dissertation auch noch eine Lehramtsausbildung macht und schließlich ein Staatsexamen als „Master of Education“ ablegt. Grund dafür sind pragmatische Überlegungen, die Bach trotz seiner romantischen Ader, nie ganz aus den Augen verliert. Auf einen Theologen und Theaterwissenschaftler warten nicht gerade gesicherte Jobs, und für eine Karriere als Regisseur hätte Bach wohl besser Regie studiert und schon mit Anfang 20 an Berliner Bühnen hospitiert. Sein Referendariat macht Bach am Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Prenzlauer Berg, wo er mit großer Freude Latein und Altgriechisch unterrichtet. Danach arbeitet er über zwei Jahre an einer Grundschule im Wedding, wo er mit seiner Frau und seiner 2014 geborenen Tochter auch lebt. Dort unterrichtet er natürlich keine antiken Sprachen. Jetzt geht es um Mathe, Kunst und Sport. In einer AG „griechische Mythen“ weckt er aber bei manchen Schüler:innen das Interesse an alten Sagen, wie sie ihn selbst als junger Mensch begeistert haben. Und in einer Schach-AG kann er weitergeben, was er von seinem Opa gelernt hat. Auch die Erika-Mann-Grundschule hat Konrad Bach in guter Erinnerung: „Tolle Schulleitung, gute Konzepte und direkt bei mir im Viertel!“

Heute unterrichtet Bach in einem Gymnasium in Frankfurt an der Oder. Er lebt jedoch mit seiner Frau und mittlerweile vier Kindern in Gubin, einer polnischen Grenzstadt mit gut 16.000 Einwohner:innen. Seine Frau arbeitet als Grundschullehrerin in Guben, reist für ihren Beruf also auch auf die deutsche Seite der Grenze. Die Kinder gehen in Polen in den Kindergarten und in Deutschland zur Schule. Freunde und Verwandte hat die Familie auf beiden Seiten. Konrad Bach sagt: „Ich kann wirklich von mir behaupten, dass ich in und zwischen den beiden Ländern lebe.“ 

Da passt es, dass das 2022 veröffentlichte Romandebüt des 40-Jährigen polnisch-deutsche Beziehungen zum Thema hat. „Der Wisent“ ist eine von der Jürgen-Ponto-Stiftung geförderte „Road Novel“: Heniek, ein Mechaniker Anfang 60, wurde nach 36 Jahren von seiner Frau verlassen. Nun macht er sich mit dem Tischler Andrzej im Auto auf den Weg nach Holland, um sie zurückzuholen. „Ich wollte einen europäischen Heimatroman schreiben“, erklärt Bach. „Letztlich bleibt es dann bei Polen und Deutschland, aber es kommen zum Beispiel Menschen aus Spanien oder Griechenland vor. Und eben Holland.“ Einen wichtigen Impuls für den Stoff gaben drei Männer, denen Bach am zweiten Tag einer ausgelassenen polnischen Hochzeit beim Konterbier zuhörte. „Sie sprachen auf eine Weise über Weltpolitik, die in mir etwas ausgelöst hat“, sagt Bach. „Es gibt einen bestimmten Typus des provinziellen polnischen Mannes, der mich amüsiert und anrührt. Denen wollte ich ein Denkmal setzen, das die Leser auch amüsiert und anrührt.“ Was aber hat es mit dem titelgebenden Wisent auf sich? Konrad Bach erzählt, dass im September 2017 ein Wisent durch Polen lief und dabei eine kleine Berühmtheit wurde. Als das eindrucksvolle Tier über die Grenze nach Deutschland lief, wurde es dort sofort erschossen. „Diese Geschichte finde ich fast metaphorisch. Ganz abgesehen vom Europa-Mythos mit dem Stier.“

Geschrieben hat Bach den Roman vor allem bei seinen täglichen Zugfahrten von Gubin nach Frankfurt an der Oder. „Das waren so 40-Minuten-Fahrten“, sagt er. „Deswegen besteht der Roman auch aus kleinen, schnellen Einheiten.“ Hinter dem Roman steckt auch Bachs Wunsch, das Polnische und das Deutsche in sich miteinander zu verbinden. Und der Wunsch, dass sich die Menschen beider Länder auf Augenhöhe und mit Neugier begegnen. Er sagt: „Viele Polen sind sehr herzlich, unmittelbar und direkt. Sie haben die Fähigkeit, sich nicht zu langweilen, und die Bereitschaft, sich mit anderen eine gute Zeit zu machen. Das tut auch Deutschen gut.“ Über die Deutschen sagt er: „Es mag heute abwegig klingen, aber ich nehme sie als überaus weltoffen wahr. Und sie sind intellektuell sehr aufgeschlossen. Es gibt ja neben der preußischen Tradition auch das romantische Deutschland voller Phantasie und Naturliebe. Da könnten sich die beiden Mentalitäten sehr gut ergänzen.“    

Derzeit arbeitet Konrad Bach an einem neuen Projekt, will darüber aber noch nichts verraten. 

 

Anselm Neft, Juni 2024

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  • Buchumschlag

    Konrad Bogusław Bach: Der Wisent, München 2022